Roger Letsch / 31.03.2021 / 11:00 / Foto: Superbass / 63 / Seite ausdrucken

Palmers Öffnungs-Versuch und die Schadenfreude

Zur Strategie von Boris Palmer in Tübingen, möglichst viele Geschäfte und Restaurants wieder zu öffnen und Sicherheit durch massenhafte Tests herzustellen, kann man ja unterschiedlicher Auffassung sein. Palmers Ziele jedoch sind klar und zu begrüßen: Er möchte, dass die Stadt, deren Bürgermeister er ist, vor dem Ruin und deren Bewohner vor dem Wahnsinn bewahrt werden. Dazu gehört eben mehr, als die Bürger einfach einzusperren, wie es Lauterbach, Merkel und viele jener aus dem Wirtschaftskreislauf Gefallener fordern, deren Wohlbefinden nicht von Handel, Kultur und Dienstleistungen abhängt, sondern von Fördermitteln, Diäten oder GEZ-Erhöhungen.

Außerdem muss man fragen: Was habt ihr denn eigentlich erwartet, ihr schlauen Öffnungsorgienkritiker? Die Positivrate beim Testen liegt (falsch positiv inbegriffen) deutschlandweit derzeit bei etwa 7 bis 8 Prozent. Wer mehr testet, bekommt zwangsläufig mehr positive Ergebnisse. Wer viel an einem Tag testet, bekommt am Folgetag eine „hohe Inzidenz“.

In Tübingen ist die Inzidenz schon aufgrund der nun massenhaft durchgeführten Alltagstests eine komplett sinnfreie Kennzahl, was diese Kenngröße, nebenbei bemerkt, wahrscheinlich ohnehin und überall ist. Ehrlich gerechnet sind in diesem Land derzeit überall und zu jeder Zeit unter 100.000 Einwohnern jeweils bis zu 7.000, deren Test positiv wäre oder ist. Die meisten bekommen davon offensichtlich nichts mit. Außer in Tübingen, wo viele von ihrer „Erkrankung“ erfahren, weil sie morgen einkaufen gehen wollen. Das mag der Statistik „schaden“, hilft aber in Sachen gefühlter Sicherheit der Bürger und Notlage der Geschäfte.

Bei der Frankfurter Rundschau sieht man dies offenbar ganz anders. "Tübinger Corona-Modellprojekt: Palmer scheitert – schuld sind wieder die bekannten Feindbilder." Rechnen und klar denken gehört nicht zu den Stärken des Blattes, aus der Beinahe-Verdopplung der Tübinger Inzidenz (von 35 auf 67) wird ein Armageddon herbeiphantasiert und auch sonst munter ausgeteilt. Allerorten sammelt sich nun der Hygienemob und kippt die Sagrotanfläschchen auf Palmer.

Öffnung probieren statt Zahlen jonglieren

Wie wäre es stattdessen mal mit diesem Blickwinkel: Wenn Städte wie Tübingen nicht mit Versuch und Beispiel vorangehen, wenn sich also nicht wenigstens ein kleiner Teil der lokalen Politik traut, mal etwas anderes als Zahlenjongliererei und Panikmache zu versuchen, also ein kalkuliertes Risiko eingeht, statt nur stumpf auf das zu starren und zu hoffen, was die Regierung von oben herab befiehlt, können wir das Land gleich beerdigen.

Statt wie im sprichwörtlichen Krabbenkorb durch gegenseitiges Herunterziehen, Bedrohen und Denunzieren dafür zu sorgen, dass niemand der politischen Corona-Diktatur dieses Hygienestaates von Muttis Gnaden entkommen kann, sollten wir Tübingen und Boris Palmer die Daumen drücken, auch wenn es mir persönlich angesichts der Partei, für die Palmer steht, den einen oder anderen Stich versetzen mag.

Mir wäre es aber auch recht, wenn ein Grüner, den ich nie wählen würde, einen Weg aus der politischen Sackgasse aufzeigte, in die wir blind und dumm hineinregiert wurden. Wenn ich seine Corona-Politik auch begrüße, muss ich ja nicht gleich seinen Klimafimmel umarmen. Lasst den Mann machen! Überlasst es den Tübingern, über seinem Experiment den Daumen zu heben oder zu senken und senkt stattdessen lieber den Daumen über der FR.

