Roger Letsch / 16.01.2022 / 14:00 / Foto: Imago / 59 / Seite ausdrucken

Niemand hatte die Absicht, eine Impfpflicht zu errichten

Omikron ist für Politiker und ihre Helfer äußerst praktisch. Es kann zur Begründung für und gegen eine Impfpflicht herhalten, und Alena Buyx, die Vorsitzende des Ethikrates, nutzt das gern aus.

Im November klang Alena Buyx, die Vorsitzende des Ethikrates bei Lanz noch so: „Diese freie Entscheidung, sich nicht zu impfen, die hat eben Effekte auf uns alle. […] Das, was man jetzt machen muss, ist, dass man schrittweise schaut, dass man es so grundrechtsschonend wie möglich hinkriegt, aber dennoch genug Maßnahmen einführt. Und da muss man die sozusagen schrittweise hocheskalieren.“ Nicht nur Henryk Broder war entsetzt angesichts dieser mechanistischen Sprache, die einer Anleitung zum Machtmissbrauch gleichkam. Dies war nun die Zeit, in der die Regierungsparteien sich darauf versteift hatten, die Impfpflicht einzuführen, was sie noch vor der Wahl kategorisch ausgeschlossen hatten. Es stellt sich die Frage, was zuerst da war: Der Wille der Politik oder die Analyse des Ethikrates? Ethik, so lernen wir neuerdings aus der Tätigkeit dieses Gremiums, ist in Deutschland etwas Weiches, Flexibles. Es fungiert als Kitt, der sich in den klaffenden Spalt zwischen Grundrechten und Regierungshandeln schmiegt.

Im Dezember jedenfalls gab der Buyx-Club eine klare Empfehlung für die Impfpflicht ab. Doch nun ändert er plötzlich die Richtung. Das sei ja weniger eine Empfehlung gewesen als vielmehr die „Analyse relevanter Fragen“. Zu betonen, dass Entscheidungen von der Politik und nicht vom Ethikrat getroffen werden müssen, ist so überflüssig wie der Hinweis, in welche Richtung die Erdanziehung wirkt. Das war schließlich schon immer so. Wozu also diese Ausflüchte? Man wollte doch nur eine „Gewissensschärfung“ befördern, so Buyx Anfang Januar in der BZ. Die Frage ist, bei wem? Der Volksmund hat für derlei Ethik-Akrobatik einen Begriff: moralische Erpressung. Denn genau so kam die Empfehlung bei vielen an. Zurückrudern ist in Deutschland jedoch olympische Disziplin, und weil die Politik dies in Sachen Impfpflicht seit Wochen fleißig tut, muss der Nachen des Ethikrats am Schlepptau folgen. Man relativiert die eigene Empfehlung zur Impfpflicht.

Wenn der Ethikrat kräht auf dem Mist, ändert sich die Politik oder bleibt, wie sie ist

Solch eine Entscheidung zur Impfpflicht müsse natürlich „revisionsoffen“ sein (Buyx am 13.1. bei n-tv). Geschrieben sei die Empfehlung des Ethikrates noch mit Blick auf Delta, so die Begründung des Sinneswandels. Nun sei die Lage mit Omikron natürlich eine ganz andere. Die Begründung des Buyx’schen Sinneswandels ist allerdings nicht ganz ehrlich, wie Norbert Häring feststellte. Die Empfehlung im Dezember zur Ausweitung der Impfpflicht enthielt nämlich sogar wörtliche Bezüge auf „ansteckendere Varianten“ wie Omikron und wurde ausdrücklich aufgrund von Omikron abgegeben. Nicht Delta, Omikron-Panik lag in der Luft!

Was ist dieses Omikron doch für ein praktisches Teilchen! Es kann zur Begründung für und gegen eine Impfpflicht herhalten, je nachdem, wie es der Politik gerade passt. Und auch als Lackmustest unserer Institutionen ist es nützlich. Es rüttelt und schüttelt und prüft sie auf Tauglichkeit, das Zusammenleben in diesem Land zu fördern, über den Rechtsstaat zu wachen und die Menschen vor unethischen politischen Entscheidungen zu schützen. Der Ethikrat hat diesen Test nicht bestanden, weil er der Versuchung nicht widerstehen konnte, sich der Tagespolitik anzudienen, was nicht seine Aufgabe ist. Die Erkenntnis, dass der Ethikrat offenbar völlig überflüssig ist, verdanken wir Omikron. Dafür kann man ruhig mal „Danke“ sagen.  

