Wolfram Weimer / 27.07.2013 / 08:41 / 5 / Seite ausdrucken

Schafft den Soli endlich ab

Die Solidaritätszuschlag wird zum Wahlkampfthema. Die einen wollen ihn 2019 beenden, die anderen auf ewig behalten. In Wahrheit gehört er sofort abgeschafft.

Für normale Menschen gelten die zehn Gebote. Für deutsche Steuerzahler aber gibt es ein elftes: Du sollst Soli zahlen! Und wenn wir nicht aufpassen, dann gilt das elfte Gebot so lange wie die anderen zehn auch – nämlich auf ewig. Helmut Kohl versprach der deutschen Nation dereinst: „Der Soli ist bis Ende 1999 weg.“ Es gibt ihn aber immer noch immer. Und nun bereitet die Berliner Politik eine Ewigkeitsverlängerung über das Jahr 2019 hinaus vor. Da nämlich läuft der Solidarpakt II aus, und jeder vernünftige Bürger würde erwarten, dass 30 Jahre nach dem Mauerfall dann der “Aufbau Ost” keine Sonderabgabe mehr braucht, der Soli also endlich abgeschafft wird - mit 20 Jahren Verspätung zu Kohls Versprechen.

Doch die Geschichte des Soli ist voller leerer Versprechungen. Schon in den neunziger Jahren gab es darum einen Witz: “Was haben Kommunisten und Theo Waigel gemeinsam? Die Kommunisten versprechen das Paradies auf Erden, Waigel einen baldigen Abbau des Solidaritäsbeitrages.” Nun war der Soli eine freundliche Idee, den Aufbau Ostdeutschlands durch eine Gemeinschaftshilfe zu fördern. Doch gerade der Solidaritätsgedanke würde verraten, wenn man aus eine akuten Nothilfe eine Dauerenteignung machte. Wie schüfe man für die nächste Nothilfe dann Akzeptanz? Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums sind mittlerweile aus der “einmaligen Aktion” über die vielen Jahre 224,5 Milliarden Euro zusammengekommen. In diesem Jahr werden es voraussichtlich 14 Milliarden Euro sein, nächstes Jahr 14,6, Milliarden, im Jahr darauf 15,3 Milliarden Euro. Die Einnahmen aus dem Soli steigen immer weiter. Kurzum: Er ist ein Riesengeschäft für den Staat, an den Aufbau Ost aber denkt keiner mehr. Faktisch ist er mittlerweile eine normale Steuer, die in den allgemeinen Bundeshaushalt fließt.

Nun ist Wahlkampf immer organisiertes Versprechen, und es werden viel mehr Steuern versenkt als gesenkt. Doch die Zusage der Politik war ein Versprechen an die Nation. Dieses einfach zu brechen, wäre eine Ohrfeige für die Integrität der Republik. Man kann es lateinisch sehen (Pacta sunt servanda) oder mit Shakespeare halten (Ein gegebenes Versprechen ist eine unbezahlte Schuld) oder man kann es altdeutsch betrachten (Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen) - die Zusage des Staates, dass eine vorübergehende Nothilfe vorübergehend ist, war wie ein politischer Vertrag und muss eingehalten werden. Denn wer sollte sonst dem Staat noch vertrauen? Und wie kann der Staat von seinen Bürgern Steuertreue verlangen, wenn er selbst Vertragstreue in Steuerfragen bricht?

Zyniker werden einwenden, dass Politiker halt gerne Berge versprechen und doch bloß Maulwurfshügel halten. Doch der Etikettenschwindel beim Soli führt direkt hinein in Glaubwürdigkeit von Politik. Das Finanzgericht Niedersachsen hat sogar seine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Soli zum Ausdruck gebracht und bald dürfte die Angelegenheit auch Karlsruhe beschäftigen. Denn die Einführung war damit begründet worden, dass eine “Ergänzungsabgabe” nur der Deckung “vorübergehender Bedarfsspitzen” dienen könne. Ein langfristiger Bedarf dürfe dagegen nur aus allgemeinen Steuermitteln gedeckt werden.

Nun flirtet die Politik mit der Idee, den Soli zu allerlei Generalaufgaben umzuwidmen; sie werden neue Etiketten finden wie “Struktur-Hilfli”, “Straßenbauli” oder “Euro-Retterli” oder “Energiewendenfinanziererli”. Und sie werden verschweigen, dass auch ohne den Soli genug Geld da ist. Die Steuereinanhmen des Staates sprudeln wie noch nie in der Geschichte der Republik. Im ersten Halbjahr flossen rund 277 Milliarden Euro in die Kassen und damit 3,5 Prozent mehr als in den ersten sechs Monaten 2012. “Bei diesen Rekordeinnahmen für den Fiskus entbehren Rufe nach höheren oder neuen Steuern ebenso jeglicher Grundlage wie der Wille, an überholten Steuern festzuhalten. Die Zahlen machen deutlich: der Staat hat kein Einnahmeproblem”, kommentiert Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, diese Steuerflut.

Fazit: Die Politik ist in Deutschland offenbar mit allen solidarisch - nur nicht mit den Steuerzahlern. Auf die Idee, dass der Staatshaushalt angesichts überbordender Einnahmen durch eine seriöse Ausgabendisziplin endlich ausgeglichen werden sollte, kommt jedenfalls in Berlin kaum noch jemand. Benjamin Franklin hatte Recht: “In dieser Welt gibt es nichts Sicheres als den Tod und die Steuern.”

