Wolfram Weimer / 13.12.2019 / 06:23 / Foto: Pixabay / 33 / Seite ausdrucken

Batterien aus Deutschland? Potzblitz, und es geht doch!

Monatelang war es bloß ein Gerücht: Angeblich verbaut der Technologiekonzern Apple in seinen Kopfhörern “AirPods” deutsche Batterien. In Asien lachte man darüber – die Deutschen habe man im Batteriegeschäft doch völlig erledigt. Stephan Klepp lachte nicht, er wollte es einfach wissen. Der Aktienanalyst der Commerzbank in London marschierte in einen Applestore, kaufte sich ein Paar der Kopfhörer und sägte sie kurzerhand auf. Was er entdeckte, fotografierte und verbreitete, sorgte nicht nur an den Aktienbörsen für Erstaunen. Denn im aufgesägten Ohrstöpsel steckt tatsächlich eine Lithium-Ionen-Mikrobatterie aus Deutschland. Genauer: aus dem schwäbischen Ellwangen, Marke Varta.

Seit den ersten Gerüchten um Varta und Apple steigen die Aktien des schwäbischen Traditionsunternehmern nicht nur, sie schnellen empor. Vor Jahresfrist kostete eine Varta-Aktie keine 30 Euro, heute muss man mehr als 100 Euro dafür bezahlen. Damit ist Varta im Jahr 2019 Deutschlands heißeste Technologieaktie geworden und zugleich einer der erfolgreichsten Börsengänge der letzten Dekade.

Ausgerechnet Varta. Denn das Unternehmen hatte als AFA Accumulatoren-Fabrik AG eine düstere Nazivergangenheit und schrammte noch vor wenigen Jahren gleich mehrfach am Ruin vorbei. Zerschlagen, verkauft, von der Deutschen Bank mit spitzen Fingern weitergereicht, ein klassischer Sanierungsfall der alten Industrie. Gegen die Konkurrenz aus Asien wirkten die Deutschen chancenlos. Varta kannte hierzulande zwar jedes Kind von seinen Spielzeugbatterien, jeder Autofahrer aus seinem Motorraum. Varta-Batterien waren bei den ersten Nordpolexpeditionen dabei, haben die ersten U-Boote der Welt angetrieben und waren auf dem Mond. Doch in den Neunzigern brach das Autobatteriegeschäft ein, Deutschlands Produktion war zu teuer geworden für den nächsten Innovationszyklus.

Unternehmenstrümmer für nur 30 Millionen Euro

Kurzum: Varta-Batterien schienen out wie deutsche Telefonzellen. Der schillernde Immobilien-Spekulant Michael Tojner aus Österreich kaufte 2007 die Mehrheit der Unternehmenstrümmer für nurmehr 30 Millionen Euro auf. Heute ist das Unternehmen mehr als vier Milliarden wert.

Denn in Ellwangen besann sich der Überlebensrest des einstigen Batterie-Imperiums auf beste schwäbische Tüftlertugenden und suchte fleißig einen neuen technologischen Vorsprung. Bei wiederaufladbaren Mikrobatterien wurden sie fündig. Neuartige Kleinstbatterien mit ungewöhnlich hoher Energiedichte brachten den Durchbruch. Dazu haben die Schwaben gleich eine hochautomatisierte Produktionsstraße gebaut – Lohnkosten spielen kaum mehr eine Rolle und so wird alles wieder in Deutschland gefertigt. Nagelneue Roboter wickeln nun bis zu drei Meter Batteriefolien in winzige Gehäuse, bevor medizinische Injektionsnadeln Batterieflüssigkeit hinzufügen.

Das global boomende Mikrobatteriegeschäft macht Varta plötzlich zum neuen Weltmarktführer. Denn nicht nur Apple verbaut die Wunderbatterien aus Schwaben, alle großen Kopfhörer-Hersteller aus Asien bestellen jetzt die deutschen Zellen, Hörgeräteproduzenten auch. Die Fertigung muss dramatisch ausgebaut werden. Anfang Juni wurde verkündet, man werde die Jahresproduktion auf mehr als 100 Millionen Zellen steigern müssen. Nun planen sie bereits mit über 150 Millionen Zellen jährlich bis 2022.

