Martina Binnig, Gastautorin / 13.09.2021 / 16:00 / Foto: Pixabay / 37 / Seite ausdrucken

Ratgeber Smalltalk: Erkennungscodes und Testballons

Von Martina Binnig.

War Smalltalk mit Unbekannten bislang eine im Großen und Ganzen entspannte Angelegenheit, erfordert er in diesen Zeiten diplomatisches Geschick: Einerseits möchte man herausfinden, ob das Gegenüber ein Konformist ist oder zum eigenständigen Denken neigt; andererseits will man es sich mit niemandem sofort verscherzen. Also empfiehlt es sich, unverfängliche Erkennungscodes ins Gespräch einfließen zu lassen. Nur wie?

Allgemeine Reizthemen scheiden von vornherein aus. Eher bietet es sich an, die Unterhaltung auf konkrete Personen zu lenken. Das gelingt fast immer. Doch auch hier gilt es zu beachten, welche Namen tunlichst vermieden werden müssen. Selbst wenn man es etwa als angemessen einschätzt, sich mit der Vernetzung von einflussreichen Stiftungen wie der Gates Foundation zu befassen, sollte man Gates auf keinen Fall erwähnen. Denn sogar durchaus kritische Geister zucken dabei zusammen und befürchten Verschwörungstheorien.

Gefragt sind daher weitaus unauffälligere Testballons. Wie wäre es beispielsweise mit einer erfolgreichen Frau, die auf internationalem Parkett zu Hause ist? Wie wäre es mit Ursula von der Leyen? Da die Sprache unvermeidlich irgendwann auf den Corona-Alltag kommen wird, ließe sich beiläufig eine Bemerkung einstreuen wie: „Ursula von der Leyen hebt in ihren Reden ja hervor, dass die Corona-Krise Möglichkeiten für große Veränderungen bietet.“ Daraufhin sind unterschiedlichste Reaktionen denkbar wie beispielsweise:

A) „Ursula von der Leyen? Großartige Frau. Spricht viele Sprachen. Hat viele Kinder. Und ihre Frisur sitzt auch immer perfekt.“ 

B) „Recht hat sie. Hoffentlich verstehen bald alle Politiker, dass der Klimawandel schuld an der Pandemie ist.“ 

C) „Hach. Ist es nicht wunderbar, dass Deutschland jetzt in Europa aufgeht?“ 

Gesetzt den Fall, es handelt sich bei diesen Aussagen nicht um Ironie, kann man getrost wieder zu Belanglosigkeiten wie Lebkuchen im August oder die Pünktlichkeit der Bahn überleiten. Interessant wird es bei Entgegnungen wie: „Hören Sie mir auf mit von der Leyen. Sie hat schon die Bundeswehr zerstört. Jetzt macht sie mit der EU weiter.“ Hier kann man sich eindeutig weiter aus der Deckung wagen. Am spannendsten sind dagegen Rückfragen wie: „Welche Reden meinen Sie?“ Nun könnte man vorsichtig anbringen: „Ich erinnere mich gerade an eine Rede, die sie in Davos gehalten hat.“ Möglicherweise löst diese Aussage folgenden Ausruf aus: „Davos? Ein wunderbares Ski-Gebiet!“ Auch hier ist es ein Leichtes, wieder zu völlig unpolitischen Gesprächsthemen zurückzukehren.

Vielleicht nimmt man das Gegenüber das Stichwort „Davos“ jedoch zum Anlass, sich seinerseits zu erkennen zu geben, und erwidert: „Sie spielen auf die Reden von der Leyens beim Weltwirtschaftsforum an? Es ist haarsträubend, wie die Präsidentin der EU-Kommission sich dermaßen der Ideologie des Großen Umbruchs anbiedert und Klaus Schwab unentwegt bauchpinselt. Haarsträubend und unerträglich.“

Damit ist der Damm gebrochen. Der Testballon hat sein Ziel erreicht. Danke, Ursula!

 

Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet als Musikerin, Musikpädagogin und Musikwissenschaftlerin. Außerdem war sie als freie Journalistin tätig, darunter fünfzehn Jahre lang für die Neue Osnabrücker Zeitung.

