Von Klaus König.
In dieser Serie möchte ich Sie auf einen Blick hinter die Kulissen des „Freund und Helfers“ einladen. Der Grund für meine Intention ist relativ simpel: die Darstellung einer authentischen Meinung in Zeiten weltweiter Dauerhysterie. Das bedeutet nicht, im Besitz einer allgemeingültigen Wahrheit zu sein, sondern Dinge möglichst objektiv zu beurteilen, sofern man mit offenen Augen seinen täglichen Dienst verrichtet. Kurz zu meinen Eckdaten: Schutzpolizist in einer deutschen Großstadt, diverse Jahre Diensttätigkeit in sogenannten „Brennpunktvierteln“ und aufmerksamer Beobachter von Entwicklungen, die die Arbeit eines „Streifenbeamten“ unmittelbar beeinflussen.
Welche Begriffe fallen Menschen als erstes ein, wenn sie sich mit dem Berufsinhalten eines Polizisten auseinandersetzen? Ich denke, die meistgenutzten Adjektive dürften hierbei „spannend“, „abwechslungsreich“, „fordernd“ oder „gefährlich“ sein. Zuallererst sei jedoch gesagt, dass der Beruf des Polizisten zu einem sehr großen Teil Schreibarbeit bedeutet. Nahezu jede Tätigkeit, die im Streifendienst ausgeführt wird, muss verschriftet und dokumentiert werden, sei es der harmlose Streit zwischen zwei Bürgern, ein Verkehrsunfall oder Verbrechen wie Raubdelikte.
Die Inhalte dieser Berichtsfertigungen verbinden den ermittelnden Polizeibeamten zwangsläufig mit den unterschiedlichsten Institutionen. Staatsanwaltschaften, Gerichte, Ordnungsämter, Jugendämter, Ausländerbehörden, um nur einige zu nennen. Ich könnte Ihnen nun eine Vielzahl von Geschichten über die Kommunikation und Zusammenarbeit mit den genannten Behörden erzählen, belasse es aber bei prägnanten Beispielen für die Irrungen und Wirrungen, denen ein Polizist ausgesetzt ist.
Wenn eine Strafanzeige von einem Polizisten gefertigt wurde, wird diese nach Beendigung der polizeilichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zur weiteren Bearbeitung zugesandt. Hier entscheidet sich, vereinfacht ausgedrückt, ob eine Strafsache in Abstimmung mit den zuständigen Gerichten eingestellt oder vor Gericht verhandelt wird.
„Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“: Strafanzeige oft sinnlos
Wenn man, wie ich, in einem sogenannten „Brennpunktviertel“ arbeitet, kommt es regelmäßig vor, dass ein Delinquent (zum Beispiel nach einem Diebstahldelikt), aggressiv gegenüber den aufnehmenden Beamten auftritt. In diesem Rahmen kommt es dann häufig auch zu Widerständen oder tätlichen Angriffen auf Vollstreckungsbeamte und/oder Beleidigungen gegenüber diesen. Nach Abarbeitung des Einsatzes beginnt für die eingesetzten Beamten ein gefühlt ewig währender Schreibmarathon, bis der Bericht letztlich an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wird. Der Täter ist derweil meist schon längst wieder auf freiem Fuß.
Hierzu eine kleine exemplarische Anekdote: Ein Straftäter hatte zunächst ein geringwertiges Diebstahldelikt (nicht über 50 € Sachwert) begangen. Bei der Bearbeitung des Sachverhalts leistete die Person darüber hinaus erheblichen Widerstand. Nach abermaliger, langer Berichtsfertigung erhielt ich dann nach geraumer Zeit (mehrere Monate) einen Brief von der zuständigen Staatsanwaltschaft, dass das Widerstandsdelikt in Anbetracht der höheren Strafe bezüglich des zuvor begangenen Diebstahldeliktes (wohlgemerkt geringwertig!) eingestellt wird. Der geneigte Leser hier auf achgut wird wahrscheinlich wissen, dass die Strafe bei einem geringwertigen Diebstahlsdelikt denkbar niedrig ausfällt, sofern denn überhaupt eine ausgesprochen wird. Für den Polizeibeamten ist es aber gut zu wissen, dass aggressive Handlungen ihm gegenüber für die Staatsanwaltschaft bzw. die Gerichte noch weniger von Belang sind. In diesem Zusammenhang möchte ich ebenfalls erwähnen, wie verblüfft ich immer bin, wenn in einer polizeilichen Kontrolle Personen vor mir stehen, die in kürzester Zeit mehrere Raubdelikte begangen haben…
Diese Erfahrungen sind für Polizisten Alltag und führen dazu, dass viele Beamte, ob des erwarteten Aufwandes in Verbindung mit der erwarteten Einstellung des Verfahrens, von einer Strafanzeige hinsichtlich des „Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte“ absehen. So viel zur medial von sogenannten „Polizeiexperten“ kolportierten Einschätzung, dass viele Polizisten schuldlose Bürger mit Strafanzeigen überziehen. Im Übrigen lässt dieser Hintergrund auch die meist opportunistisch geäußerten Forderungen seitens der Politik, nach Großereignissen (z.B. G20) mit Nachdruck Gewalttaten gegen die Polizei zu verfolgen, in einem anderen Licht erscheinen. Nach spätestens einer Woche sind diese Forderungen aber ohnehin natürlich längst vergessen.