Wenn Tübingens Experiment gelingt, werden es die kleinen Unternehmen, die Gastwirte und die prekär Beschäftigen sein, denen Palmer die Existenz rettet. Einst war dies mal das erklärte Stammklientel sozialdemokratischer Politik und damit auch der FR. Was für ein Hetzblatt ist nur aus diesem Medium der einst stolzen Sozialdemokratie geworden!

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs „Unbesorgt".

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Leserpost

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Petra Wilhelmi / 31.03.2021

Wenn Palmer wirklich ein richtiges Ziel hätte, dann müsste er vehement gegen die Testerei sein. Er müsste sich Verbündete im Querdenker-Bereich suchen. Aber da hat er keine Traute dazu. Seinen spleenigen Vorschlag mit der Mulittesterei hat schon andere auf den Plan gerufen. Lidl/Kaufland wollen auf ihren Parkplätzen Testcentren errichten, wo sich jeder kostenlos testen lassen kann, wie dem Teletext zu entnehmen ist. DAS IST EIN VERDAMMTER TESTIRRSINN. Damit ist Palmer durch die Hintertür sogar noch Zuträger für die Merkelregierung und dem Virengott Drosten, die eigentlich alles ganz schließen wollen. Weshalb wohl soll soviel getestet werden? Palmer, wenn er noch alle Sinne beisammen hat und lesen kann, weiß doch auch, dass der Test keinerlei Beziehungen zur wirklichen Infektion hat, wenn es überhaupt solche jetzt im Frühjahr noch nennenswert gäbe. Der Massentest ist doch nur da, um diesen unnatürlichen Zustand, den wir jetzt in der Gesellschaft haben, weiter anheizen zu können. Man benutzt ihn, um die Bevölkerung noch mehr zu spalten und sie zu willigen Befehlsempfängern machen zu können. Teste dich oder du verhungerst - im Extremfall. Letztendlich folgt er dem, mit kleinen Ausnahmen, was linksgrüne Politik vorgibt. Durch sein Handeln versucht er sich bei den Bürgern einen guten Namen zu machen, damit sie vergessen, was er alles an linksgrüner Politik zum Nachteil der Bürger unterstützt. Er scheint einen guten Spin-Doktor zu haben.

F.Bothmann / 31.03.2021

Nochmal zur Erinnerung: Anzeigewert (Inzidenz) 100 bedeutet, dass für 99,9% keine (positive) Aussage gemacht werden kann. Also 99,9% der Menschen haben wohl keine Covid-X und sind wohl auch nicht krank. Von den 100 positiv getesteten sind ebenfalls die aller wenigsten irgendwie krank. Das ist also eine gigantische Hysterie. // Herr Laschet meint ich soll einen negativen C-Test haben, bevor ich hier in ein Geschäft gehen kann, wenn es nicht ein Lebensmittelgeschäft ist. Hat der nicht mehr alle? Will der die Städte richtig kaputt machen? Ich werde diese dummblöde Testerei keinesfalls mitmachen.

Maria Dreiling / 31.03.2021

Nein - Palmer wird sich nicht irre machen lassen und Palmer wird auch sein Rückgrat behalten. Und es ist gut, daß es einen gibt, auf den ganz Deutschland mit dem Finger zeigen kann. Es ist sehr gut, daß es ein Grüner ist - dann darf er das machen und wird trotzdem nicht gelobt, aber auch nicht aus dem Verkehr gezogen. Er darf das machen und die Inzidenzen werden nur bis zu einer bestimmten Zahl steigen. Bestimmte Leute haben in diesem Land etwas Narrenfreiheit. Und anderen Landräten wird besonders auf die Finger gekuckt. Wie irrsinnig Testen ist, beweist der Landkreis GREIZ in Thüringen: bei 97.400 Einwohner zusätzlich 2 Testbusse (macht über 70 für Berlin), bei 97.400 Einwohner stehen dem Kreis in der 10. KW etwa 1.500 Testungen (1,2 Mio. in D) zu. Wenn dieser Landkreis eine Inzidenz von 609,9 (heute) hat, hieße das: jeder 2,5te ist positiv - oder vielleicht - durch Herde immun? Wie stellt man eigentlich fest, wer positiv getestet =  KRANK oder “durch Herde immunisiert”  = hervorragend gesund ist? Könnte es sein, daß - durch “Herde Immunisierte” -  mittlerweile positiv getestet und in Quarantäne gehen müssen? In diesem Lande ist derzeit alles möglich.