“Wir haben uns als Technologie- und Innovationsführer einzigartige Wettbewerbsvorteile erarbeitet und wachsen daher deutlich schneller als der Markt”, frohlockt der Varta-CEO Herbert Schein. Schein ist das glatte Gegenteil des Silicon-Valley-Elon-Musk-Managers. Er ist ein bodenständiger Elektroingenieur und schon seit 1991 bei der immergleichen Firma. Mit Varta hat er jede Menge Tiefen tapfer durchlitten und einfach weiter geforscht und geschafft.

Die neue „CoinPower“

Heute übertrifft die Leistungsfähigkeit und Energiedichte seiner Varta-Zellen die der Konkurrenz aus China und Korea um bis zu 30 Prozent, sagt Schein voller Stolz. Ganz neue Anwendungen in der Medizin werden möglich, Insulinpumpen, tragbare Injektoren und Glukose-Monitoringsysteme, aber auch das “Smart Baby Monitoring”. Ein “smart band” am Fuß des Babys überträgt dessen Herzschlagfrequenz, Hauttemperatur und Bewegungen auf das Handy der Eltern, die dadurch immer wissen, wie es ihrem Neugeborenen geht. Und auch den Markt für “Wearables” können die Schwaben nun erobern: Smart Watches und elektronische Armbänder, die den Blutdruck und die Herzfrequenz bei sportlicher Betätigung messen. “Das Wachstum ist explosiv”, melden Branchenexperten verblüfft.

Schon in diesem Jahr wird ein Umsatz von 330 bis 340 Millionen Euro erwartet. Der Vorsteuergewinn dürfte bei 84 und 88 Millionen Euro landen. Selbstbewusst verkünden die jahrelang geprügelten Schwaben: “Die Gesellschaft strebt in 2020 eine weltweit marktführende Position mit Lithium-Ionen-Zellen mit einem Marktanteil von mehr als 50 Prozent an.”

Der Erfolg mit Kleinstbatterien ist zugleich eine späte Erfüllung des Markennamens. Der war nämlich ursprünglich erfunden worden, um tragbare Auto-Akkumulatoren zu vermarkten. Er setzt sich aus den Anfangsbuchstaben von Vertrieb, Aufladung, Reparatur Transportabler Akkumulatoren zusammen. “Transportabel” war damals eine Sensation. Heute ist Varta diese Traditionslinie der Miniaturisierung konsequent weiter gegangen. Als eigenes Adventsgeschenk präsentiert man der Öffentlichkeit eine neue Generation von münzartigen Minibatterien mit der weltweit höchsten Energiedichte. Die neue “CoinPower” erreicht unter den 4 Millimeter flachen Zellen (Durchmesser 12,1 Millimeter) eine Energiedichte von 346 Wattstunden pro Liter. Die Asiaten lachen nicht mehr.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Egon Schieler / 13.12.2019

“Die Gesellschaft strebt in 2020 eine weltweit marktführende Position mit Lithium-Ionen-Zellen mit einem Marktanteil von mehr als 50 Prozent an.” Heiligs Blechle aberau….

R.Krug / 13.12.2019

Na also, geht doch.

