Von Klaus König.
Im dritten Teil meiner Artikelserie möchte ich meine Erfahrungen bezüglich politischer Maßnahmen und die sich daraus ergebenden Folgen für die Polizei erläutern.
Bevor ich jedoch beginne, eine kurze rechtliche Exkursion. Die Polizei ist Teil der Exekutive und somit die „ausführende bzw. vollziehende Gewalt“. Darüber hinaus sind die Landespolizeien dem jeweiligen Innenministerium eines Bundeslandes bzw. die Bundespolizei dem Bundesinnenministerium unterstellt. Das bedeutet, dass die Politik Vorgaben und Gesetze erlassen kann, die die Arbeit der Polizei unmittelbar beeinflussen.
Die Zugehörigkeit zur Exekutive beinhaltet für die Polizisten vor allem, den Rechtsstaat durchzusetzen, sprich Straftaten vorzubeugen und aufzuklären. Hier endet allerdings nicht das Aufgabenfeld des Polizeibeamten. In verschiedensten Situationen stehen die Männer und Frauen für jegliche Notlagen und Anliegen der Bevölkerung als Ansprechpartner zur Verfügung. Eine Maxime, die oftmals unter dem Begriff „dienen und schützen“ subsumiert und pflichtbewusst unter strikten Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen ausgeführt wird.
Nicht anders ist ansonsten das laut Statistik hohe Vertrauen der Bevölkerung von 84 Prozent in die Polizei zu erklären (Politiker 14 Prozent). Jeder Mensch, der den Polizeiberuf ergreift, weiß, dass er sich in psychisch und physisch belastende Situationen begeben muss, um den Rechtsstaat durchzusetzen und die freiheitlich demokratische Grundordnung zu schützen. Damit die Polizei dieser besonderen Aufgabe nachkommen kann, ist die Unterstützung der Politik allerdings unabdingbar. In den letzten Jahren ist diese Unterstützung jedoch mehr und mehr einer skeptischen Distanz gewichen. Die Polizei muss sich, speziell seit dem Jahr 2020, von diversen Politikern unentwegt Rassismus, unverhältnismäßige Gewaltanwendung oder insgesamt unsachgemäßes Handeln vorwerfen lassen. Man verstehe mich nicht falsch, natürlich muss die Polizei den Anspruch haben, dass rechtswidrige Maßnahmen in ihren Reihen konsequent geahndet werden. Eine strikt an den Gesetzen orientierte Polizei ist die Essenz eines Rechtsstaats, und Personen, die diesen Anforderungen nicht gerecht werden, müssen zwingend des Dienstes enthoben werden. Gleichwohl ist es allerdings in Zeiten politisch und medial opportuner Generalverdächtigungen ebenso notwendig, dass Politiker sich vor die Polizisten stellen, welche jeden Tag den Rechtsstaat verteidigen.
Beweislastumkehr: Polizei muss beweisen, dass sie nicht diskriminiert
Die Realität sieht oft anders aus. Im Schatten der auch in Deutschland von Medien und Politik geschürten Hysterie um den Tod des Amerikaners George Floyd wurde im Juni 2020 in Berlin das Landes-Antidiskriminierungsgesetz (LADG) vom Abgeordnetenhaus verabschiedet. Dieses Gesetz bedeutet de facto eine Beweislastumkehr und entbindet den Polizisten von der Unschuldsvermutung, denn nicht der Bürger muss nun Beweise für angebliche Benachteiligungen vorlegen, sondern der Beamte muss beweisen, dass er (z.B. bei einer Personenkontrolle) nicht diskriminiert hat. Kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes konnte man in einer Berliner Zeitung von den unmittelbaren Folgen lesen. In einer Polizeikontrolle befindliche Personen bedrängten einen Beamten mit Verweis auf die neue Verordnung, so dass sich dieser genötigt sah, ein vierseitiges Gedankenprotokoll zu fertigen, um sich bei den folgenden Ermittlungen erklären zu können. Wie soll da noch eine zielführende Abarbeitung des polizeilichen Einsatzes möglich sein?
