„Die Frauen kommen“, titeln seit Jahren die Kunstmagazine Europas. Doch in Wahrheit ist der Kunstbetrieb immer noch ein ziemlicher Kerle-Club. Klassikerinnen des 20. Jahrhundert wie Frida Kahlo oder Georgia O’Keeffe blieben Solitäre. Erst in den 70er und 80er Jahren tauchten einige Artistinnen auf großer Bühne auf wie die französische Bildhauerin Niki de Saint Phalle oder die deutsche Konzeptkünstlerin Hanne Darboven auf. Die amerikanische Medienkünstlerin Jenny Holzer und die deutsche Bildhauerinnen Rebecca Horn und Isa Genzken kamen hinzu. Rosemarie Trockel (Konzept), Louise Bourgeois (Skulptur) und Cindy Sherman (Foto) schafften es schließlich zu Weltrang. Doch die Malerei bliebt seltsam unweiblich.
Erst jetzt drängen neue, insbesondere deutschsprachige Frauen mit ihren Leinwandarbeiten voran. Cornelia Schleime, Elvira Bach, Katherina Grosse, Xenia Hauser setzen Zeichen. Und neue tauchen auf – wie Suse Kohler, über die der Münchner Merkur schreibt, sie sei eine Meisterin der „abstrakten Leichtigkeit“.
Das stimmt nicht wirklich. Denn eigentlich ist sie eine Meisterin der konkreten Leichtigkeit.
Suse Kohler schaut ihren Protagonisten mitten ins Gesicht. Sie malt das Eigentliche, nicht das Mögliche, sie zeigt die Evidenz und nicht die Latenz. Ihre Bilder suchen etwas, was moderne Malerei selten findet und noch seltener überhaupt finden will – die Integrität einer Person.
Es hat etwas Entwaffnendes, wenn Künstler sich und ihre Topoi nicht hinter Abstraktionen, Verfremdungen und Dekonstruktionen verstecken. Wenn nicht grimassiert und entstellt und übermalt und be-deutet wird, sondern man das Sichtbare in einem geistigen Direktzugriff schlichtweg respektiert. Sie tut das mit gemalten Facetten der Karikaturzeichnung, und vermeidet doch genau die Karikatur.
Widersprüchliche Pfade der Ironie
Dieser Eigentlichkeits-Realismus hat im Zeitalter der Überall-Fotografie und der Massen-Selfies eine besondere Autorität, weil er sich so nah an die Wirklichkeit heranpirscht, dass er in ihr selbst eine neue, künstlerische Wirklichkeit schafft. Wer diesen Grat beschreitet, der riskiert in Copykunst oder neo-realistischem Kitsch abzustürzen.
Umso verblüffender sind daher die Bilder von Suse Kohler, die das Schöne nicht meiden, das Gute nicht verunmöglichen, das Wahre aber abbilden. Das ist insbesondere für eine Schülerin von Markus Lüpertz erstaunlich, der mit seiner Kunst genau den anderen Weg geht. Wo Lüpertz das Entstellende wählt, entscheidet sich Kohler für das Gefügte, wo der Malerfürst das Deformierte zeigt, sucht Kohler das Formierte. Wo Lüpertz eine grelle Farbwelt entfaltet, bescheidet sich Kohler mit extrem reduzierter Farbigkeit, ja fast einem Schwarz-Weiß-Spiel in Reminiszenz alter Fotografie, Radierungen und Kohlezeichnungen.
Wo Lüpertz grundsätzlich das Unernste im Ernsten decodiert, da entdeckt Kohler just umgekehrt das Ernste im Unernsten.
Uns so spaziert diese Künstlerin gerade nicht durch die widersprüchlichen Pfade der Ironie, sie betreibt keine Rache am Banalen, sie findet vielmehr im Banalen die Rache am Manierierten.
Und so sind auch ihre Motive keine Grenzgängereien. Sie wählt sich nicht nur ihre Formate groß, auch ihre großen Köpfe kommen aus der Mitte großer gesellschaftlichen Aufmerksamkeit. Sie malt Politiker, Dichter, Prominente. Und sie schaut ihnen so tief in die Augen, dass sie hernach genauso zurück blicken.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European hier.