Beamte als Zeugen vor Gericht
Hin und wieder kommt es infolge einer polizeilichen Strafanzeige dann doch mal zu einem Gerichtsverfahren, in welchem ein Polizeibeamter als Zeuge geladen wird. Leider sind auch diese Termine nicht frei von verwunderlichen Situationen. Wie ich bereits oben erwähnt habe, sind bei der Bearbeitung einer Strafanzeige oftmals mehrere Beamte, speziell bei größeren Sachverhalten, involviert. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Beamten, die zuerst vor Ort waren, am meisten über den Sachverhalt sagen können und somit auch den Hauptteil des Berichtes fertigen. Zum Tatort hinzugekommenen Beamten bleibt dann meist die Aufnahme und Fertigung von Zeugenaussagen, der Transport des vermeintlichen Täters zur Polizeistation (der ebenfalls dokumentiert werden muss) oder die Bearbeitung von Asservaten. Jede Handlung wird verschriftet und von den jeweiligen Beamten unterzeichnet.
Immer wieder kommt es jedoch vor, dass bei einem Gerichtstermin diejenigen Beamten geladen werden, die nur kleine Teilbereiche des Gesamtberichts geschrieben haben und zur Strafsache am wenigsten oder gar nichts aussagen können. Das führt dann dazu, dass der zuständige Richter bzw. der anwesende Staatsanwalt einen verdutzt anguckt, wenn man offenbart, zu seinen gestellten Fragen nichts oder nur wenig sagen zu können.
Was sich nun eventuell lustig anhört, ist meiner Meinung nach ein kapitaler Fehler im System. Die Gerichte sind hinsichtlich der Verfahren massiv überlastet (vor allem Amtsgerichte), sodass die Verhandlung einer Strafsache oftmals in kürzester Zeit und am gleichen Tag erfolgen muss. Wenn nun ein Beamter geladen ist, der zum Sachverhalt, wenn überhaupt, kaum etwas sagen kann, bedeutet das, dass die Ladung eines kundigen Beamten in der Schnelle nicht zu leisten ist und das Verfahren im Zweifelsfall eingestellt wird, da nicht genügend Beweise gegen den Angeklagten erhoben werden können. Sie, liebe Leser, mögen jetzt einwerfen, dass ja der gesamte polizeiliche Bericht und die darin enthaltenen Ermittlungen vorliegen. Vor Gericht gilt jedoch der Grundsatz, dass das gesprochene Wort immer höher wiegt, und diese Umstände sind für findige Anwälte ohnehin eine Vorlage, um die Anklage genüsslich zu zerpflücken.
Aggressive Anwälte nehmen Polizisten ins Visier
Diese Erfahrungen sind für mich erschütternd, da das deutsche Rechtswesen nichts höheres als die Gerichte kennt und hier die Akzeptanz für den Rechtsstaat und das demokratische Zusammenleben steht und fällt. Über die Hintergründe, wie es zu solchen Situationen kommt, kann ich nur spekulieren. Ein Grund dürfte die beschriebene massive Belastung der Gerichte hinsichtlich der großen Zahl von Verfahren sein. Aber ist es denn zu viel verlangt, für einen kurzen Moment genauer in den Bericht reinzuschauen und nicht wahllos den Namen eines Beamten, der an diesem Sachverhalt nur am Rande beteiligt war, auszuwählen? Oder ist lediglich die Abarbeitung des Aktenberges wichtiger als eine wirkliche Befassung mit den Sachverhalten? Wenn man als Zeuge vor Gericht geladen ist, muss man sich als Polizeibeamter darauf einstellen, von dem Verteidiger des Angeklagten harte Fragen in teilweise unangemessenen Ton gestellt zu bekommen. Das finde ich jedoch völlig in Ordnung, gehört es doch quasi zu der Jobbeschreibung eines Anwalts. Ebenfalls ist man als Polizeibeamter ein „Berufszeuge“ und man sollte sich dementsprechend auch auf unangenehme Fragen gefasst machen, das gehört dazu.
Auffällig ist für mich jedoch oftmals, wie Richter und auch Staatsanwälte sich von aggressiven Anwälten einschüchtern und sich von ihnen die Agenda diktieren lassen. Wie bereits zu Anfang dieses Artikels beschrieben, ist es für einen Polizisten in einer Großstadt nichts Unübliches, im Dienst beleidigt zu werden. Aus dem Konglomerat der netten Worte sind in meiner Dienstzeit bisher die Titulierungen „Nazi“,und „Rassist“ am gebräuchlichsten. Oftmals „überhört“ man diese Beleidigungen, um die Personen, die diese Aussagen tätigen, nicht unnötigerweise aufzuwerten. Je nach Situation (vor allem bei einer großen Zuhörerschaft) ist es allerdings unabdingbar, eine Beleidigungsanzeige gegen den Provokateur zu fertigen. Auch hier verlaufen die Anzeigen zumeist im Sande. In wenigen Fällen wird man aber doch mal als Zeuge zu Gericht geladen, um zu der getätigten Anzeige Stellung zu nehmen. Der Verlauf des weiteren Geschehens ist dann stark abhängig davon, was für eine Person auf der Anklagebank sitzt.
