Peter Grimm / 17.12.2020 / 13:42 / 41 / Seite ausdrucken

Schwierigkeiten mit der „Leichten Sprache“

Die „Leichte Sprache“ hat sich ja, dank entsprechender Förderung inzwischen in viele Bereiche verbreitet. Es ist sicher löblich, Wege zu suchen, mit Menschen klar und eindeutig zu kommunizieren, die mit der Komplexität der normalerweise gesprochenen und geschriebenen deutsche Sprache überfordert sind. Zumal aus dieser gerade Klarheit und Eindeutigkeit mehr und mehr zu Gunsten einer sprachpolizeilichen Idee von politischer Korrektheit verdrängt werden.

Mit der „Leichten Sprache“ sollte jedenfalls die Beteiligung bislang sprachlich Überforderter gefördert werden. Nur gibt es noch kein von allen Nutzern „Leichter Sprache“ allgemein anerkanntes Regelwerk. Das zu erstellen ist in Deutschland natürlich eine wichtige politische Aufgabe, mit der sich diverse Gremien zu befassen haben. Und dabei sollten hierzulande auch die Menschen beteiligt werden, für die die „Leichte Sprache“ gedacht ist. Dummerweise diskutieren all die für „Leichte Sprache“ Verantwortlichen darüber nicht in selbiger, weshalb die, die auf „Leichte Sprache“ angewiesen sind, letztlich nicht mitreden können, auch wenn sie dürften, ja sogar sollten.

Aber hierzulande wird niemand zurückgelassen, dessen Anliegen einmal offiziell als förderungswürdig anerkannt wurde. Um also die Leichtsprecher an der Diskussion über ihre Sprache beteiligen zu können, braucht man Dolmetscher. Und die amtlichen Übersetzungen aus Leicht-Deutsch in Normal-Deutsch oder Amts-Deutsch oder Gender-Deutsch wurden natürlich ganz ordentlich geregelt, wie die Bundesregierung dieser Tage auf Anfrage der FDP-Fraktion mitgeteilt hat:

„Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales stellt dem Deutschen Institut für Normung e.V. (DIN) finanzielle Mittel in Höhe von bis zu 52.000 EUR für die barrierefreie Kommunikation im Rahmen der Erarbeitung von ‚Empfehlungen für deutsche Leichte Sprache nach dem DIN SPEC PAS Verfahrens‘ bereit. Diese Mittel können dazu genutzt werden, Gremiendokumente in Leichte Sprache zu übersetzen, Dolmetscherinnen und Dolmetscher für Leichte Sprache während der Gremiensitzung zu bezahlen oder auch eine öffentliche Veranstaltung zur Begleitung oder zum Abschluss des DIN SPEC PAS Verfahrens barrierefrei durchzuführen.“

Mehr Zeit für "Experten in eigener Sache"

Allerdings werden sich die Übersetzungsarbeiten etwas verzögern.

„Die zeitgerechte Bereitstellung ist wünschenswert, aber nach Auskunft von DIN derzeit nicht möglich, weil DIN auf die Ausschreibung der Leistungen nur ein einziges Angebot erhalten hat. Der Auftragnehmer wird nun im Rahmen seiner Kapazitäten die erforderlichen Dokumente in Leichte Sprache übersetzen.“

Und neben solchen eher traditionellen Problemen, kann man auch bei dieser kleinen Geschichte die Corona-Krise nicht ignorieren.

„Die aktuellen Umstände der Corona-Pandemie erschweren allerdings vor allem den Expertinnen und Experten, die auf Leichte Sprache angewiesen sind, die Mitarbeit.  Insbesondere stellen Online-Besprechungen für diese Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine große Herausforderung dar. Nach dem Start des Projektes musste der Prozess in Abstimmung mit DIN an die Corona-Bedingungen angepasst werden. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die eingebundenen Expertinnen und Experten in eigener Sache erheblich mehr Zeit für ihre fachliche Begleitung benötigen, als ursprünglich angenommen. Aus diesem Grund wurde auch die im Konsortialbeirat abgestimmte Frist für die interne Kommentierung der ersten Textzusammenstellung stark verlängert und das nächste Konsortialtreffen entsprechend verschoben. Die neue Terminierung ist abhängig von der Verfügbarkeit der ersten Entwurfsfassung in Leichter Sprache.“

Aber im nächsten Jahr geht’s dann mit entscheidenden Schritten weiter. Und ob nun schon nach einem offiziellen einheitlichen Regelwerk oder noch nicht – 2021 wird es hoffentlich auch wieder von allen Parteien Wahlwerbung in „Leichter Sprache“ geben. Die ist in ganz eigener Weise auch für jene Wähler erhellend, die nicht auf „Leichte Sprache“ angewiesen sind.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Rolf Mainz / 17.12.2020

Zivilisierte Länder verfügen über Einwanderungsgesetze, welche Mindeststandards in der Beherrschung der Landessprache setzen und jene vorab - noch im Auswanderungsland - objektiv prüfen und belegen lassen. Länder, welche glauben darauf verzichten zu können, bedürfen folglich “leichter Sprache” und sonstiger Krücken. Welche jener Länder mögen wohl über die besseren Zukunftsaussichten verfügen? Und welche dürfen auf die besseren Regierenden vertrauen?

Jana Hensel / 17.12.2020

‘Expertinnen und Experten, die auf Leichte Sprache angewiesen sind’ gesucht für Bundesprogramm zur Erarbeitung von ‚Empfehlungen für deutsche Leichte Sprache nach dem DIN SPEC PAS Verfahren’ “! Hurra jetzt werden schon Sonderschüler zu vom Staat bezahlten “Expertinnen und Experten” deklariert! Fürwahr das beste Deutschland aller Zeiten. Für mental zu sehr Herausgeforderte am Steuergeldtrog.