Timm Koppentrath / 13.12.2019

Am Anfang hatte ich mich noch gewundert, am Ende nicht mehr - Erschien zuerst in “The European”. Kommen sich die Pauschalverächter elektrischer Energie, wenn es um Fortbewegung ohne viel Krach und Rauch geht, langsam ignorant vor? Nein, wahrscheinlich nicht, man kann still und leise sein Fähnchen nach dem Wind aushängen und so tun, als ob man schon immer dabei und nicht zu den Autoren und Lesern gehörte, die jeden Satz anfangen mit: Das Problem ist…

Winden Robert / 13.12.2019

mal überlegen ... Ich weiss nicht wie es Ihnen geht oder gegangen ist, wenn Sie gestehen müssen - die Batterie ist alle- ein Schelm… Hemschwellen einer Bon-out-Gesellschaft [Tenor-Ausgebucht] in Zentraleuropa, denn nur so kann man den Klima-Notstand einiger Abstimmungsberechtigter bei Notfallpläne zustimmender mit kleinen Tütschen nur erklären und wissend der grösseren Sallers der Zukunftbewätigung solidarisch einfangen. Dennoch kommt es der Realwelt eigentlich schon ziemlich nahe, das einige Chillend fordern und die anderen sich mit Backup und Powerpack durch die Erwerbswelt hangeln müssen und teuer und zeitaufwendig beschaffen müssen dann aber wiederum politisch konterkariert durch Angestellung und Auszug der neueren Gesetzgebung. Wer das jetzt nicht versteht ... einerlei…  weil sich hiermit nicht die Welt der anderen erschliessen läst. Deutlicher und persönlich Näher wird dies, wenn Sie aus Verantwortung handeln müssen und sollen und Ihnen einerlei ob Familie, Mitarbeiter oder Ihrem Brötchengeber oder Ihre Nachbarn und Menschen an denen ‘Ihnen etwas liegt’ sugsessiv Nachteile oder Unsicherheiten ans Bein gebunden, die den Geiz-ist-Geil-Parteien noch nicht einmal am Horizont aufgeleuchtet sind, geschweige Anlass einer Wahrnehmung geboten haben. So die Novellierung der Be-und Entsorger, Verkehrsinfraastruktur, des Gesundheitswesen, der berufliche- und gesellschaftlichen Bildung, der Nachwuchsförderung und der Auffasung alles bedürfe nur der künstlerischen Erklärung auf dem nivaue einer Versammlung dies einmal zu postulieren und schon würden dies alle Mitmachen… Ein Teil hat gerade nicht zugehört, wieder anderen absolut die Worte gehört aber den Sinn nicht verstanden und wiederum andere gerade den Aufnahme Horizont überschritten und an Frühstüch oder zu erwarteten Mittagsessen die innere Kommunikation berät. Kann es sein das unsere Domokratie im höchsten Masse von Mitgliedern soizitgefährdeter-Parteien als absurdum verstanden und regiert werden will?

Th. Wagner / 13.12.2019

@ J. Schuster: man muss nicht spionieren, es reicht ein Liezens zur Fertigung. Schon hat man das Geheimnis. Die Frage ist, was einfacher ist. Am einfachsten ist hochmütige Prahlerei. Aber das schließe ich in dem Fall aus. Zumal der Mitentwickler wohl die Firma führt. Eine andere Sache ist die sich einfach einzukaufen und eine feindliche Übernahme zu machen. Die Roboter aus Augsburg lassen grüßen ...

Johannes Schuster / 13.12.2019

Die Asiaten lachen wieder, wenn ein deutscher Trottel die chemische Rezeptur in Prahlerei wieder ausplaudert. Bei solchen “Errungenschaften” würde ich noch nicht einmal deren Existenz zugeben und es mit Untertreibung versuchen. Wenn ein Prokurist jetzt nicht aufpasst, geht hinter den Kulissen schon der Angriff los, wie man sich gleich das ganze Unternehmen einverleiben kann. Ohne einen gescheiten Wirtschaftsgeheimdienst ist man in solchen Fällen recht “weidwund”. Und für eine gescheite Spionageabwehr sind- sorry - die Deutschen einfach zu dumm - da war die Stasi einfach besser. Wenn die Akkus so gut sind, dann sind sie etwas größer noch besser und man kann die Firma bewachen wie Fort Knox bei den Marktaussichten. Mal sehen wie das ausgeht…..

