Roger Letsch / 07.08.2023 / 12:00 / Foto: Pixabay / 31 / Seite ausdrucken

Schülernebenjobs nur für Reiche?

Nehmen die Reichen jetzt auch noch unseren Kindern die Nebenjobs von Schülern weg? Wer die Tagesschau anschaut, könnte das fast glauben.

„Diese Reichen! Jetzt nehmen die unseren Kindern auch noch die Arbeit weg!" So oder so ähnlich könnte es lauten, das Fazit eines Artikels auf Tagesschau.de, in dem eine Studie des IW (Institut der deutschen Wirtschaft) behandelt wird, in der es um Nebenjobs von Schülern geht. Oder sollte man statt „behandelt“ besser sagen: geframed? Schon der Titel setzt den Kurs: „Vor allem Kinder reicher Eltern jobben nebenbei“. Das Teaserbild zum Artikel gibt die Richtung vor, in die wir denken sollen, wenn es darum geht, was für Arbeit Jugendliche leisten, um ihr Taschengeld aufzubessern: Zeitungen austragen. Selbst für sowas braucht man heute also „Vitamin B“? Wie schrecklich! Im Tagesschau-Text heißt es: „In Deutschland haben Jugendliche aus wohlhabenderen Familien öfter einen Nebenjob als Heranwachsende aus ärmeren Haushalten. Denn laut IW-Studie spielen Kontakte der Eltern eine entscheidende Rolle.“ Der durchschnittliche Leser bricht hier ab, seine Vorurteile sind hinreichend bestätigt.

Der Artikel nährt den Vorwurf, es seien vor allem die sinistren Netzwerke der Eltern, die dafür sorgen, dass die Kinder ihr Taschengeld aufbessern könnten. Und ein Teil der Differenz lässt sich so tatsächlich erklären. So findet sich in der Studie auch eine Liste der typischen Tätigkeiten, und wohl jeder denkt dabei zuerst an solche Dinge wie Zeitungen austragen. Doch schon bei Hilfe „in privaten und landwirtschaftlichen Haushalten“ unterscheiden sich die Möglichkeiten. In einem Haushalt, der von Bürgergeld bzw. Hartz-4 abhängig ist, wird der Nachwuchs meist nicht für Tätigkeiten im Haushalt oder das Babysitten bezahlt, übt sie aber dennoch aus.

Hartz-4 bzw. Bürgergeldbezieher haben auch keine landwirtschaftlichen oder Handwerksbetriebe, in denen sich immer Arbeit findet. Auch sind Nebenjobs in „Kirchen, Religionsgemeinschaften, Verbänden, Vereinen und Parteien“ eher denen zugänglich, die über die entsprechenden Netzwerke und damit über den entscheidenden Informationsvorsprung verfügen. Nichts an alledem ist durch staatliche Maßnahmen zu verändern. Die Studie zeigt vielmehr, wie entscheidend wirtschaftlich unabhängige Familie selbst für solche Dinge wie Nebenjobs und generell für einen gelungenen Start der Jugend ins Leben ist. Eine Binse! Man könnte auch lapidar feststellen, dass Vermögen vor Armut schützt. Nein! Doch! Oh!

Und noch ein Zusammenhang wird deutlich. Während im obersten Sechstel der Familieneinkommen nur 35,5 Prozent der Jugendlichen überhaupt keinen Nebenjob haben, sind es im untersten Sechstel mit 64,2 Prozent beinahe doppelt so viele. Kann das vielleicht mit der Berechnungsgrundlage für Hartz-4-Haushaltseinkommen zusammenhängen? Die Frage ist doch, wie viel bleibt dem Nebenjobber tatsächlich vom verdienten Geld, und wie steht es deshalb um die Motivation, einen solchen Job anzustreben? Der Autor der Studie sieht diesen Konnex auch und biegt dann doch falsch ab: „So werden die Einnahmen von Schülerinnen und Schülern aus Ferien- und Nebenjobs während der Schulzeit unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze beim Bürgergeld seit dem 1. Juli 2023 bis zu einem Alter von 25 Jahren überhaupt nicht mehr auf den Transferanspruch angerechnet (§§ 11a Abs. 7, 11b Abs. 2b SGB II). Zuvor galten hier bereits hohe Freigrenzen.“