Auch in anderen Bundesländern sind ähnliche Maßnahmen geplant oder bereits in Kraft getreten. Die Probleme beziehen sich jedoch nicht nur auf solche weitreichenden politischen Entscheidungen. Es sind auch die vielen, kleinen alltäglichen „Nackenschläge“, die mich als Polizist nachdenklich werden lassen. Ich habe selber erlebt, dass Jugendorganisationen von Parteien mit der Antifa demonstrierten und ihren „Hass auf die Polizei“ skandierten. Dazu passt, dass hochrangige Politiker angeblich staatstragender Parteien öffentlichkeitswirksam und mit Unterstützung der Parteimitglieder ihre Solidarisierung mit der „Antifa“ verkündeten. Eine nachhaltige gesellschaftliche Debatte oder Skandalisierung dieser Verlautbarungen blieb vollständig aus. Das führt zwangsläufig zu regelrechter Wut bei vielen Polizisten. Stellen Sie sich vor, Sie wurden durch die Extremisten der Antifa bei einem der jährlich stattfindenden Krawalle am 1. Mai oder bei den längst vergessenen G20-Gipfel-Bürgerkriegszuständen attackiert oder gar verletzt. Wäre es dann nicht Balsam für Ihre Seele, wenn sich die politische Elite mit Ihrem Gegenüber solidarisierte?
Da ich auch einer der vielen Polizisten aus Deutschland war, der die Ereignisse des Jahres 2017 in Hamburg hautnah miterleben durfte, verfolgte ich die anschließende Befassung der Politik mit den Geschehnissen aufmerksam. Was wurde nach dem G20-Gipfel nicht alles über die notwendigen Konsequenzen nach den Ausschreitungen und über eine notwendige Stärkung der Polizei debattiert! Ich musste damals schon „schmunzeln“, als ich mich fragte, wie lange die Halbwertszeiten dieser Debatten wohl ausfallen würden. Leider wurde ich in meiner Skepsis vollends bestätigt. Oder haben sie etwas davon gehört, dass beispielsweise die Hamburger „Rote Flora“ (das Zentrum der linksextremistischen Szene in Hamburg), wie anfangs angedacht, geräumt wurde? Nein? Ich auch nicht, ist nämlich auch nicht passiert. Nachdem sich die Debatten gelegt hatten, konnte die Regierung in Hamburg ihr Augenmerk auf die wirklich wichtigen Konsequenzen richten: die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte, um die Verfolgbarkeit von Straftaten durch Polizisten zu verbessern. Auch eine Form, seine Solidarisierung mit den Personen aus dem Schwarzen Block mitzuteilen…
Politik sucht möglichst euphemistische Wörter für die Täter
Verzeihen Sie mir meinen sarkastischen Unterton. Natürlich ist es wichtig, Straftaten, die durch Polizisten begangen werden, aufzuklären. Allerdings sind solche völlig skandalösen Prioritätensetzungen wirklich nur noch mit Galgenhumor zu ertragen. Wie bereits angerissen, stand Mitte des Jahres 2020 der Tod des schwarzen Amerikaners George Floyd im Fokus der deutschen Öffentlichkeit. Seitens der Politik und einiger „Experten“ wurde in vielen Fällen nicht mehr darüber debattiert, inwiefern Rassismus in der Polizei vorhanden sei, sondern wie man möglichst weitreichende Maßnahmen treffen müsse, um die latent vorhandene Fremdenfeindlichkeit auszumerzen. Für mich war diese in ihrer Form völlig unsachliche Debatte ein Lehrstück dafür, wie Bürger gegen die Polizei aufgewiegelt werden können. Hierzu eine kleine passende Geschichte: Im Dienst versuchte eine aggressive Person südländischen Phänotyps, mir mit seiner Faust ins Gesicht zu schlagen. Um diesen Angriff zu unterbinden, musste der Mann von mir und meinem Kollegen zu Boden gebracht werden. Unbeteiligte Passanten wurden auf das Szenario aufmerksam und riefen, dass der Mann „nicht atmen könne“. Der Delinquent, welcher bei bester Gesundheit war und auch am Boden liegend fortwährende Beleidigungen mir gegenüber aussprach, wurde durch die Passanten offensichtlich auf eine Idee gebracht und wechselte von Beleidigungsrufen auf „I can’t breathe“. Innerhalb kürzester Zeit bildete sich eine Menschentraube um uns, welche uns aufforderte, den Straftäter freizulassen und die rassistische Gewalt zu unterlassen. Nur durch das Hinzuziehen zahlreicher Polizeikräfte konnte ein Angriff der Menge auf uns unterbunden werden.