Wenn es sich hierbei beispielsweise um eine Person aus einer bestimmten politischen Richtung handelt, kann man sich auf eine „heiße“ Verhandlung einstellen, da der Verteidiger in aggressiver Weise nichts unversucht lassen wird, um die Geschehnisse umzudeuten. Das ist, wie bereits erwähnt, das gute Recht des Anwalts, allerdings geht es dann nicht mehr um das eigentliche Beleidigungsdelikt, sondern es wird das Agieren des Polizisten vor der Beschimpfung infrage gestellt. Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben, um das zu versinnbildlichen: „Der Polizist hat Person xy aus rassistisch motivierten Gründen kontrolliert. Deshalb war es für meinen Mandanten quasi eine Art Bürgerpflicht, diese Kontrolle zu stören und dem Polizisten sein Handeln in markigen Worten mitzuteilen.“
Wie vor einem Tribunal
Man mag jetzt erwarten, dass die Staatsanwaltschaft und/oder der Richter die Ausführungen des Verteidigers mindestens hinterfragen; darauf kann der Polizist in den meisten Fällen aber lange warten. Trotz Einwände des Beamten sehen Staatsanwalt/Richter oftmals keine Notwendigkeit, den immer aggressiver auftretenden Verteidiger zur Räson zu bringen (ich werde jetzt NATÜRLICH nicht fragen, ob da eine gewisse Analogie in den Gedanken vorherrscht). Kollegen erzählen mir immer wieder, dass sie sich wie in einem Tribunal vorkamen und der eigentliche Grund des Verfahrens, die Beleidigung, letztlich gar keine Rolle mehr spielte. Sie können sich sicher vorstellen, wie solche Strafprozesse am Ende ausgehen und dass der Polizist nicht gerade motiviert aus solchen Sitzungen herausgeht. Auch der Angeklagte dürfte daraus so seine Schlüsse ziehen.
Ich habe jetzt nur die Vorgänge bei einem Beleidigungsverfahren geschildert, wie die Verhandlungen bei höherwertigen Delikten (und vor allem hochpolitischen Themen) aussehen, können Sie sich nun sicher denken… Bei Gerichtsverfahren sind im Normalfall die Geschädigten und weitere Zeugen des jeweiligen Sachverhalts vorgeladen.
Wenn man als Polizist auf die Personen achtet, die in den Gerichtssaal hineingerufen werden, erkennt man, dass vielen Menschen die Situation natürlich fremd ist und sie nahezu ängstlich eintreten. In dem Saal treffen sie dann oftmals auf die beschriebene „Aggressiver-Anwalt-und-zurückhaltender-Richter“-Konstellation. Dies führt zwangsläufig dazu, dass sich die Zeugen zurückziehen und eingeschüchtert die Fragen nur unzureichend beantworten. Ich habe schon erlebt, dass Zeugen aus dem Saal kommen und angeben, dass nächste Mal „lieber nichts gesehen zu haben“. Die unmittelbare Folge ist, dass gerichtliche Verfahren in eine bestimmte Richtung gedrängt und dadurch konterkariert werden. Auch wenn es sich plakativ anhört und von vielen Personen als „Totschlagargument“ benutzt wird: Auch ich habe das Gefühl, dass einige Richter sich viele Dinge, die „auf der Straße“ passieren, nicht vorstellen können und dies von einem abgebrühten Anwalt gekonnt ausgenutzt wird.
Richter und Staatsanwälte sind gefordert
Aus der Sicht eines Polizisten wäre es dringend geboten, dass Richter und auch Staatsanwälte in regelmäßigen Abständen die Polizei begleiten. Nicht, um die Gewaltenteilung zu unterminieren oder die Sicht der Polizei zu übernehmen, sondern um Geschehnisse real zu erleben und nicht lediglich abstrakt auf einem Blatt Papier zu lesen.
Das würde die Autorität sowie die Handlungskompetenz eines Richters bzw. Staatsanwaltes und damit einhergehend auch die des Gerichts deutlich erhöhen. Idealvorstellung: Ein entschlossener und standhaft auftretender Richter und/oder Staatsanwalt, der eine harte Verhandlung zwar zulässt, aber den Verteidiger notfalls auch in die Schranken weist, wo es geboten ist. Ergänzend sei gesagt, dass einige Richter und Staatsanwälte dies bereits tun, trotz zeitintensivem Berufsinhalt. Eine größere Verbreitung wäre jedoch aus polizeilicher und wohl auch aus Sicht der Bürger sehr begrüßenswert.
Lesen Sie morgen: Erfahrungen mit Migranten.
Teil 2 finden Sie hier.
Teil 3 finden Sie hier.
Der Name des Autors wurde von der Redaktion geändert.