Die „hohe Freiheitsgrenze“ lag für Kinder in Hartz-4-Haushalten bei 2.400 Euro pro Jahr, also 200 Euro pro Monat, was für Jobs mit mehr als 200 Euro monatlich direkt ins Motivationskontor und damit in die Statistik schlägt. Die Geringfügigkeitsgrenze liegt seit dem 1. Juli 2023 übrigens bei 520 Euro für im Haushalt lebende Kinder. Dumm nur, dass die Datenbasis der Studie nur bis 2020 reicht, die veränderten Verhältnisse also gar nicht mehr abbilden kann, selbst wenn sie darauf verweist. Wie sich der Nachfolger von Hartz-4, also das „Bürgergeld“ auf den Arbeitsmarkt, die Sozialversicherungen und die Motivation von Jugendlichen auswirken wird, muss einer Studie vorbehalten bleiben, die vielleicht in zehn Jahren verfasst werden kann. Ob die Tagesschau dann noch da sein wird, um sie so zu framen, dass sie ins Narrativ des Reichen-Bashings passt, ist eine andere spannende Frage.

 

Roger Letsch ist aufgewachsen in Sachsen-Anhalt, als dieses noch in der DDR lag und nicht so hieß. Lebt in der Nähe von und arbeitet in Hannover als Webdesigner, Fotograf und Texter. Sortiert seine Gedanken in der Öffentlichkeit auf seinem Blog unbesorgt.de

 

Foto: Pixabay

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Leserpost

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S. Andersson / 07.08.2023

Es ist ein RIESEN Bonus Sommer Loch entstanden. Wann lese ich hier endlich mal das die gesamten Alt Polit Genossen von den Aliens entführt worden sind?

Wilfried Düring / 07.08.2023

Ja diese Reichen. Zum Beispiel Anna-Lena Charlotte Alma Baerbock-Holefleisch. Lt. dem gleichnamigen Bolschwiken-Lexikon Bolschewiki-Pedia ‘schrieb sie in ihrem letzten Schuljahr für das Schülerprojekt ZiSH (Zeitung in der Schule) der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung’. Ob diese Karriere-Chance für Priviligierte ohne die Kontakte ihres wohlhabenden/reichen Vaters möglich gewesen wäre? Ohne diese Zeit als gesponserte Wandzeitungs-Redakteurin hätte sie zum Beispiel niemals in ihrem Lebenslauf hineinschwindeln können, sie habe ‘neben ihrem Studium als JOURNALISTIN für die ‘Hannoversche Allgemeine Zeitung’ gearbeitet. (so nachzulesen ind er Berliner MorgenPost vom 09.06.2023). Der Nachwuchs von allein erziehenden Hartzer-Innen hat solche Chanchen einfach nicht. Das ist alles so ungerecht! Merke: Nur REICHE studieren in London (und haben dann schon nach 12 Monaten einen Abschluß). Der gewöhnliche Wahlpöbel muß dafür 4 oder 5 Jahre strampeln!