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Leserpost

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Rudhart M.H. / 16.01.2022

Dieser Rat definiert sich seine Ethik genau so, wie die WHO sich die Pandemie zurechtbiegt. Ich frage hier schon zum wiederholten Male: Wer hat solchen Tussen die Habilitation bestätigt, wer hat sie gar zu einem Prof. gemacht ? Sie ist nicht allein. Eine Frau Kempfert ist bei der persönlichen Deformierung von Naturgesetzen ebenso fleißig !  Einer Annalena kann man Ihre Dummheit nachsehen , aber wer wissenschaftliche Karriere gemacht hat, der hat auch Prüfer und Fachausschüsse überzeugt. Und jetzt frage man sich bitte, was denn eigentlich mit diesen Koryphäen der Doktorväter im Vorfeld schon schiefgelaufen sein muß? Das ist kein Versehen ! Gerade mal dumm gelaufen, nein, das ist Methode ! Das ist geplant und wird seit mehreren Generationen gezielt betrieben ! Es muß aber endlich wieder einmal echte Leistung im Vordergrund stehen und nicht dieses Geschwurbel von Pseudo-Profs. und Pseudo-Dr.  ! Richtige Wissenschaft muß betrieben werden und nicht diese Scharlatanerie , die langsam schlimmer wird als die mittelalterlich Scholastik ! Weg mit den blödsinnigen Bachelors und Masters! So etwas brauchen wir nicht ! Genauso wenig , wie eine Auditierung der DIN/ISO - Ergüsse und deren Vergötterung, obwohl sich an der Sachlage Nullkommanix ändert! Es braucht wieder einfache und ordentliche Arbeit und eine klare und verständliche Sprache dazu. Das alles hatten wir in Deutschland bereits zu Kaisers Zeiten . Da mußte nix neu erfunden werden. Ein Abitur war damals auch noch eine Reifeprüfung , die den Hochschulbesuch ermöglichte. Heute muß man froh sein, wenn die Absolventen richtig schreiben , lesen und rechnen können ! Nicht umsonst gibt es “Vorbereitungskurse” an Hochschulen !

Uta Buhr / 16.01.2022

Alena Büx oder so ähnlich bedient sich einer derart primitiven Diktion, die ihrer Befähigung, einem Ethikrat vorzustehen, Hohn spricht. Ende der Durchsage.

Mathias Rudek / 16.01.2022

Na ja der Herr Dr. Ulrich Vosgerau hatte ja schon bei indubio beschrieben, wie dieses Personal des Ethikrates sich niedlich duzt und so süß vertraut miteinander ist, daß da kein Blatt Papier mehr dazwischen passt. Diese Katastrophen-Modellierer, die immer daneben lagen, sind ja auch dabei. Die Schüler-Clique, die ihre Einnahmequelle selbstverständlich ausschöpfen möchte, zumindest solange es geht und da darf natürlich kein skeptisches Wort wie z. B von dem Verfassungsrechtler Herrn Dr. Vosgerau fallen, sonst wird er von einer Vorsitzenden Buyx veralbert und gemoppt. Das ist eben der gewaltige Unterschied zu einem Philosophen wie dem Wissenschaftsethiker Prof. Michael Esfeld. Der Ethikrat unter dem Vorsitz dieser Göre Buyx ist komplett überflüssig, kann jetzt endlich weg.

U. Unger / 16.01.2022

Herr Letsch! Mir reicht jedesmal das Foto. Ist wie bei Klaus Kl, zapp.

Martina Bahr / 16.01.2022

@Heiko Stadler: Nee nee, das ist ja viel zu billig! In der Neuauflage des Lastenausgleichgesetzes vom November 2019 (sic!) hat man sich wohl nicht konkret genug geäußert, dieses greift nur dann auf Besitz, wenn die zu bezahlenden plandämischen Folgeschäden auf einer Maßnahme (hier. Spikung) beruhen, die vom Regime eindeutig empfohlen wurden. Dies ist na klar juristisch schwammig, “Pflicht” hingegen ist definitiv eine “Empfehlung”! @Lutz Hermann Warum? Weil auch der dritte Schuss nur drei Monate reicht!

Franz Klar / 16.01.2022

Der intellektuelle Verfall findet nicht nur in den MINT - Fächern statt . Goethe - Fontane - Mann - Stokowski ... Kant - Schopenhauer - Nietzsche - Bükz ....

Dr. Joachim Lucas / 16.01.2022

Ich habe bis heute nicht verstanden, was ein “Ethik”-Rat ist, wozu man diese Marionetten braucht, wo diese Buyx ihre Legitimation her hat? Was die als Ethik verkaufen ist eine Anleitung zur Despotie. Typisch Orwell-Sprech, wie alles, was von diesen ganzen Politdarstellern kommt.

S.Buch / 16.01.2022

Der Deutsche Ethikrat (was soll das „Deutsche“ eigentlich im Namen einer von den linksgrünen Deutschlandhassern initiierten Organisation? —> Rosstäuscherei) ist nichts anderes, als eine der typischen Vorfeldorganisationen der neosozialistischen Einheitsblockparteien. Quasi eine Antifa mit pseudointellektuellem Anstrich, die mit psychischer anstatt physischer Gewalt arbeitet. Auftrag dieses Rats (Rat russisch übrigens: Sowjet) ist es, politische Positionen, hinsichtlich derer die Gefahr erhöhten Widerstandes aus der Bevölkerung droht, mittels Pseudoexpertise zu bekräftigen (initial oder politikbegleitend). Buyx und Konsorten machen also das, was man in der Medienarbeit neudeutsch „Framing“ nennt, altdeutsch: agitieren und propagieren (Agitprop).

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