Aus theologischer Sicht könnte und dürfte der Staat eine Impfpflicht nur als allerletztes Mittel in einer aussichtslosen Notlage verordnen. Und auch dann gibt es Grenzen der Zumutbarkeit.
Von Okko tom Brok.
Wir Deutschen sind ein pflichtbewusstes Volk: Zur Impfpflicht müsste man uns im Grunde gar nicht zwingen, denn bereits satte 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung haben die Vakzine ohnehin freiwillig und ohne Murren, einige regelrecht in „Partylaune“ an- und eingenommen. Es wird von launigen Booster-Partys berichtet, bei denen Dutzende Mitarbeiter einer Belegschaft abgeimpft wurden und diesen „kleinen Piks“ als solidarisches Gemeinschaftserlebnis feierten. Ärzte, die „tausend auf einen Streich“ geimpft haben, sind die Helden unserer Tage.
Doch die erfüllte Pflicht hat eine hässliche Halbschwester: die Missgunst gegenüber den „Pflichtbefreiten“, also allen, die aus verschiedenen Gründen ihr solidarisches Notopfer nicht erbracht haben und es sich auf der Insel der Ungepiksten gutgehen lassen. Wolfgang Kubicki hat es auf den Punkt gebracht, als er in der Debatte um die Impfpflicht auch ein Stück Rache der enttäuschten Geimpften erblickte, die für ihre unerfüllten Freiheitshoffnungen nun ein Ventil und einen Sündenbock benötigten: die „Ungeimpften“.
Wer ist überhaupt berechtigt, Menschen Pflichten aufzuerlegen und unter welchen Bedingungen? Juristische und damit tatsächlich bindende Pflichten dürfen im westlichen Kulturkreis i.W. nur staatliche Behörden aussprechen, die in freiheitlichen Rechtsstaaten noch dazu parlamentarisch legitimiert und gerichtlich überprüfbar (justiziabel) sein müssen. Andere Einrichtungen und Vereine, die sich neuerdings vollmundig für eine Impfpflicht aussprechen, wie etwa der Zentralrat der Muslime oder auch die Evangelische Kirche in Deutschland in Gestalt ihrer neuen Ratsvorsitzenden Annette Kurschus, haben außerhalb ihrer Gemeinschaften und Versammlungen generell kein Mandat, allgemeingültige Pflichten zu verhängen.
Eine Kirche Jesu Christi sollte Anwalt der freien Entscheidung sein, nicht ein Organ der staatlichen Anordnungen. „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, aber Gott, was Gottes ist“, markiert Jesus selbst in der Bibel die Grenze, an der der Gehorsam gegenüber dem Staat ein Ende findet, nämlich so bald die von Gott verliehenen Rechte an Leib und Leben durch den Staat und seine Anordnungen selbst bedroht werden.
Erzwungene Nächstenliebe ist kein Akt der Liebe
Der Staat könnte und dürfte aus theologischer Sicht eine Impfpflicht nur als allerletztes Mittel in einer aussichtslosen Notlage verordnen, wenn nur so die Grundüberzeugung, dass Gott ein Freund des Lebens und der Mensch ein Ebenbild Gottes ist, verteidigt werden könnte, wie es die EKD und die Katholische Bischofskonferenz in einer gleichnamigen Denkschrift zur Bio- und Medizinethik schon vor Jahrzehnten (nämlich 1989) klarstellten. Im Kern der damaligen Argumentation stand in allen bioethischen Kontroversen stets die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Ob und wie sich diese mit einer Zwangsimpfung vertragen könnte, bedürfte heute dringend weiterer Erläuterungen.
Kirchen und Religionsgemeinschaften können und sollten aus meiner Sicht grundsätzlich keine bestimmten Maßnahmen empfehlen oder ablehnen, für die sie naturgemäß nicht über die notwendige Expertise verfügen. Und wirklich niemals sollte aus einer freiwilligen Zustimmung zu einer Impfung ohne Not eine Pflicht gemacht werden. Aber die Kirchen können und sollten ihrem sog. „Wächteramt“ gemäß ethische Prüfsteine vorlegen, die es Christen erlauben, eigene ethische Urteile in individuellen Lebensfragen zu fällen. Das haben Frau Kurschus und ihre Kirchenbehörde bislang versäumt.