Zuerst erschienen auf Handelsblatt Online

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Leserpost

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Karl Schurz / 29.07.2013

75% der Kommentare stimme ich zu, weil libertär. Die restlichen 25% zeugen von profunder Staatsgläubigkeit. Hier das staatliche Bildungssystem ganze Arbeit geleistet. Der Kommentar ist aus meiner Sicht so überzeugend abgedreht, dass ich verzweifelt nach dem Satire-Zertifikat suchen musste. Trotzdem: Wir haben hier eine 3/4-Mehrheit. Damit ist eindeutig der Soli abgelehnt.

David Rehnert / 28.07.2013

Ich begeistere mich schon seit längerem für die Idee, über den Soli zukünftig die Energiewende zu finanzieren - selbstverständlich gegen eine entsprechende Abschmelzung der EEG-Umlage. Dies hätte zwei Vorteile: Erstens wären die finanziellen Belastungen durch das EEG sehr viel transparenter, und zweitens wäre die Last sehr viel gerechter (ja, hier ist das Unwort mal angebracht) verteilt. Es kann doch niemand erklären, warum die ärmsten Stromverbraucher pro Kilowattstunde denselben Förderungsbetrag zu entrichten haben als sehr viel reichere - relativ zu ihrem Einkommen zahlen die Ärmsten nach dem Prinzip der Kopfsteuer also am meisten. Und dies dann auch noch für den Profit derjenigen, die genug Geld haben, um sich die Investition in eine Solaranlage auf dem Hausdach oder eine Beteiligung an einem Windpark leisten zu können. Es lebe die soziale Gerechtigkeit! Bei einer Ersetzung der EEG-Umlage durch einen Energie-Soli wären wir übrigens auch die leidige Diskussion um Sinn und Unsinn der Befreiung der energieintensiven Industrie von den Mehrkosten los, denn die Kosten würden gesamtgesellschaftlich nach der individuellen Leistungsfähigkeit und nicht nach der Höhe des Stromverbrauchs getragen - wie es bei Subventionen zur Technologieförderung ja auch eigentlich sein sollte.

Hans-Peter Hammer / 28.07.2013

Oh, wie recht hatte doch Benedikt bei seiner Rede im Bundestag, als er Augustinus zitierte: “Nimm das Recht weg, was bleibt dann vom Staat als eine große Räuberbande!” Das BVerfG hat - soweit mir erinnerlich - den “Soli” damals zugelassen, WEIL er eine zeitlich begrenzte (!) Zusatzabgabe zur Bewältigung der Wiedervereinigung sein sollte. Wenn sich die Politik nun wünscht ihn bis zum Sankt Nimmerleinstag fortzusetzen, steht dies der rechtlichen Einschätzung des BVerfGs diametral entgegen, ist de facto Rechtsbruch (also Wegnahme des Rechts) und was bleibt übrig: die Räuberbande, die sich einen Sch… darum schert, daß ihr Tun verbrecherisch ist! Und auch Manfred Rommel, ehemaliger Bürgermeister von Stuttgart (!), traf den Nagel auf den Kopf, als er sagte: “Räubergesinnung liegt dann vor, wenn der Bürger nur noch darauf abgeklopft wird, ob man ihm etwas was er erworben hat, wegnehmen kann!” (Wobei es sich meistens wohl um von ihm erarbeitetes Geld handeln dürfte!) Ein Blick in die Runde der Politik, sei es auf Kommunal-, Landes- oder Bundesebene genügt um zu sehen, genau dies geschieht, sei es PKW-Maut, Städte-Maut, Fettsteuer, Soli, Grundbesitzabgaben, Fast-Food-Steuer, etc. pp. Überall glühen die Gehirne vor Anstrengung dem Bürger NOCH mehr seines Eigentums wegzunehmen, ihn - ohne daß er es begreift - zu bestehlen! Nur ein Tröstliches hat die Sache: Ist die Kuh die gemolken wird so sehr geschwächt, daß sie keine Milch mehr geben kann, ist’s aus mit dem Räuberdasein. Spätestens dann werden sich die Rindviecher ihrer Hufe erinnern und dem Melker gehörig wohin treten! (Leider haben deutsche Rindviecher eine fast unendliche Geduld!)

Miguel David / 28.07.2013

Sehr geehrter Herr Dr. Weimer, der Soli ist in seinem negativen Effekt signifikanter als meine “Lieblingssteuer” die Schaumweinsteuer welche als Musterbeispiel einer einmaligen durch Staatsgewalt erpressten Abgabe gelten kann. Da wir produktiv wertschöpfenden Menschen als Steuervieh auf Steuerfarmen (Nationen) gehalten werden ist eine funktionierende Ertragssteigerung gewünschter Effekt der Regierenden (womit eher nicht die Politdarsteller gemeint sind). Ein Milchbauer wird einen dauerhaft gewinnsteigernden Effekt auch nicht aus Liebe zu Gottes Geschöpfen aufgeben. Sie plädieren für mehr Gerechtigkeit im Unrecht. Steuern sind Diebstahl. Die erste und wichtigste Aufgabe jeder Regierung ist die Organisation der Ausbeutung der Bürger am besten derart das die Bürger auch noch zustimmen. Eine Beschäftigung mit libertärem Gedankengut schadet niemandem. mit freundlichen Grüssen Miguel David

Hermann Willaredt / 27.07.2013

Ich habe im dritten Absatz zuerst gelesen: “Nun ist Wahlkampf ist immer organisiertes Verbrechen”. Das steht ja gar nicht da, Herr Weimer, wäre aber so falsch auch nicht. Vielleicht hilft dem Grundproblem eine neues Grundgesetz, das Verfassungsstatus besitzt und damit vom Volk bestimmt werden muss. Das bisherige Grundgesetz ist nämlich keine Verfassung. Dann könnten einige Geburtsfehler (Föderalismus, Wahlrecht etc.) gleich mitbereinigt werden.

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