Peter Grimm / 20.04.2024 / 06:25 / Foto: Montage achgut.com/KI / 100 / Seite ausdrucken

Habecks Ukraine-Ideen: Taktische Windrad-Aufrüstung

Ein Bericht über Robert Habecks Plan für die Ukraine: Sie soll auf grüne Energie setzen. Die sei für Russland schwerer angreifbar. Meinen der Berichterstatter, sein zitierter Experte oder der grüne Minister das ernst? 

Zum Ende der Woche war Robert Habeck bekanntlich nach Kiew aufgebrochen. Wie so oft, wenn westliche Regierungsvertreter den Zug in die Ukraine besteigen, wurde der Besuch nicht öffentlich angekündigt und war somit offiziell „überraschend“. Überraschendes präsentierte auch ein Berichterstatter vom Focus, bzw. „sein“ Experte und/oder der Klima- und Wirtschaftsminister Robert Habeck. Immerhin ist dieser Focus-Beitrag zum Habeck-Besuch in Kiew schon etwas speziell und findet sich in anderen entsprechenden journalistischen Werken dieser Tage in dieser Form nicht wieder.

Die Berichte der anderen Kollegen bezogen sich eher auf Habecks Aussagen, wie wichtig die weitere Ukraine-Hilfe sei, damit das Land im Krieg erfolgreich sein könne, und wie richtig es wäre, dass Deutschland dabei voran ginge. Selbstverständlich ging es auch um die Rüstungsproduktion für die ukrainischen Streitkräfte und den irgendwann folgenden Wiederaufbau.

Das wurde vom Focus-Kollegen auch nicht übersehen, aber beim Blick auf die mitreisende Wirtschaftsdelegation fiel ihm auf: „Teil davon sind nicht nur die erwartbaren Unternehmer aus der Rüstungsbranche – sondern auch Vertreter zweier Energieunternehmen.“

Die Sicherheit der Energieversorgung ist in der Ukraine kriegsbedingt gefährdet. Im Unterschied zu Deutschland wäre bislang wohl keine Regierung der Ukraine auf die Idee gekommen, eigene Kraftwerke selbst zu zerstören, um dann zu versuchen, ihre Erzeugungskapazitäten mit Wind- und Sonnenenergie zu ersetzen. Doch Russland hat seit seinem Angriff auf die Ukraine gezielt ukrainische Energieinfrastruktur zerstört, so dass die Energieerzeugungs- und verteilungskapazitäten deutlich geringer geworden sind.

„Kriegstaktischer Vorteil“

Nach gegenwärtigem Stand würde es Berechnungen der Weltbank zufolge neun Milliarden Euro bis 2050 kosten, um die Energieversorgung der Ukraine wieder aufzubauen, weiß der Focus-Berichterstatter und behauptet:

„Genau an diesem Punkt wittert der deutsche Wirtschaftsminister seine Chance: Er will dafür sorgen, dass vor allem Wind- und Solarenergie aufgebaut wird. Das würde dabei helfen, dass das Land wie die EU bis 2050 klimaneutral werden könnte – und es würde der Ukraine einen kriegstaktischen Vorteil bringen.“

Solar- und Windenergie bringen einen „kriegstaktischen Vorteil“? Wie das? Der Kollege erklärt es:

„Schaltet Putins Armee eines der großen leistungsstarken Kraftwerke aus, bedroht das sofort große Teile der Stromversorgung. Denn die Energieinfrastruktur ist zentralisiert – ein Überbleibsel aus Sowjetzeiten. Anders wäre das beispielsweise bei Sonnenenergie: Weil ein kleiner Solarpark weniger Strom erzeugen kann als beispielsweise ein Kernkraftwerk, braucht es von ihnen gleich mehrere an verschiedenen Standorten. ‚Wind- und Solarparks wären sicherlich nicht so einfach auszuschalten‘, glaubt Hans-Jürgen Wittman deshalb. Er ist bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Germany Trade & Invest für die Ukraine zuständig.

‚Russland müsste hier einen viel größeren Aufwand betreiben, um einzelne Energieanlagen, Relaisstationen, oder Knotenpunkte zu treffen. Diese könnten im Vergleich zu einem Wärmekraftwerk zudem einfacher geschützt werden’, erklärt Wittmann. Ein schnelles Blackout wäre unwahrscheinlicher.“

Toll! Also dass sich eine relativ dezentrale Energieerzeugung nicht so leicht mit Raketen und Bomben lahmlegen lässt wie eine zentralisierte Energieerzeugung, ist ja noch nachvollziehbar. Aber warum müssen es Wind- und Solaranlagen sein, die bei Dunkelflaute auch ohne Bombenangriff keinen Strom liefern? Weil der deutsche Klimaminister diese Art der Energieerzeugung besonders mag?

Nicht ganz auf dem richtigen Weg?

Die Ukraine jedenfalls ist offenbar noch nicht so ganz auf dem „richtigen Weg“.