Gudrun Meyer / 17.12.2020

Welche z.B. Gender-Fachleut+innen, die auf dem 1., aber auch 2. Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sind, braucht man für die erforderlichen, noch zu bildenden Gremien und deren Expertisen? Und, in ganz leichter Sprache gefragt: Was kostet der Müll?

Heiko Stadler / 17.12.2020

Die Übersetzung in Leichte Sprache könnte für einige Politiker sehr peinlich werden. Würde man eine einstündige Ansprache der Bundeskanzlerin in Leichte Sprache übersetzen, so könnte das komplizierte Geschwurbel ein locker-leichtes einstündiges Schweigen zur Folge haben.

Frank Stricker / 17.12.2020

Ich schmeiß mich weg, aus “Leicht-Deutsch” wird “Normal-Deutsch” und als Königsdisziplin “Gender-Deutsch”, damit die Zurückgebliebenen nicht zurückbleiben. Das kann sich nur unser Universalgenie Familienministerin Giffey ausgedacht haben !

Uwe Schäfer / 17.12.2020

Ich arbeite in einer Branche, in der Texte erstellt werden. In Deutsch für Erwachsene, in Gebärdensprache transkribiert, auch für Sehbehinderte und für Kinder und natürlich in leichter oder einfacher Sprache, da gibt es nämlich auch noch feine Unterschiede. Das Elend der Kultur des besten Deutschlands aller Zeiten ist, dass selbst Museums- und Theaterbesucher, einen gebildeten Eindruck machend, auch im schon fortgeschrittenen Erwachsenenalter, immer häufiger und zuerst nach diesen Produkten greifen, die eigentlich für Menschen mit sprachlichen Problemen gedacht sind. Das zeigt eindeutig, wohin sich unser Land entwickelt. Von der Obrigkeit erwünschte Verdummung aller Orten. Ein guter Anzeiger der geistigen Entwicklung der letzten Jahre ist auch die Leute mit den früher üblichen Worten zu grüßen, also guten Morgen, guten Tag und guten Abend zu sagen. Die allermeisten, auch viele ältere Leute, schaffen es nicht mehr entsprechend zu antworten. Man bekommt nur noch das Beliebigkeit und Verdummung anzeigende “Hallo” in unterschiedlichsten Tonlagen, teilweise fast gesungen, zu hören. Einfach ätzend.

Volker Altenaehr / 17.12.2020

Wir sollten noch eine Institution ins Leben rufen, die sich mit schwerem Schwachsinn beschäftigt

Bernd Ackermann / 17.12.2020

“Die aktuellen Umstände der Corona-Pandemie erschweren allerdings ... [blablabla] .... der Verfügbarkeit der ersten Entwurfsfassung in Leichter Sprache.“ - Übersetzung in Leichte Sprache: “Das wird teuer, wir brauchen mehr Geld.”

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Peter Grimm / 02.05.2024 / 12:00 / 15

Rauchfreie Wahlhilfe vom Tabakkonzern

Rauchfrei Rauchen mit Tabak-Lobbyisten, die mit dem Aufruf zum „richtigen“ Wählen die Demokratie retten wollen. Wenn man in den letzten Jahrzehnten Medien konsumierte, so gab…/ mehr

Peter Grimm / 01.05.2024 / 06:00 / 52

Durchsicht: Grenzen der Ausgrenzung

Die AfD solle nicht mehr zum städtischen Gedenken an NS-Verbrechen eingeladen werden, forderten die Grünen im Leipziger Stadtrat, und sorgten für eine interessante Debatte. / mehr

Peter Grimm / 26.04.2024 / 12:00 / 37

Keine Kästner-Lesung für „Freie Wähler“

Zweimal wollten die Freien Wähler in Dresden eine Lesung aus Erich Kästners „Die Schule der Diktatoren“ veranstalten. Beide Male wurde sie untersagt. Eine bittere Realsatire.…/ mehr

Peter Grimm / 23.04.2024 / 06:05 / 94

Anleitung zum vorbeugenden Machtentzug

Was tun, wenn die AfD Wahlen gewinnt? Das Votum des Wählers akzeptieren? Oder vielleicht doch schnell noch mit ein paar Gesetzen dafür sorgen, dass sie…/ mehr

Peter Grimm / 12.04.2024 / 06:15 / 136

Kein Drama beim Höcke-Duell

Dass Thüringens CDU-Chef Mario Voigt mit seinem AfD-Pendant Björn Höcke in ein TV-Duell ging, sorgte für Aufsehen und Protest. Heraus kam eine ganz normale Fernsehsendung,…/ mehr

Peter Grimm / 11.04.2024 / 12:45 / 50

Die Rundfahrt eines Polizeibekannten

Der Irrwitz deutscher Asylpolitik zeigt sich zuweilen auch in absurden Geschichten aus dem Polizeibericht. Bei zu vielen Asylbewerbern drückt sich das Verhältnis zur Gesellschaft im…/ mehr

Peter Grimm / 09.04.2024 / 06:15 / 140

Droht eine Landesregierungs-Entmachtung nach AfD-Sieg?

Fünf Jahre nach dem „Rückgängigmachen“ einer Ministerpräsidentenwahl überlegen Juristen jetzt, wie man missliebige Landesregierungen mittels „Bundeszwang“ entmachten und zeitweise durch einen Staatskommissar ersetzen könnte. Sie…/ mehr

Peter Grimm / 03.04.2024 / 13:00 / 33

Wer darf Feindsender verbieten?

Wenn Israel das Gleiche tut wie EU und deutsche Bundesregierung zwei Jahre zuvor, dann ist selbige Bundesregierung plötzlich besorgt. Bei Doppelstandards ist Deutschland immer noch…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com