Sebastian Biehl, Gastautor / 23.04.2024 / 10:00 / Foto: Roland Horn / 62 / Seite ausdrucken

Nachhaltiges Kaputtmachen mit Claudia Kemfert

Nur scheinbar zufällig wurden am selben Tag sowohl der Artikel zu Robert Habecks grünen Energievisionen für die Ukraine und von Claudia Kemfert zum Abbau der Gasnetze im Focus veröffentlicht. Beide passen wie zwei Puzzlestücke ineinander.

Der Begriff der schöpferischen Zerstörung kommt aus der Wirtschaftstheorie und geht auf den Ökonomen Joseph Schumpeter zurück. Er besagt, dass jede wirtschaftliche Neuerung das Alte zerstört, und dass dies auch nötig sei, um das Neue zur Entfaltung zu bringen. Vor allem der Kapitalismus lebt von der schöpferischen Zerstörung.

Ähnlich denkt es vermutlich auch in Claudia Kemfert, ihres Zeichens Professorin für Energieökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, als sie gemeinsam mit Jan Rosenow ein Stück zum Gasnetz-„Rückbau“ schrieb (wir hatten berichtet, dass Augsburg als erste Stadt sein Gasnetz abbauen will). Etwas schulmeisterlich meinte sie, die Leute sollen sich nicht so haben mit der Zerstörung des Gasnetzes, das ist eine veraltete und bald unbrauchbare Infrastruktur. Und im Sinne der schöpferischen Zerstörung, wo sich die Zukunftstechnologie der Wärmepumpe angeblich immer mehr durchsetze, belaste der Schrott einer vergangenen Ära ja nur. Für die Verbraucher sei es sogar eine gute Nachricht, wenn die Gasnetze abgebaut werden (so wie gerade auch die letzten Atomkraftwerke), denn sonst müssten immer weniger Nutzer einer Gasheizung immer mehr aufwenden, um die Infrastruktur instandzuhalten. Ab 2045 brauche diese sowieso niemand mehr, denn dann bricht endlich die klimaneutrale Zukunft ohne Gas, Kohle, Öl (und Strom) an. Wie falsch man mit solch kategorischen Zeitplänen der Dekarbonisierung liegen kann, bewies erst kürzlich der schottische First Minister Hamza Youzaf.

Damit keiner auf die Idee käme, durch die Gasnetze könne man ja auch etwas anderes als Gas pumpen und deshalb sollten sie erhalten werden, belehrt uns Frau Professor Kemfert gleich, dies sei ein „Mythos“: Für Wasserstoff seien diese nicht geeignet. Einmal sagte sie sogar etwas, was auf der Achse auch bereits geschrieben wurde, nämlich dass die Herstellung von Wasserstoff aufwändig sei, viel Strom und Wasser verbrauche und für den Einsatz im Wärmebereich ineffizient und teuer sei. Hat sie sich da mit Robert Habeck abgesprochen, der derweil von der Einfuhr grünen Wasserstoffs aus der Ukraine träumt?

Die Ukraine nimmt Deutschlands Energie-Zukunft vorweg

Habeck denkt auch in den Parametern der schöpferischen Zerstörung, diesmal nicht für Deutschland, sondern für die Ukraine, die er vor kurzem besuchte in seiner Funktion als Vizekanzler, Wirtschafts-, Klima-, Energie-, Weltrettungs- und Neben-Außenminister (ausführliche Würdigung des Besuches hier). Dort braucht es keine Claudia Kemfert, die die begriffsstutzigen Bürger überreden muss, die Infrastruktur zum Wohle der Zukunft zu opfern, hier erledigt Russland diese Arbeit. Wenn dann alles kaputt ist, dann wäre die Ukraine das ideale Versuchskaninchen für eine neue, nachhaltige Energieproduktion, nicht nur für sich selbst, sondern auch für Europa.

Während man in Deutschland nach der Methode Schienenwolf noch einiges zu zerstören hat, und Claudia Kemfert wortgewandt und natürlich immer mit der Sorge um die einkommensschwachen Haushalte im Prinzip sagt: „Macht die Infrastruktur kaputt, bevor ihr für ihre Erhaltung zahlen müsst“, erledigt in der Ukraine diese Arbeit praktischerweise Russland. Die alte Energieinfrastruktur wird kaputtgebombt und Deutschland baut dann die grüne Energiezukunft für die Ukraine mit Windrädern und Solarfarmen.

Apropos Rückbau: Vor nicht allzu langer Zeit standen in vielen ostdeutschen Städten unbenutzte Plattenbauten herum, weil die Städte massiv schrumpften. Durch systematischen Rückbau, also Vernichtung von Wohnraum, den damals keiner brauchte, wurden schöne, neue Grünanlagen geschaffen. Auch damals hatte man die Vision einer lebenswerteren Stadt mit mehr Erholungsfläche für weniger Menschen, weil man davon ausging, dass die damalige Tendenz des Wegzugs aus der Stadt und der Schrumpfung der Bevölkerung, gerade in Mittel- und Ostdeutschland, beliebig weitergehen würde. Das war noch bevor Städte ab etwa 2010 wieder richtig hipp wurden und dann ab 2015 Flüchtlinge/Neubürger/Fachkräfte ins Land strömten und seither überall nach Wohnraum gesucht wird. Plattenbauten wären jetzt viel besser zur Unterbringung geeignet als Turnhallen, Hotels, Wohncontainer und Zelte. Die Zukunft ist bekanntlich unvorhersehbar, und Zukunftsforscher liegen in etwa so oft falsch wie Astrologen und Handleser. Das heißt, auf heute bezogen, dass man keine Infrastruktur vernichtet, nur weil es aus heutiger Sicht demnächst nicht mehr gebraucht wird.

