Nicht alles, was hinkt, ist Journalismus

Was haben wir nicht alles gelernt. Von Hajo Friedrichs das Grundgesetz der Berichterstattung: „Ein guter Journalist macht sich mit keiner Sache gemein, nicht mal mit einer guten Sache.“ Schön, dass sich dies alle zu eigen gemacht haben.

Dazu folgende Richtigstellung:

In Sachen Corona marschieren viele Medien ganz eng an der Seite der Bundesregierung. Sender bekunden Haltung. Da wird dann eingeblendet „Der Norden bleibt zuhause“ (ndr) oder „Der rbb macht Mut“. Wie staatsfern oder staatsnah ist das denn? Es wird doch schon in den Nachrichtensendungen ständig berichtet, was die Regierung denkt, wie sie lenkt und was sie von den Bürgern erwartet. 

Ich habe gelernt: „Hund beißt Mann“ ist normal, „Mann beißt Hund“ dagegen ist eine Nachricht. Wenn ich vor diesem Hintergrund die tägliche Verkündigung der Infizierten-Zahlen sehe und höre… sollte man dann nicht auch täglich die Zahl der Neugeborenen, der Krebskranken, der verunglückten Autofahrer, der Gestorbenen in der „Tagesschau“ oder in „heute“ mitteilen? Warum nicht?

Jeden Tag werden es mehr – aber was wäre daran dann die Meldung? Sinn machte sowas nur, wenn sich daraus Erkenntnisse ableiten ließen. Thema Corona: So lange wir die Zahl der Infizierten nicht haben, wissen wir nichts über die wirkliche Todesgefahr von Corona. Sind es 200.000, wäre die Quote drei Prozent. Wären es aber, wie vom angesehenen Virologen Streeck prognostiziert, zwei Millionen Infizierte, wäre die Todesquote 0,3 Prozent –  etwa so wie bei einer üblichen Grippe. 

Corona ist gefährlich, ohne jeden Zweifel. Aber wie gefährlich? Streecks Pech war es, dass seine Erkenntnisse von Kai Diekmanns Firma storymaschine verbreitet wurden. Damit war Öffentlichkeit sichergestellt, aber einschlägige Kreise hatten Gelegenheit, die Zahlen zu diskreditieren oder gar zu kriminalisieren. Es ging nicht um Wahrheit, sondern nur noch darum, wer öffentlich die Oberhand behält. 

Was ist, wenn Streeck recht hat? 

Hände an die Hosennaht, Maske aufsetzen, Maul halten (bitte keine „Öffnungsdiskussionsorgien“), Anordnungen befolgen, das ist die Erwartung vieler Regierender an die Bürger. Dabei weiß die Politik nicht mehr als wir über die Entwicklung des Virus, und falls ja, sollte sie es sagen. 

Nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich: Als der hinkende Nazi-Propagandist Goebbels zum 1.9.1944 die Schließung aller Theater im Großdeutschen Reich anordnete, passierte Folgendes: Die Theater wurden dicht gemacht, die Schauspieler und Regisseure gingen nach Hause oder an die Front und hielten das Maul. 

Vielleicht braucht der Deutsche jemanden, der die Ansage macht und dem er gehorchen kann. Die aktuellen Umfragen legen das nahe. Frau Merkels Union bei 40 Prozent, die SPD immerhin wieder bei 16 bis 17. Politiker können sich auf die Schulter klopfen. Medien bieten das ideale Theater für Selbstinszenierung. Frau von der Leyen kann vor Kraft kaum laufen und sagt ohne jede Demut, die EU sei „bei der Entwicklung eines Impfstoffs mit einer Milliarde Euro dabei“. Bravo. Was sie nicht sagt: Das Geld stammt von den europäischen Bürgern und Steuerzahlern, bei denen sie sich eigentlich zu bedanken hätte, dass diese es ihr zur Verfügung stellen. 

Was Politiker gern verdrängen: Manchmal ist der Weg vom Helden zum Sündenbock ganz kurz. Ich glaube, dass diese Angst vor dem Tag X politisches Handeln bestimmt.

Die „Bild“-Zeitung druckte diese Woche einen Leserbrief: „Die ganze Corona-Hysterie wird in die Geschichtsbücher eingehen als die größte Fehleinschätzung und Panikmache von Politikern und Wissenschaftlern, seit es Menschen auf dem Planeten gibt.“ 

Was, wenn diese Prognose zutrifft?