Ob und inwiefern „nur“ eine Impfpflicht dem Gebot der Nächstenliebe entspräche, wie in EKD-Kreisen neuerdings postuliert, wäre in Fachgremien hochrangiger Ethiker und Moraltheologen jetzt erst gutachterlich festzustellen. Es ist nicht bekannt, dass derartige Aktivitäten in der Herrenhäuser EKD-Zentrale in Hannover in jüngster Zeit stattgefunden hätten.
Unabhängig davon zielt die Botschaft Jesu auf das Individuum. Akte der Nächstenliebe erfordern vor allem eines: Freiwilligkeit. Dem steht eine Impfpflicht diametral entgegen. Verordnete, erzwungene Nächstenliebe ist vieles – aber kein Akt der Liebe!
Wo sind die Grenzen der Zumutbarkeit erreicht?
Ein wesentlicher Aspekt der Impfpflicht-Debatte scheint mir jedoch noch zu wenig beleuchtet worden zu sein: die weitgehende Unkalkulierbarkeit dieses größten medizinischen Feldexperiments aller Zeiten. Kann man – sei es durch den Staat, die Kirchen oder den Arbeitgeber – zu etwas verpflichtet werden, das irreversibel ist und dessen Konsequenzen niemand seriös abschätzen kann?
Während sich ein Nachbar aus meiner Wohnsiedlung nach seiner Boosterung mit schweren Autoimmunreaktionen im Krankenhaus befindet und vielleicht nie wieder ganz gesund werden wird, stellt sich für mich als Lehrkraft an einer staatlichen Schule mit der Lehrbefähigung für Ethik ganz unmittelbar und drängend die Frage, was ein Staat von gesunden Bürgern zu recht erwarten und verlangen darf, aber wo die Grenzen der Zumutbarkeit erreicht sind. Mir scheint, die „roten Linien“, die man jetzt regierungsseitig aus allzu durchsichtigen Gründen nicht mehr kennen will, sind genau hier zu verorten.
Schauen wir auf die Fakten: Eine „neuartige“ Viruserkrankung wird seit ca. 12 Monaten mit einem nur 6 Monate zuvor entwickelten Impfstoff mit vollkommen neuartiger Wirkweise „behandelt“, wenn auch mit äußerst bescheidenem Erfolg. Selbst ein Forscherteam in der Antarktis, das unter den Hygienebedingungen von „2G“ forschte und arbeitete, erkrankte jetzt an Corona, wie man den Medien entnehmen konnte. Anders als sämtliche andere Impfstoffe zuvor soll dieses Präparat „für alle“ geeignet und praktisch „nebenwirkungsfrei“ sein und erst recht „keine Spätfolgen“ zeigen. Spätfolgen zeigen sich jedoch ihrer Bezeichnung entsprechend leider immer erst „etwas später“, wie die Menschheit im berüchtigten Contergan-Skandal in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts schmerzhaft lernen musste. Es gibt Forscher wie den Erfinder der mRNA-Vakzine, Prof. Malone, die an dieses Szenario jetzt mahnend erinnern. Sie müssen nicht recht haben, aber können wir es uns leisten, ihre Mahnungen zu überhören?
Eine Art „Russisch Roulette“ mit 1.000 Kammern
Das bislang noch stabilste Argument der Impfpflicht-Befürworter ist das der relativen Ungefährlichkeit der Vakzine. Als Nicht-Mediziner vermag ich diese Angaben nicht zu überprüfen, habe aber angesichts aller zuvor gebrochenen Versprechen und Verheißungen meine Zweifel. Ich verfüge inzwischen auch im Bekanntenkreis über „anekdotische Evidenz“ zum Thema Impfschäden.
Nähmen wir aber zugunsten der Impfung an, dass nur ein äußerst geringer Prozentsatz schwerste Schäden oder den Tod davontrüge. Es wäre also eine Art „Russisch Roulette“ mit 1.000 Kammern, wobei aber nur eine Patrone geladen wäre. Das Zahlenverhältnis mag kleiner oder größer sein, aber sicher ist: Diese Pflichtimpfung wird kerngesunde Menschen töten. Manche werden sehr qualvoll sterben und die Gesellschaft verfluchen, die ihnen dieses „Opfer der Nächstenliebe“ gegen ihren Willen aufgebürdet hat.
Wie weit wollen wir gehen, um „Leben zu retten“, was doch einmal der Ausgangspunkt aller Maßnahmen gewesen war? Wirklich nur noch „Rien ne va 2G-plus“? Wirklich alles auf Rot? Ich passe.
Der Autor ist Lehrer an einem niedersächsischen Gymnasium mit den Fächern Fremdsprachen und Ethik.