Diese Situation führte mir eindrücklich vor Augen, wie Politiker eine gesellschaftliche Debatte vergiften und somit auch Bürger richtiggehend aufhetzen können. Mir ist natürlich bewusst, dass politische Amtsträger in opportunistischer Art und Weise versuchen, Profit aus gesellschaftlichen und medialen Debatten zu ziehen. Trotzdem bin ich immer wieder erstaunt, wie einerseits eiskalt generalisiert wird, sofern es zur ideologischen Sichtweise passt, und andererseits vor Generalisierung gewarnt wird, wenn eine Thematik sich nicht in diese Perspektive einfügt. Die meisten Leser werden sich nämlich sicherlich noch an die überwiegend von Migranten verursachten Krawallen in Stuttgart und Frankfurt aus dem Jahr 2020 erinnern. Machen Sie sich einmal den „Spaß“, die Statements von einschlägigen Politikern nach diesen Auseinandersetzungen zu lesen. Dieselben Personen, die zuvor keine plakative Darstellung ausließen, um die Polizei zu diskreditieren, relativierten die Geschehnisse in den beiden Großstädten nun nach Kräften. Als Polizist muss man da schwer schlucken. Eine durch Politiker und Medien aufgeheizte Menge plündert Geschäfte, greift Polizisten an, verletzt diese – und das Einzige, was vielen Politikern erst einmal wichtig erscheint, ist, möglichst euphemistische Wörter für die Täter zu finden, welche diese Gewalttaten verübten.
Dazu sei gesagt, dass natürlich eine Generalisierung zu unterbleiben hat. Egal, zu welchem Themengebiet. Nur: Wie ernst zu nehmend sind die Warnungen davor, wenn an ideologisch passender Stelle alle Hemmnisse fallen und Polizisten ohne Rücksicht auf Verluste verunglimpft sowie Verletzungen der Sicherheitskräfte billigend in Kauf genommen werden? Ironischerweise insbesondere von Politikern jener Parteien, die das Wort „Humanität“ ansonsten wie eine Monstranz vor sich hertragen. Sind Polizisten keine Menschen, die abends zurück zu ihren Familien wollen? Ich habe in meinem polizeilichen Alltag immer wieder das Gefühl, dass man als Polizist von der Politik als Mittel zum Zweck und als Spielball angesehen wird. Ganz prägnant erkenne ich dies an der derzeitigen Lage zur Corona-Situation. Ich möchte an dieser Stelle nicht über den Sinn oder Unsinn der von der Politik beschlossenen Maßnahmen diskutieren. Mir geht es um etwas anderes.
Bei der Durchsetzung der Corona-Maßnahmen ist Verhältnismäßigkeit plötzlich kein Thema mehr
Als Polizist wird einem unentwegt und vom ersten Tag der Ausbildung bzw. des Studiums an der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vermittelt. Dies empfinde ich als vollkommen richtig, denn dieser Leitfaden ist einer der Grundbestimmungen des Rechtsstaats. Er schützt den Bürger vor exzessiver bzw. unrechtmäßiger staatlicher Gewalt. Gleichzeitig beinhaltet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass der Rechtsstaat mit allen erforderlichen Mitteln durchgesetzt wird, sofern es geboten ist. In den letzten Jahren war für mich in meinem täglichen Dienst jedoch immer mehr zu vernehmen, dass die Politik den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nutzte, um sich dahinter zu verstecken und insbesondere bei ideologisch aufgeladenen Themengebieten das opportunistische „Nichtstun“ zu begründen. Gewünscht war, „unschöne Bilder“ zu vermeiden und keinerlei Härte zu demonstrieren, erheblichen Straftaten zum Trotz.