Foto: Pixabay

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Sabine Heinrich / 13.09.2021

Am Thema vorbei, aber dennoch:  Ich weiß sofort, wie ich Menschen einordnen kann (Schublade auf - hineinbefördert - Schublade zu): Lautet einer der ersten Sätze: “Sind Sie schon geimpft?” oder das Gegenüber teilt mir unaufgefordert stolz mit, dass er/sie/ es sich bereits den 2. Schuss hat setzen lassen, bin ich im Bilde. Allerspätestens bei der Abschiedsfloskel, die heute meist nicht mehr lautet: “Tschüs - und mach’s gut!” sondern “Bleib/Bleiben Sie gesund!” weiß ich, woran ich bin. Eine gedankenlosere (gut gemeinte) Floskel ist mir noch nicht untergekommen! Woher wollen diese Menschen wissen, ob ich gesund bin - und nicht schon mit 1/2 Bein in der Kiste stehe? Auch ein Kind, das vor Traurigkeit und Einsamkeitsgefühlen längst die Lebensfreude verloren hat und depressiv geworden ist, wird diese Aufforderung sicher gern hören.

Claudius Pappe / 13.09.2021

@Dr. Joachim Lucas : Sie haben sowas von Recht. Neulich über Radrennen geredet und mich über das Gendern des ARD Reporters aufgeregt. Die Gesprächsrunde kam dann über das ” nicht Gendern in einer beruflichen Analyse ”  auf LGBTG. Hätte ich doch meinen Mund gehalten….........wollte doch nur über den fantastischen Sieg des Deutschen Nils Politt bei der Tour de France berichten…......schon war ich in den Augen anderer Gesprächspartner ein ” Schwulenfeind “

Jochen Schmid / 13.09.2021

Ursula als Testballon. Grandiose Idee. Soviel heiße Luft! Der Realität entschweben. Aber ja, die Frisur sitzt, bei jedem Wetter!

Winfried Jäger / 13.09.2021

Ich bin da etwas anderer Ansicht. Wer weiß denn schon von den meisten Schlafschafen, daß Uschi den New-Green-Deal fordert und uns damit ruiniert. Mein Vorschlag: Irgendwie auf Merkel kommen, sie als Bundeshosenanzug bezeichnen und dann genau auf die Reaktion des gegenüber achten. Bei Verkniffenheit des gegenüber, weiß man woran man ist, ohne sich selbst zu outen. Könnte ja auch einfach nur ein Witz über ihr Outfit sein, obwohl man ihr in allem zustimmt.

Thomas Schmied / 13.09.2021

Das Problem ist, dass man als kritisch gebliebener Mensch eigentlich über Dinge lachen muß, die wirklich ernst gemeint sind. Andersrum hat mir mal jemand gesagt, dass es ja auch gewisse Impfrisiken gibt. Bin dann in eine ernsthafte Diskussion über Impfrisiken eingestiegen, bis mein Gegenüber plötzlich irre zu lachen begann. Er hatte offenbar geglaubt, dass ich meine Kritik an der gegenwärtigen Impfpraxis auch nur ironisch meine. Habe dann freundlich gewunken und bin gegangen. Der glaubt immer noch, ich sei ein Guter, wo ich doch eigentlich ein Böser bin. Nein, Kommunikation ist nicht einfacher geworden.

Erik Meinhardt / 13.09.2021

Hätte niemals gedacht, daß man UvdL auch sinnvoll verwenden kann. Danke dafür, werde ich testen.

Dr. Karl Walter / 13.09.2021

Für Westler mag das ja neu sein. Wer in der DDR sozialisiert wurde und nicht in einem einfältig-linientreuen Umfeld aufwuchs, für den waren diese Erkundungsfloskeln einfach überlebensnotwendig. Und nicht zu vergessen - man war nie sicher, es nicht mit einem Spitzel zu tun zu haben. Das erfordert schon noch mehr Übung und Menschenkenntnis. Hatte zwar gehofft, das nie wieder brauchen zu müssen…

Sebastian Weber / 13.09.2021

Flinten-Uschi ist inzwischen sakrosankt. Die Kanzlerin hat sie in eine Position gehievt, aus der man sie nur sehr schwer wieder entfernen kann. Es wäre auch die Vertreibung aus dem Paradies: wer kann schon mit Milliarden rumdölmern (=Steuergelder wohlgemerkt, die irgendwelche ignoranten Deppen erst mal verdienen müssen ...); man macht sich damit “Liebkind” bei den Südländern; sollten ihr einmal die Ideen ausgehen, wo man noch überall Geld versenken kann, hilft die Beraterbranche gerne. Da kennt sie sich aus. Sie parliert polyglott und mach immer “bella figura” - na ja, nur beim Sultan hat es mal nicht geklappt, da saß sie auf der “Abseite” ...

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