Ist sie schon Verschwörungsdenken? Ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich weiß allerdings auch nicht, ob das Gegenteil stimmt, nämlich: Was mir viele Medien darbieten. Zweifle ich, mutiere ich vielleicht zum „Corona-Leugner“, ein Totschlagbegriff nahe dem „Klima-Leugner“? Ist sowas moderner Journalismus? Oder sind das Meinungen aus einer Blase, die zwar sendet, aber nicht mehr weiß, was sie tut? 

Bei einer Demonstration auf dem Berliner Alexanderplatz waren dieser Tage Tausende unterwegs – auch rechte Glatzköpfe, Idioten, Linksradikale, Komplottgläubige – insgesamt aber eine deutliche Mehrheit von eigentlich vernünftigen Menschen. Im Fernsehen wurden die Glatzen und Idioten gezeigt, die Veranstaltung so diskreditiert. Ist das moderner Journalismus? Oder eher der Untergang desselben?

Es gibt auch Krisengewinner. Eine Sendung des rbb-Fernsehens funkelt mehrfach wöchentlich nachts wie ein Solitär. Jörg „Thadeusz“ glänzt mit brillanten Gesprächen. Von der Friseuse bis zum Professor, von der Pflegerin bis zum Filmstar: Höchste Talk-Qualität. 

Leider sind die Quoten schlecht. Warum? Offenbar gibt es zu wenig intelligente Menschen in diesem Land. Das würde manches erklären. 

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Bernhard Idler / 16.05.2020

Ich finde ja gut, wenn ein erfahrener Medienschaffender in seine Reife sich solche Gedanken über die Medien und ihre Staatsnähe und ihre Agitation macht. Aber warum erst jetzt und erst beim Thema Corona? Warum nicht schon längst bei der bis ins Lächerliche geführten Klimakampagne, bei der Entrechtung durch die EU, bei der Masseneinwanderung junger Männer aus archaischen Kulturen, alles erbötigst und unkritisch gefeiert von den Medien? Corona und der Lockdown scheint ein Ventil zu sein, mit dem die Systemmedien mal ein wenig des angesammelten Unbehagens über ihre eigene Selbstunterwerfung des vergangenen Jahrzehnts ablassen.

A. Ostrovsky / 16.05.2020

Der Gedanke, ob Journalisten das Volk für blöde halten oder für zu klug, käme mir gar nicht. Das ist doch unwichtig. Das Geschäftsmodell besteht doch darin, dass man das schreibt, was die Auftraggeber bezahlen. Es ist doch nicht dazu gedacht, dass es auch gelesen oder angeschaut wird. Nur die Schafe haben es noch nicht begriffen, dass sie in diesen Geschäftsprozessen überhaupt keine Rolle spielen. Wenn die Tagesschau keine Zuschaer hätte, würde sie sofort welche erfinden, Gogols tote Seelen oder Außerirdische, intelligente Hauskater oder Insekten, die das Fernsehsignale mit ihren Fühlern ermpfangen. Die haben einen Auftrag, den Quatsch zu veröffentlichen. In dem Moment, wo das ausgesendet oder abgeschickt wurde, ist der Auftrag erfüllt und wird mit gelben Gickelingen vergoldet. Ende der Nachricht! Gibt es wirklich noch jemanden, der glaubt, die Zwangsgebühren wäre nicht genau zur richtigen Zeit eingeführt worden, kurz bevor sich die Schreiberschaft vollständig von der Realität löst? Und glaubt noch jemand, das vollständige Loslösen von der Wahrheit wäre nicht Teil eines großen Plans, der seit langer Zeit vorbereitet wird? Dazu ist es zu vollständig, zu global und zu total.

Peter Wachter / 16.05.2020

Ich stieß gestern auf Youtube auf 2 Videos, in denen man sieht, wie in der Mehrzahl ganz normale Mitmenschen auf die Straße gehen und dort auf nicht ganz normale Polizeigewalt stießen bzw. gestoßen wurden. Anschauen bevor es gelöscht wird, Suchwort : “Polizeigewalt Corona Demo + Spontane Corona Demo in Berlin am Alexanderplatz 09.Mai 2020. ” Erschreckend und unglaublich.