Beispiele hierfür gibt es zuhauf, einige davon habe ich in diesem, wie auch in meinem letzten Artikel näher erläutert. Im völligen Gegensatz stehen hierzu allerdings die Verlautbarungen und Vorgaben der Politik für die Behörden im Rahmen der Corona-Maßnahmen. Nahezu täglich höre und lese ich bei den politischen Richtlinien für die Polizei Begriffe wie „null Toleranz“, „niedrige Einschreitschwelle“ oder „repressives Vorgehen“. Manchmal muss ich mir schon verwundert die Augen reiben, da diese Begriffe über Jahre hinweg verpönt waren, hatten sie doch einen Beigeschmack von „Law & Order“, was ja nun wirklich kein Politiker verkörpern mochte. Zusätzlich bin ich immer wieder überrascht, wie Politiker, die zuvor selten ein gutes Haar an der Polizei ließen, sich auf einmal sehr positiv äußern, wenn die Corona-Maßnahmen strikt durchgesetzt werden. So schnell kann man in der Gunst wachsen (aber mit Sicherheit bei anderweitigen Themen auch wieder fallen). Das sonst so geläufige Wort Verhältnismäßigkeit habe ich in Zusammenhang mit den Corona-Verordnungen eher selten bis gar nicht gehört. Interessant, wenn man bedenkt, dass staatliches Handeln nicht ideologisch aufgeladen bzw. erratisch, sondern berechenbar für alle sein sollte.
In diesem Zusammenhang der kurze Einwurf (ich möchte weiterhin nicht über den Sinn oder Unsinn der Maßnahmen diskutieren), dass es sich bei Verstößen gegen die Corona-Regeln zumeist um Ordnungswidrigkeiten handelt. Nicht mehr und nicht weniger. Gleichwohl scheint auch bei der Durchsetzung der Corona-Maßnahmen eine politische Differenzierung vorgenommen zu werden. Ich war in den letzten Wochen bei mehreren Demonstrationen zugegen. Auffällig war, dass bei Versammlungen mit vermeintlich politisch korrekter Thematik deutlich weniger Auflagen seitens der Politik bzw. den Versammlungsbehörden erlassen wurden, als es bei Versammlungen mit vermeintlich kritischem Inhalt erfolgte. Gleichzeitig wurden Verstöße gegen das Abstandsgebot oder die Maskenpflicht bei den „genehmen“ Versammlungen deutlich öfter geduldet.
Der geneigte Leser wird jetzt einwerfen, dass ja die Polizei vor Ort sei, um etwaige Verstöße zu ahnden, und nicht die Politik. Dazu ist zu sagen, dass die Politik (sprich der Innenminister und seine Mitarbeiter, welchen die Polizei unterstellt ist) vor hervorragenden Einsatzlagen Leitlinien an die Polizei übermittelt, wie bei gewissen Abläufen zu verfahren ist. In den allermeisten Fällen hält sich die Polizei an diese Vorgaben. Ein gutes Beispiel für diese beschriebene Diskrepanz in der politischen Bewertung waren die „Black Lives Matter"-Demonstrationen im Sommer 2020. Ganz unabhängig von der Corona-Politik ist für mich deshalb entscheidend, dass die Polizei nie als Spielball der Politik fungieren darf. Die Bürger erwarten zu recht eine Polizei, die ihr Agieren von sachlich fundierten Grundsätzen abhängig macht und nicht davon, ob gewisse Handlungen politisch gewünscht sind. Das bedeutet ausdrücklich nicht, dass eine kritische Auseinandersetzung mit den polizeilichen Handlungen zu unterbleiben hat. Konstruktive Debatten sind elementar wichtig, damit sich eine Institution professionell weiterentwickeln kann. Opportunistische Maßnahmen oder Anschuldigungen führen jedoch lediglich dazu, dass jeder verliert: Bevölkerung, Politik und letztlich der Rechtsstaat.
Der Name des Autors wurde von der Redaktion geändert.
Teil 1 finden Sie hier.
Teil 2 finden Sie hier.
Lesen Sie morgen: Der innere Zustand der Polizei.