Ich höre jeden Morgen Deutschlandfunk, da ich sehr niedrigen Blutdruck habe. Die „Einordnung“ der Nachrichtenlage durch die Redaktion und auch die Interviews mit Politikern und Experten schafft es zuverlässig, innerhalb kürzester Zeit, meinen Blutkreislauf in Schwung zu bringen. Nun ist ein niedriger Blutdruck medizinisch unbedenklich, weswegen ich mir nicht so sicher bin, ob die zwangsweise entrichteten 17,50 € im Monat das wert sind. Wahrscheinlich aber wurde mir das einfach noch nicht richtig von Politik und Medien erklärt, da muss mir noch auf Augenhöhe begegnet und ich abgeholt werden.
So höre ich jeden Morgen, wie CDU-interne „Merkelkritiker“ in devotem Duktus aus der Reparaturwerkstatt ihrer Partei berichten und nicht müde werden zu betonen, dass es um die Aufarbeitung von Entscheidungen aus dem Jahre 2015 ginge, aber niemals um Personen. Ich halte den Atem an, während ein EU-Abgeordneter der Grünen über den Holocaust und Klimapolitik schwadroniert. Ich lausche der schnodderigen Stimme Sigmar Gabriels, der mir die SPD-Sozialpolitik erklärt, aber ich habe leider Wirtschaft studiert und verstehe ihn daher nicht.
Behutsam wird mir nahegebracht, wie aufgeregt Annegret Kramp-Karrenbauer war und dass unter diesem Druck so ein Versprecher – den sie dann in der nächsten Rede mit Humor selbst wieder aufgegriffen habe – einfach mal passieren kann. Kurzum, mir wird knallharter, unabhängiger Journalismus geliefert, der über absolut kompetente Politiker und deren absolut zukunftsträchtige Steuerung des Landes berichtet. Dafür sollte ich ja wohl dankbar sein und mich darüber freuen, wie ich sich der Staat jeden Monat aufs Neue an meinem Eigentum vergreift.
Das selbstgefällige Lächeln Claus Klebers
„Steuern sind Diebstahl“ ist eine Aussage, die vor allem Libertäre sofort unterschreiben würden. Nun habe ich schon öfter erwähnt, dass ich ein großer Fan des kritischen Rationalismus bin und damit jeder gesellschaftlichen Theorie, die sich als allgemein herrschendes Prinzip darstellt, sehr skeptisch gegenüberstehe. Ob ich ein Anarchokapitalist bin, weiß ich nicht, denn ich habe mich noch nie mit der Definition eines solchen beschäftigt.
Es bringt jedoch herzlich wenig, sich über Utopien zu unterhalten, deren Umsetzung wohl am Widerstand der Meisten scheitern würde. Ich bin wahrscheinlich kein Anarchist, denn ich kann mir vorstellen, dass die menschliche Natur für den Anarchismus genauso wenig geeignet ist wie für den Kommunismus. Die Angst vor Freiheit und Eigenverantwortung ist groß, da erscheint der Staat als samtweiches Kissen.
Aus individueller Sicht jedoch werde ich beraubt. Ich werde gezwungen, Geld in ein System zu packen, dass sich einen Teufel um meine Zukunft und die Zukunft meiner Kinder schert (was nicht bedeutet, dass ich glaube, dass sich irgendein System, außerhalb der eigenen Familie, darum scheren würde). Ich werde gezwungen, inkompetente Phrasendrescher zu alimentieren, die mich schon um 6 Uhr morgens im Radio für dumm verkaufen wollen. Das selbstgefällige Lächeln Claus Klebers umspielt seinen Mund auch dank meiner monatlichen Enteignung.
Nun könnte ich das Ganze noch gelassen sehen. Aktuell ist ein Teil des Virtue Signalling – zumindest in liberalen Kreisen – zu betonen, dass wir „im besten Deutschland aller Zeiten leben“. Sicherlich, ich bin froh in Deutschland geboren worden zu sein, und nicht in einem Failed State zu leben. Dafür kann man Steuern zahlen, wenn man das Gefühl hat, das Gewaltmonopol des Staates ist legitim, er geht mit meinem Geld halbwegs vernünftig um (wobei ich mir dies in jeder öffentlichen Unternehmung nur schwer vorstellen kann), und durch die Produktivitätssteigerung der Privatwirtschaft kann man auch in Zukunft von einem guten Lebensstandard ausgehen. Familie, Freunde, Gewohnheit und Tradition binden einen an die Heimat und machen das Abstimmen mit den Füßen teuer. Man fühlt sich nicht allzu schmerzlich in seinem Eigentum an seiner Hände Arbeit beschnitten, die Vorteile gleichen die Nachteile aus.