Frances Johnson / 16.05.2020

Interessant finde ich die Dummheit in allen Vorgängen. So hatten früher die Fleisch- und Wurstverkäufer(innen) für jeden Vorgang neue dünne Plastikhandschuke an. Neuerdings tragen sie den ganzen Tag Vinylhandschuhe und putzen auch damit, nehmen den schon benutzten Lappen in die bevinylte Hand, wischen ein paar Oberflächen ab und wollen dann den Schinken schneiden. Ob sie die Handschuhe wohl wechseln könne, frage ich. Nein, der Chef hätte das verboten. Daraufhin verzichte ich und sage, dass es ohne Handschuhe mit Händewaschen besser wäre. Sie und ich kaufen also im Supermarkt inzwischen von Personal, das den halben Tag bis zur Mittagspause dieselben Handschuhe und denselben Mundschutz trägt. Es kann nur zweierlei sein: Kapitale Dummheit oder der Versuch, ein paar mehr Leute zu infizieren. Ich glaube mehr an Ersteres. Immerhin wissen wir jetzt definitiv, wie durch und durch verdummt alle Vorgänge im Land sind. Und sie werden leider selten hinterfragt. Als das Personal noch gar keine Handschuhe trug, hatte ich auch nicht öfter Grippe. Die Vorgänge führen zu einer immer mehr verdummenden Neurose. Übrigens bin ich da wie Greta. Die Keime in dem Putzfeudel kann ich sehen.

Walter Haller / 16.05.2020

Am Ende des Tages - um eine dieser dämlich-abgedroschenen Floskeln zu benutzen - sind wir Medien-Konsumenten schlicht selber verantwortlich was wir «glauben» und was nicht. Auch mit Blick auf die so genannten «Umfragen»: Vor ein paar Wochen ging es um Klima und die Grüne Republik. Plötzlich herrscht wieder der Merkel-Hype vor, obwohl die Dame - so wie immer - gar nichts macht ausser Abwarten und schauen in welche Richtung sich der Wind gerade dreht. Wer ist hier der Dumme: Derjenige der die Blödheit der Masse zu seinen Gunsten nutzt oder das «Volk» das sich am Nasenringen durch die Landschaft schleppen lässt?

Max Weber / 16.05.2020

Es ist leichter die Menschen zum Narren zu halten, als ihnen zu erklären, dass sie zum Narren gehalten werden. Insbesondere dann wenn der staatliche Rundfunk beim zum Narren halten mitmacht ...

Paul J. Meier / 16.05.2020

Inzwischen wird schon die natürlich gefährlichere 2. Welle instrumentalisiert, um nur ja die geschürte Angst nicht einschlafen zu lassen, sondern diese mit dem Faktor des durch die Fantasie gepushten Unbekannten, zu unterfüttern. Und man gewinnt Zeit, um das eigene eventuelle Versagen mit seiner Dramatik im Bewusstsein der Bürger abzuschwächen. Bis dann beherrscht eine neue Krise die Schlagzeilen. So wie ein Virus oder eine Greta zur Coronaexpertin mutieren, wechseln auch die Journos und “Politikeliten” ihre Themen. Nur die Strategien ändern sich nicht. Sex war gestern, anxiety sells!

dr. michael kubina / 16.05.2020

Volle Zustimmung, Herr Tiedje, zur Zustandbeschreibung, nur warum ist das so gekommen? Sie sind doch Insider, was ist ihre Hypothese oder Beoachtung? Ich glaube, es liegt v.a. an er großen Koalition, zu der im Grunde die Grünen auch gehören. Früher waren die Journalisten wahrscheinlich auch nicht viel “objektiver”, aber die einen haben sich auf die Seite der Regierung geworfen, die andere auf die der Opposition, in der Hoffnung, damit bald auf der Seite der neuen Regierung zu sein etc. Dann gab es noch die ganz kritischen ganz linken. Der Medienkonsument hat das als “Vielfalt” wahrgenommen. Ein anderer wichtiger Grund scheint mir der “Verlust” des Kommunismus als “Alternative” zu sein. Der Westen musste beweisen, dass er “freier”, “demokratischer”, “effizienter”  etc. ist und er musste sich vom “Osten” medial grundsätzlich unterscheiden. Insofern setze ich gewisse Hoffnungen auf China als das, wovon wir uns vielleicht dann doch noch unterscheiden wollen, vielleicht ... PS: Ich glaube, der Frauenanteil unter den Journalisten spielt auch eine Rolle. Es ist in der Kommunikationswissenschaft unstrittig, das Frauen konsenorientierter und beziehungsbezogener sind.

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