Wolfram Weimer / 17.05.2018 / 11:00 / Foto: Reto Klar / 10 / Seite ausdrucken

Sags durch den Blume

Markus Blume ist in der Arena der CSU-Größen so etwas wie ein geschmeidiger Eiskunstläufer unter gewichtigen Sumo-Ringern. Ein Intellektueller, feinsinnig und nachdenklich, liberal, großstädtisch und verbindlich. Mehr Versöhner als Spalter. Da passt es, dass er am 14. Februar 1975 zur Welt kam – dem Valentinstag. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder meint, Blume könnte auch Uno-Friedensmissionen leiten, denn der ausgleichende Münchner habe selbst die verfeindeten CSU-Lager um Seehofer und Söder versöhnt – ein wenig zumindest.

Blume galt in seiner Jugend tatsächlich als einer der talentiertesten Eiskunstläufer in Deutschland, wurde bayerischer Landesmeister und nahm im Paartanz mit seiner Schwester Sandra 1994 im Jahr seines Abiturs an den Juniorenweltmeisterschaften in den USA teil. Heute ist er der 18. Generalsekretär in der Geschichte der CSU, tanzt zuweilen auf dünnem Eis des Politischen und muss einen derben, harten Landtagswahlkampf gegen die aufkommende AfD führen. Die Rechtspopulisten haben Chancen, am 14. Oktober zur zweitstärksten Kraft in Bayern aufzusteigen und der CSU die absolute Mehrheit zu vereiteln. Das soll General Blume verhindern, und mancher unkt bereits, da werde der freundliche Eiskunstläufer einbrechen, wenn er nicht hotzenplotziger Draufhauen lerne.

Doch Blume bleibt sich treu und sagt: „Attacke ist nicht eine Frage der Lautstärke, sondern von Überzeugung und klarer Argumentation.” Wo Amtsvorgänger Andreas Scheuer in der CSU-Zentrale gewittriges Testosteron verströmte, lässt Blume die Fenster für gedankliche Freiheit öffnen. Blume sagt Sätze wie: „Bayern ist bunter als blau-weiß.” Er will den „Diskursraum verbreitern” und Menschen aus den „Meinungshöhlen im Internet” mit echten Gesprächsangeboten herausholen. In der Kruzifix-Debatte schreibt er persönlich die klugen Essays in FAZ und „Tagespost”, er ist nicht der Mann fürs Grobe, sondern fürs Grundsätzliche. Er verweist im Kulturkampf auf den Philosophen Karl Popper und dessen Werk „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde”. Kurzum: Blume ist der intellektuellste Generalsekretär Deutschlands seit Heiner Geißler und Kurt Biedenkopf.

Als sei Oberbayern das neue Berlin

Das geistige Talent ermöglichte seine Karriere überhaupt, er war junger Chef der CSU-Grundsatzkommission, ein belesener Vordenker, dem Horst Seehofer die Aufgabe übertrug, das neue CSU-Grundsatzprogramm auszuarbeiten. Seehofer war hernach so entzückt, dass er es als eine „Sternstunde”, ein „Meisterwerk” hochlobte und Blume beförderte.

Blume nannte das Programm clever „Die Ordnung”, als ginge es um ein Jahrhundertmanifest. Er kennt die Wirkmacht von Begriffen und „Ordnung” ist einer, der im Comeback der konservativen Sehnsüchte plötzlich wieder gefragt ist. Und so schafft er täglich Ordnung in der wilden Gedankenwelt der Neo-Konservativen. Er schreibt in Intellektuellenorganen wie „Cicero” und „European” und führt Debatten so lustvoll, als sei Oberbayern das neue Berlin.

Verblüffenderweise loben Seehofer und Söder Blume fast wortgleich als einen der „kreativsten Köpfe der Partei”, als „starken Analytiker” und „brillanten Strategen”. Und so fragen sich viele in München, was aus dem Kurt Biedenkopf der CSU einmal werden könnte. Die Antwort wird Markus Söder geben. Der hätte ihn schon jetzt gerne in sein Kabinett berufen, braucht ihn aber für den Wahlkampf in der Parteizentrale noch. Doch nach dem 14. Oktober spricht einiges dafür, dass Blume neuer und mächtiger Wirtschaftsminister Bayerns wird: Amtsnachnachfolger von Ludwig Erhard in diesem Amt – denn von Ordnung und Ordnungspolitik versteht er jede Menge.

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Anton Geiger / 17.05.2018

Ich teile Ihre Euphorie keineswegs, Herr Weimer: 1. Die Nazi-Gleichsetzung der AfD (“brauner Schmutz”) ist meines Erachtens kein Zeichen von strategischer und taktischer Genialität: Das konservative Urgestein Erika Steinbach (40 Jahre CDU, 27 Jahre Bundestag, 16 Jahre Heimatvertriebenenpräsidentin) hat aus Protest gegen solchen Jargon ihren Bayerischen Verdienstorden zurückgegeben. 2. Den Satz „Bayern ist bunter als blau-weiß” halte ich für verheerend. Damit imponiert er vielleicht linksgrünen oberbayerischen Schickimickis, sind ja genügend zugewandert ins erfolgreiche Bayern, aber nicht den Konservativen, die Merkel permanent vergrämt. Mit Klonovsky könnte die AfD hier kontern: “Bunt? Ja, bunt wie eine Burka!” 3. Solange der die Grenzen weiter offenhaltende CSU-Vorsitzende Seehofer als Bundesinnenminister “allen Musliminnen und Muslimen in Deutschland” untertänigst einen “gesegneten Ramadan” wünscht und “die allabendlichen Feiern des Fastenbrechens, die viele Privatleute und auch Moscheegemeinden ausrichten,” als gelebtes Miteinander in unserer Gesellschaft bei hochjubelt (bei uns werden die Nachbarn durch den Lärm von ausgedehnten Ramadanfeiern die ganze Nacht hindurch terrorisiert, aber die Stadt traut sich natürlich nicht das durchzusetzen, was z. B. bei jedem Abiturfestl gnadenlos exekutiert wird), solange braucht sich die AfD nicht groß anzustrengen, um der CSU bürgerlich-konservative Wähler abzujagen. David Berger schreibt mit Recht: “Die indigenen Christen könnten jetzt fragen, wann ihnen zum letzten mal ein Bundesinnenminister eine gesegnete Fastenzeit gewünscht hat. Aber das wäre schon fast frech von den Kuffars, so etwas zu fordern.” Seehofers offizielle Ramadanwünsche wären ein prachtvolles AfD-Plakatmotiv im Landstagswahlkampf. Da muss Herr Blume schon wesentlich mehr abliefern als bisher!

Frank Stricker / 17.05.2018

Kleiner Blackout Herr Weimer ? Sie skizzieren hier Herrn Blume als einen feinsinnigen Charakter irgendwo zwischen Goethe , Kafka und Leiter vom literarischen Quartett. Ist ihnen vielleicht entgangen , dass dieser “Feingeist”  kürzlich erst die komplette AFD als “braunen Schmutz” bezeichnet hat ? Also primitivster Nazijargon ohne Sinn und Verstand . Die Eloge auf Herrn Blume ist ja so rosarot , man müß ja die Befürchtung haben , dass sie heimlich Drehbücher für Rosamunde Pilcher schreiben….....

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