Die Petition 2018 steht jetzt – nachdem sie vom Petitionsausschuss ordnungsgemäß angenommen wurde – auf der Seite des Bundestages zur Verfügung, wo sie alle bisherigen Unterzeichner noch einmal elektronisch unterschreiben sollen, damit alles seine Ordnung hat. Außerdem können auch alle Bürger unterzeichnen, die bisher noch nicht dabei waren. Auch eine Unterzeichnung ohne Angabe der Adresse ist möglich.
Das etwas umständliche Verfahren besitzt zwei Vorteile: Erstens handelt es sich um die offizielle Seite des Bundestages. Und wir wollen einmal hoffen, dass hier keine Warnhinweise emsiger Gutkämpfer im Netz auftauchen, die Seite sei nicht sicher respektive sogar schadsoftwareverseucht – das nämlich hatten anonyme Gesichtzeiger über die Seite der Erklärung 2018 im Netz verbreitet. Worauf die Unterschriftenzahlen tatsächlich zurückgegangen waren. Sollte es jetzt noch ähnlich gelagerte Störaktionen geben, dann werden sich das Bundesamt für Informationssicherheit und die Polizei des Bundestages (es gibt eine eigene Wache) sicherlich engagiert der Pflicht widmen, die Verursacher dingfest zu machen.
Der zweite Vorteil liegt auf der Hand: die Initiatoren der Erklärung und Petition 2018 müssen sich nicht mit den Konsequenzen der Datenschutzgrundverordung herumschlagen. Mit dieser weiteren hilfreichen EU-Verfügung haben sie schon als Publizisten genügend Aufwand und Kosten.
„Wir schaffen das“
Auf die Bestätigungsmail des Bundestagsservers muss ein Unterzeichner unter Umständen lange warten. Aber nach den bisherigen Meldungen kommt sie Stunden später tatsächlich. Faxe dringen deutlich schlechter durch. Als die Initiatoren der Petition kürzlich beim Petitionsausschussvorsitzenden Marian Wendt (nicht verwandt mit dem Autor) vorstellig wurden und fragten, ob IT und Faxgeräte des Bundestages auf die Massenpetition auch technisch vorbereitet seien, antwortete er sinngemäß: „Wir schaffen das.“
Deshalb war es auch gut und richtig, erst einmal 165 000 Unterschriften privat organisiert zusammenzutragen, also in dem Gebiet der Gesellschaft, auf das die Digitalkanzlerin ihre Segenshand noch nicht vollständig gelegt hat. Dass es in diesem Land und erst recht außerhalb schnelle Rechner und gute Server gibt, außerdem überhaupt so etwas wie ein Netz, in dem freie Publizisten so viele Leser erreichen wie Tageszeitungen, und in dem sie ganz ohne Parteien und Massenorganisationen und Torwächter Politik machen können: Auf diesen Skandal hatte kürzlich Kulturstaatsministerin Aleksandr Lukaschenko Monika Grütters (CDU) im Tagesspiegel hingewiesen, und zwar mit dem Satz: „Offensichtlich ermöglicht das Internet derzeit mehr Freiraum, als die Demokratie vertragen kann.“
Für die gelenkte Demokratie gilt das allemal, für sehr gelenkte Volksdemokratien galt es seinerzeit selbstverständlich. Die DDR-Oberen wussten schon, warum in ihrem Schrebergärtchen nur ganz wenige zuverlässige Bürger Telefon haben durften. Die Überwachung mit Aug’ und Ohr war nämlich doch nicht so dicht, wie es immer hieß. Das leuchtet auch sofort ein, wenn man bedenkt, mit welchen drei Alugroschen sich Anetta Kahane damals für ihre Arbeit begnügen musste, und wie das Salär heute ausfällt.
Übrigens sammelten sich trotz aller Schikanen schon am ersten Tag unter der Petition 2018 mehr als 12 000 Unterschriften. Technischer Widerstand erhöht eben den Trotz. Manche kennen es vielleicht noch aus dem Land, aus dem Angela Merkel und Anetta Kahane stammen, andererseits aber eben auch Vera Lengsfeld, Uwe Tellkamp, Michael Klonovsky und der Autor: man warf das Zwanzigpfennigstück immer wieder in den Telefonzellenschlitz und wählte neu. Irgendwann drang man durch.
Dieser Beitrag erscheint auch auf Alexander Wendts Publico