Carlo Mayer / 07.08.2023

Ich habe ja schon immer dafür plädiert, dass die Redakteure bei den Öffis endlich mal anständig ausgestattet werden sollten, damit sie sich ihre Neidkampagnen sparen können.  Dazu gehört mindestens eine eigene Privatyacht, ergänzt durch ständige Business-Flüge. Denn insbesondere Berichte über Reiche, die einen Kahn besitzen, triefen immer nur so von undifferenziertem Journalisten-Hass, man bekommt förmlich den Eindruck, Yachten seien Massenware im ultrareichen Flaschensammler-Deutschland. Nur weigere sich der fiese Lürssen,  Journalisten 100 Prozent Rabatt auf das neueste Modell zu gewähren. Auch schimpfte kürzlich ein ARD-Redakteur in den Tagesthemen über die Reichen, “die Business fliegen und dabei besonders viel CO2 ausstoßen”.  Klar, in der etwas weiter dahinter liegenden Holzklasse fliegt man nur mit Luft, der Treibstoff wird ja weiter vorne verbraucht. Im vorliegenden Fall nehme ich mal an, dass die Journalisten-Gören keinen adäquaten Ferienjob bekommen haben und Papa oder Mama damit gleich ein mit Sozialneid aufgeladenes Sommerlochthema hatten.

Angela Hoppe / 07.08.2023

für H-4, bzw. Bürgergeldbezieher ist es aber auch schwer nachzuvollziehen, dass das Geld nicht aus dem Automaten sondern durch eigener Hände Arbeit fließt. Wie brachte einst eine meiner Nichten meine Schwester Schwester zum Weinen, die übrigens immer hart gearbeitet hat und damals noch an das Sozialamt zahlen musste, was ihre Tochter von dort erhielt, als sie ihr einen Job anbot: Mama, für 100 Mark mehr, stehe ich doch nicht wie du um 4 Uhr auf.

Rolf Mainz / 07.08.2023

Italien (und andere Länder ebenfalls) werden schon wissen, warum sie das bedingungslose Grundeinkommen (“Bürgergeld”) wieder abgeschafft haben oder nach erfolglosen Tests gar nicht erst einführten. Auch diesbezüglich hätte Deutschland einmal über den eigenen Tellerrand schauen können und womöglich dazu lernen können. Aber nein, Deutschland weiss es wieder besser, wie stets. Und der “Erfolg” wird ebenfalls wie stets sein, wenn jemand das Perpetuum Mobile erfinden will. Inzwischen ist es regelrecht zum schämen, Deutscher zu sein.

Dirk Kern / 07.08.2023

Reiche und im Regelfall auch gebildete Eltern führen ihre Kinder schon früh an das Erwerbs- und Arbeitsleben heran. So werden sie später in ihrem eigenen Leben gebildeter und erfolgreicher. Es gibt allerdings auch finanziell nicht gut gestellte Elternhäuser oder Alleinerziehende, die diesen für ihre Kinder wichtigen Mechanismus verstanden. Leider erleben aber auch viele andere Kinder den Staat als für ihre Familien auch finanziell existenzsichernd. Das ist schädlich.

Uwe Borchert / 07.08.2023

Für Kinder in Haushalten mit Bürgergeld ist der geringe Zuverdienst auch noch mit Scherereien und bürokratischen Aufwand verbunden. Hartz-IV und sein Nachfolger Bürgergeld sind für die Betroffenen Schikane, der man kaum entkommen kann. Die Betroffenen sind arm, weil sie arbeitslos sind und arbeitslos weil sie arm sind. Und eine arbeitsmarktverwerbare Bildung ist für diese Kreise in weiter Ferne. Aber sehen wir auch die Vorteile? So verringert sich das Gedrängel in der bedrückenden und handgewrungenen Fachkräftemangel. Diese ist seit vielen Jahren schon total überlaufen und das wird durch Kosmetik an den offiziellen Arbeitsmarktdaten seit vielen Jahrzehnten nachhaltig verdeckt. Der verheimlichte Zusammenbruch des Arbeitsmarkt und die asoziale Sozialpolitik zeigen immer mehr Wirkung, welche aber immer noch zu oft übersehen wird. Wir haben keinen Fachkräftemangel sondern seit Jahrzehnten Massenarbeitslosigkeit ... und eine Fachkräftemangel aus der viele Fachkräfte geplättet, sozusagen als Flachkraft, raus kommen.

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