 

Sebastian Biehl, Jahrgang 1974, arbeitet als Nachrichtenredakteur für die Achse des Guten und lebt, nach vielen Jahren im Ausland, seit 2019 mit seiner Familie in Berlin.

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Reinhard Schroeter / 23.04.2024

Michael Pelowski Sie irren sich da wohl. Noch und Nöcher ist nicht dumm, sie macht nur das , wofür eine wie die fürstlich bezahlt wird. Wir, die wir gelernt haben, dass das Wort noch nicht steigerungsfähig ist, halten diese Tante irrtümlich für nicht klug und verharmlosen sie damit. Allerdings macht es auch die Physigonomie der Dame es leicht, sie für dumm zu halten.

Robert Schleif / 23.04.2024

@ Markus Knust: Ich befasse mich schon seit Jahrzehnten mit Pol Pot und seinen Konsorten und glaubte, fast alles zu wissen und begriffen zu haben. Bis mir erst kürzlich ein ganz neuer Gedanke kam: Was, wenn das damalige Zerstören, die Hungersnot, die Missernten und das Massensterben gar nicht die perversen Ziele waren, sondern einfach und schlicht Resultate der absoluten Unfähigkeit und Inkompetenz der obersten Führer in allen ökonomischen, politischen und organisatorischen Belangen (und jener der analphabetischen dummen unteren Funktionäre sowieso)? Das konnten sie natürlich nicht zugeben – denn sie hatten ja die reine Lehre und Wahrheit gepachtet – und da mussten es eben Saboteure und „Feinde“ sein, die man dann ausrottete.

Tomas Poth / 23.04.2024

Schöpferische Zerstörung. So weit so schlecht in diesem Fall. Wind und Sonne und ihre Umwandlung in nutzbare Energie sind nichts Neues, das ist uralte Technik, wenn man z.B. auf die Verwendung von Windrädern schaut! Windräder gibt es seit Jahrtausenden als Schöpfwerke oder Kornmühlen konstruiert. Diese wurden, beginnend mit dem technischen Zeitalter und den entwickelten Kraft-Wärme-Maschineantrieben, als veraltet aussortiert. Der Rückfall auf die alte Technik bedeutet, bezogen auf den heutigen Energieverbrauch, einen im Schnitt bis zu hundertfachen Mehraufwand an Ressourcenverbrauch auf alle zum Einsatz kommenden Materialien, bis hin zum Bodenverbrauch. Wie kann dieser Raubbau als Fortschritt betrachtet werden? Die Bedürfnisse der weniger entwickelten Länder sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.

Jürgen Fischer / 23.04.2024

@Ilona Grimm, mein Gedanke war, sind die beiden miteinander verwandt ... ? Schließlich kommt zur optischen Ähnlichkeit auch das dämliche Geschwätz von beiden.

Fred Burig / 23.04.2024

@F. Bothmann:”.... Sie ist nicht der richtige Adressat der Kritik. Dies muss an die Kräfte hinter ihr gerichtet sein. Das sind transatlantische Kräfte, die aus geostrategischer Sicht an der Schwächung Deutschlands arbeiten.”... Genau, wieder einmal- quasi die dritte aktualisierte Auflage! Und weil wir die doch als “Freunde” haben sollen, brauchen wir dann eben auch keine anderen Feinde ....... MfG

Bernd Schreller / 23.04.2024

Die Erfüllungsgehilfen des Bösen werden fürstlich entlohnt. Egal, ob Klima-, Corona-, Gender-, Digital-ID- (zB G Jauche), oder sonstige Lügen. Dazu bedarf es keiner besonderen Intelligenz, nur schleimspurtreu müssen die sein. Und wieder mal soll besonders Deutschland vernichtet werden. Und wieder sind Dank TV 80 % zu blöd. Wahrlich’ ich freu mich über jeden, der weggespritzt ist. Dauert nur zu lang.

Heiko Stadler / 23.04.2024

Nach ein paar neuen Impfstoffen mit der zugehörigen Zwangsspritzung und der Einhaltung alle EU-Gesetze bei der landwirtschaftlichen Nichtproduktion brauchen wir wirklich kein Gasnetz mehr.

Heiko Stadler / 23.04.2024

Zwei Fragen habe ich an Frau Kempfert: 1. Woher soll die Fernwärme kommen, wenn die grünen Bilderstürmer alle Kraftwerke zerstört haben? 2. Wo sind die Energiespeicher “noch und nöcher”, die für die Wärmepumpen von November bis Januar benötigt werden?

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