Ein Sozialstaat, der sich wie eine Supernova ausbreitet
Aber mein Leidensdruck steigt. Die positive Zukunftsprognose teile ich nicht. Kein politischer Entscheidungsträger zeigt auch nur irgendwelche Anstalten, die tatsächlichen Probleme zu benennen und anzupacken. Ob nun in der Energiepolitik, der Zuwanderungspolitik, der EU-Politik oder der Rentenpolitik – alle Verantwortlichen lassen den Wagen weiter auf die Wand zurasen und beschleunigen dabei sogar noch, wohlwissend, dass sie mit den sozialisierten Kosten des Crashes besser leben können, als mit dem Ziehen der Notbremse und der Vertretung eines eigenen Standpunktes.
Viele Menschen denken, sie hätten etwas in die Rente eingezahlt, und ihnen stünde somit eine Auszahlung im Alter zu. Dass sie damit lediglich eine Wette eingehen, dass zu ihrem Renteneintrittsalter entweder genügend Erwerbspersonen zur Verfügung stehen, die ihre monatliche Rentenzahlung erwirtschaften, oder dass der Staat noch durch Schulden- und Steuerfinanzierung die demografische Lücke ausgleichen kann, scheint vielen nicht klar. Nur so lässt sich die völlig verschobene Angst meiner Generation – der Millenials – erklären. Die Bedrohung, von einem Sozialstaat, der sich wie eine Supernova in einer selbstvernichtenden Explosion überbordend ausbreitet, ist viel realer und wird die Lebenswirklichkeit eines jeden in kürzerer Zeit viel stärker betreffen als ein wie auch immer verursachter Wandel eines sich stetig wandelnden Klimas.
Dass die Ursache bei ersterem anthropogen ist, ist immerhin sicher. Target2 ist glücklicherweise so kompliziert, dass man weiterhin behaupten kann, es gebe keinen Transfermechanismus in der EU, und die Entwicklung in Italien wäre nur insofern Grund, sich ans Herz zu fassen, weil da mal wieder böse Rechtspopulisten gewählt worden seien. Die völlig populistische – ich wollte dieses Wort schon immer mal benutzen, ohne weiterhin zu wissen, was es bedeutet – Vereinfachung, dass grundsätzlich Zuwanderung die Folgen des demografischen Wandels aufheben kann, verschweigt die bisherigen Erfahrungen mit Zuwanderung und die tatsächlich benötigte Anzahl an qualifizierten Arbeitskräften – von der Konsequenz des Brain Drains der Herkunftsländer dieser Migration ganz zu schweigen. Zur Energiepolitik sage ich lieber mal gar nichts. Erstens, sind hier wesentlich qualifiziertere Autoren wortstark unterwegs, zweitens kann ich vor lauter Kopfschütteln gerade die Tastatur meines Laptops nicht mehr sehen.
Nein, die Rechnung geht für mich nicht mehr auf. Jeder Cent, der mir vom Staat weggenommen wird, fehlt in meiner individuellen Vorsorge. War das früher schon ein schlechter Deal, ist er es heute noch vielmehr. Wenn ich Altmaier bei Sandra Illner, Maybrit Will oder Anne Maischberger sehe, werde ich meist wütend, aber den Fernseher zertrümmere ich nicht. Anders als viele der ehemaligen Stammwähler der SPD brauche ich mir um meine individuelle Zukunft keine großen Sorgen zu machen. Ich bin gut ausgebildet und mobil, kann überall arbeiten. In 10 Jahren in diesem Land noch Steuern zahlen zu wollen, kann ich mir nur schwer vorstellen.
Wahrscheinlich wird kein Land der Erde meiner Vorstellung eines Minimalstaates gerecht, aber von einem Dieb, der sein Handwerk versteht, lasse ich mich dann doch lieber beklauen, als von einem Dilettanten. Diese Außenoption haben viele nicht. Und wer in eine Ecke gedrängt wird, greift leicht zu radikalen Maßnahmen. Diejenigen, die in belanglosen Reden gerne behaupten, unser freiheitlich liberales Land zu verteidigen, reißen sein Fundament sukzessive ein. Der Ruf derer, die in die Ecke gedrängt wurden, wird genauso wenig einer nach Freiheit und Eigenverantwortung sein wie der der staatlich alimentierten „Eliten“. Und diesen ganzen Wahnsinn finanziere ich zwangsweise. Steuern sind Diebstahl.