Christoph Kaiser / 31.03.2021

Oder noch einen: “Impfen aussetzen, weil Thrombosefälle bekannt geworden sind!”.......... will heißen: Verdammt, das es bekannt geworden ist! Wir müssen besser aufpassen, das dies nicht geschieht…....... hahahaha….....

Christoph Kaiser / 31.03.2021

Mein neuer Lieblingsbegriff: “Anlassloses Testen!”............ Also Testen, obwohl es keinen Anlass gibt…......... hahahahaha…........

Dominik Langer / 31.03.2021

Erst einmal müsste man ja festlegen, wen man bisher getestet hat und wen man jetzt testet. Die Positivrate sagt auch nur bedingt etwas über das Geschehen aus. Ich will dem Verfasser nichts unterstellen, aber 7% der Deutschen wären bestimmt morgen nicht “positiv”, wenn man es irgendwie schaffen würde, sie alle zu testen. Die Positivrate wird merklich (haha) davon beeinflusst, welche Personen getestet werden. Teste ich fast ausschließlich Personen, bei denen ich eine Infektion bereits vermute, habe ich theoretisch eine Positivrate, die Richtung 100% geht. Teste ich dagegen einfach willkürlich und massenhaft, sinkt damit die Positivrate mit hoher Wahrscheinlichkeit. Wie es aktuell ist, weiß ich nicht, weil es dazu ja keine Infos gibt oder diese sich jeden Tag verändern, aber ich glaube, man testet aktuell vor allem “symptomatische” Personen und deren nächste Kontakte. Dass man hier “nur” auf 7% kommt, ist eigentlich schon erstaunlich. Was Palmer (und wir alle vllt. bald leider) dagegen macht, mag auf den ersten Blick Sinn ergeben: Man testet einfach “alle” per Schnelltest, um die “Infizierten” (die oft keine Infizierten sind) zu finden und dem Rest Sicherheit zu bieten. Dass der Schnelltest laut RKI und Lauterbach aber nun zu irgendwas zwischen 10 und 60% (wer weiß das schon, heute so, morgen so) unzuverlässig ist, wird dabei gekonnt ignoriert. Ich habe also einerseits Personen, die positiv sind, obwohl sie negativ sind (ca. 2% aller Tests nach Angaben des RKI). Andererseits habe ich deutlich mehr Personen, die negativ getestet werden und sich somit “frei” bewegen können, die aber doch “positiv” sein könnten (Lauterbach beziffert dies ja auf 40-60% oder so, ich müsste den genauen Wert nochmal finden, aber wen juckt’s bei so hohen Werten?!). Ich sperre also einerseits gesunde Menschen weg, während “Superspreader” die Gesellschaft verpesten. :P Na ja, jedenfalls eins ist klar: Wer blanko-testet, erhöht sich auch die “Inzidenz”, dennoch muss man die Daten genau erfassen

Steffen Lindner / 31.03.2021

Nein,Herr Letsch,der “Tübinger Weg” ist kein Weg a u s der Sackgasse ,sondern ein Weg i n die Sackgasse der"Neuen Normalität” der künftigenTest-und Impfsklaverei! Ein richtiger Ausweg wäre,endlich standardisierte Testverfahren nur bei symptomatischen Patienten statt bei Gesunden einzufordern sowie repräsentative Studien zur Klärung der tatsächlichen Inzidenz der E r k r a n k t e n durchzuführen,anstatt sinnlose tägliche Zahlenmeldungen grösstenteils falsch positiver Tests-die jetzt vorhersehbar durch die Massentests auch in Tübingen steigen-zur Grundlage gesundheitspolitischer Entscheidungen zu machen.  Aber das ist wohl politisch nicht gewollt.

Volker Kleinophorst / 31.03.2021

Testen, testen, testen… Meine Oma: Wer viel fragt, kriegt auch viel Antwort.

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