Hubert Bauer / 13.12.2019

@ Martin Wehlan: An Ihrer Theorie mag was dran sein. Joseph von Fraunhofer stammte aus sehr einfachen Verhältnissen und hatte eine denkbar schlechte Schulbildung. Gleichwohl sind seine Entdeckungen auf dem Gebiet der Optik bis heute der Stand der Technik. Aber Joseph von Fraunhofer war wohl ein sehr guter Autodikat. Das ist nicht unbedingt jedem klugen Kopf in diesem Umfang gegeben. Und es gibt Fälle, da hat einem die Schule sogar das Lernen ausgetrieben.

Alex Müller / 13.12.2019

Wenn ich die Börse anschaue, gerate ich auch in Erstaunen. Ein KGV von 100, einen Bewertung mit dem 20-fachen des Umsatzes bei einem Produkt, das beliebig austauschbar ist, sobald die Konkurrenz aufschließt. Da erscheint mir der Artikel doch etwas zu optimistisch und durchschnittliche Silicon-Valley-Firmen geradezu bodenständig solide. Sein Geld legt man daher besser in Originalen an. Die meisten haben nämlich Produkte, das nicht so ohne weiteres und vom Kunden völlig unbemerkt von der Konkurrenz ersetzt werden können.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Wolfram Weimer / 26.06.2020 / 06:00 / 80

Corona als Kanzlermacher

In der CDU knistert es. Die Kanzlerkandidatur-Frage legt sich wie eine Krimispannung über die Partei. Im Dreikampf und die Merkelnachfolge zwischen Markus Söder, Armin Laschet…/ mehr

Wolfram Weimer / 12.06.2020 / 10:00 / 47

Nichts ist unmöglich: AKK als Bundespräsidentin?

„Das ist die größte Wunderheilung seit Lazarus“, frohlocken CDU-Bundestagsabgeordnete über das Comeback ihrer Partei. Die Union wankte zu Jahresbeginn dem Abgrund entgegen, immer tiefer sackten…/ mehr

Wolfram Weimer / 21.05.2020 / 12:00 / 23

Warren Buffet traut dem Braten nicht

Warren Buffetts Barreserven liegen jetzt bei sagenhaften 137 Milliarden Dollar. Das ist so viel wie das Bruttosozialprodukt der 50 ärmsten Staaten der Welt zusammengenommen –…/ mehr

Wolfram Weimer / 23.04.2020 / 06:10 / 183

Robert Habeck: Die grüne Sonne geht unter

Am 7. März erreichten die Grünen im RTL/n-tv-Trendbarometer noch Zustimmungswerte von 24 Prozent. Monatelang waren sie konstant die zweitstärkste Partei in Deutschland, satte 8 Prozentpunkte betrug der…/ mehr

Wolfram Weimer / 27.02.2020 / 06:11 / 135

Die CDU braucht einen Notarzt

Friedrich Merz tritt an – und er hat vier Trümpfe in der Hand. Erstens führt er die Umfragen nicht nur an. Er liegt seit Monaten…/ mehr

Wolfram Weimer / 22.02.2020 / 06:18 / 19

SPD-Comeback in Hamburg?

Lange hatten die Grünen gehofft. Doch nun zeigen die Umfragen: Die Hamburg-Wahl wird die SPD wohl gewinnen. Es bahnt sich sogar ein bundesweiter Stimmungsumschwung im…/ mehr

Wolfram Weimer / 14.02.2020 / 06:14 / 106

Die CDU sucht den Merkel

„Angela Merkel will Armin Laschet. Die CDU-Basis will Friedrich Merz.“ So fasst ein CDU-Spitzenpolitiker aus der Bundestagsfraktion die K-Debatte in der Union zusammen. Mit dem…/ mehr

Wolfram Weimer / 05.12.2019 / 12:00 / 69

Kevin, der Defibrillator der Macht

Den größten Verlierer im SPD-Umbruch kennt jeder: Olaf Scholz. Seine Macht ist brutal pulverisiert, seine Autorität wird bereits von Mitleid getragen, seine Karriere wirkt schlagartig…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com