Wolfgang Hildesheimer hat in den frühen fünfziger Jahren einen Roman geschrieben, der hieß: Paradies der falschen Vögel. Er handelt von Ayax Mazyrka, dem „procegovinischen Rembrandt“, einem fiktiven Kunstfälscher. Aber wie hausbacken ist dieser Ayax Mazyrka des Nachkriegsromans gegen Wolfgang Beltracchi, den ganz realen Fälscher, der jetzt in Köln vor Gericht steht. Hildesheimer schrieb eine bescheidene Satire auf die wackelige Moral der frühen Jahre. Beltracchi ist ganz zweites Jahrtausend: Wenn schon fälschen, dann volle Kanne. Dann ist die Million die kleinste Währung.
Der Fortschritt, auch im Gaunerwesen, ob fiktiv, ob real, ist unaufhaltsam. Mir ist der bescheidene alte Romanheld Mazyrka sympathischer als der moderne Multimillionenfälscher Beltracchi. Und doch, und doch: Wer muss nicht schmunzeln, wenn ein begnadeter Kunstfälscher der gesamten hoch mögenden Kunstwelt ein X für ein U, beziehungsweise einen schnöden Beltracchi für einen Max Ernst vormacht und allein dabei fünf Millionen absahnt. Mich amüsiert es jedenfalls, die Damen und Herren Experten wie Kaiser ohne Kleider dastehen zu sehen.
Allerdings hat kein naiver Junge die Nacktheit der pompösen Kenner erkannt. Im Zentrum der Affäre steht ein ausgewachsener Gauner. Und der Ordnung halber sei hier gesagt: Betrug ist Betrug und kann nicht unbestraft bleiben. Aber Wolfgang Beltracchi ist eben auch ausgesprochen tüchtiger Maler. Man muss schon etwas können, will man die Großen der Kunst mit Farbe und Pinsel so erfolgreich reanimieren.
Bei einigen Werken der modernen Kunst ist man sich nicht mehr so sicher, wie es um das Handwerkliche steht. Bei einem Fälscher hingegen kann man ganz sicher sein: Der versteht sein Handwerk. Wenn ich die Wahl hätte zwischen einer Fälschung von Beltracchi und dem einen oder anderen Gegenwartswerk, ich würde glatt den Beltracchi nehmen.
Wenn ich ihn mir leisten könnte. Das ist ja die andere Seite der Geschichte: Die Wahnsinnsbeträge, die heutzutage an der Art-Börse bezahlt werden. Das Ganze hat absurde Proportionen angenommen. Es ist eine Platitude, aber ich erinnere einfach mal daran, was für ein armes Schwein zum Beispiel der Millionenbringer van Gogh war. Ich weiß nicht, ob der heutige Kunstmarkt eine Blase ist. Aber aufgeblasen ist er bestimmt.
Im Übrigen: Wenn Betrüger, dann doch lieber einer, der grandiose Kunstexperten übers Ohr haut, als einer, der alte Leute um ihr Erspartes bringt. Ich wünsche Wolfgang Beltracchi jedenfalls, dass der Prozess nicht gar zu schlimm für ihn ausgeht.