„Der Umbau des Energiesystems ist laut Experte Wittmann eine der ‚Top-Prioritäten der ukrainischen Energiepolitik‘. Die Regierung in Kiew plant bis 2032 die Kapazität der erneuerbaren Energie beinahe zu verdreifachen. Auf dem Weg zur Klimaneutralität will die Ukraine aber auch an Kernenergie festhalten – und damit an anfälligen AKW.“

Zum Glauben, der Mensch könne einen Klimawandel durch verminderten CO2-Ausstoß zielgenau steuern, obwohl sich das Klima stets veränderte, auch schon bevor es Menschen auf der Erde gab, ließen sich die Ukrainer demnach immerhin bekehren. Nur dem deutschen Sonderweg bei der Atomkraft mögen sie nicht folgen.

Damit hier nicht behauptet wird, wir würden dem Focus-Kollegen Einseitigkeit unterstellen: Er hat in seinen Bericht Bedenken mit aufgenommen, dass auch die Kriegstüchtigkeit von Wind- und Solaranlagen so ihre Grenzen hat.

„Ukraine-Experte Wittmann warnt trotz aller Vorteile auch vor Gefahren bei Wind- und Solarparks: ‚Das Risiko eines Angriffs besteht nicht nur in Form von Drohnen und Raketen, sondern auch in Form von Cyberangriffen auf die Netzinfrastruktur.‘ Außerdem gebe es Fälle, in denen russische Truppen gezielt Solarparks angegriffen oder Solarzellen demontiert und abtransportiert hätten.“

Ja, da kennt der Russe keine Skrupel. Trotz dieser Gefahren engagiert sich Deutschland für den Wind- und Sonnenstromausbau in der Ukraine. Diesbezüglich können der Berichterstatter und sein Experte noch mit einer kleinen Pointe aufwarten:

„Ganz uneigennützig denkt Habeck dabei nicht: Denn deutsche Unternehmen profitieren möglicherweise gleich zweifach, glaubt Experte Wittmann. Zum einen können sie die passenden Technologien liefern. Das Potsdamer Unternehmen Notus Energy beispielsweise will drei Windparks mit insgesamt 270 Megawatt im Gebiet Odessa errichten. Und am Rande einer Ukrainereise von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) unterzeichneten Firmenvertreter eine Absichtserklärung mit Vertretern der ukrainischen Regierung über die Entwicklung eines Windparks in der Sperrzone von Tschernobyl.

Auf dem Gebiet des ehemaligen Atomkraftwerks soll dann grüne Energie entstehen. Notus Energy sieht darin gleich mehrere Vorteile: Erstens gibt es in dem verseuchten Gebiet keine Anwohner, die sich durch die Anlage gestört fühlen könnten. Auch die Tier- und Pflanzenwelt muss hier nicht besonders geschützt werden. Und schließlich könnte durch die Modernisierung der alten Kraftwerksinfrastruktur Strom direkt in die Metropolregion Kiew geliefert werden.“

Deutscher Windstrom aus Tschernobyl – welchem Drehbuchautor wäre das eingefallen? 

Für unsere Rubrik „Achgut zum Hören“ wurde dieser Text professionell eingelesen. Lassen Sie sich den Artikel hier vorlesen.

Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.

Foto: Montage achgut.com/KI

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Wolfgang Richter / 20.04.2024

@ Talman Rahmenscheider - “das Ganze kombiniert mit Größenwahn und Wichtigtuerei. ..... Beide gleich schlimm, aber anders peinlich. Der Wähler möge sie unter der 5%-Hürde beerdigen,”—Dieser Wunsch wird nicht in Erfüllung gehen, da im Lande zunehmend viele auf dem “Bärbockschen” Niveau für sich hinleben, nicht mehr denken und das zitierte Gefasel für “gaanz tolle feministische Diplomatie” halten. Also 10 - 15 % sind immer drin, schon abgezogen die, die beim Blick in ihr zunehmend leeres Portemonnaie vestehen, daß das mit “Grüner Politik” zu tun haben könnte, oder auch die, die auf den ÖPNV angewiesen sind und sich dortnin aufgrund der Wandels der “Kundschaft” vor angst nicht mehr in den Bus trauen.

Wolfgang Richter / 20.04.2024

““Das Potsdamer Unternehmen Notus Energy beispielsweise will drei Windparks mit insgesamt 270 Megawatt im Gebiet Odessa errichten.”” - Nett, daß die den Russen ein paar windräder hinstellen wollen, denn es glaubt doch im Ernst niemand, daß nach Ende dieses Krieges die Ukraine noch einen Zugang zum Schwarzen Meer haben wird, allein schon zum Schutz der Krim sicher nicht. Aber das können hiesige Traumtänzer vermutlich nicht denken.

Wolfgang Richter / 20.04.2024

“dass das Land wie die EU bis 2050 klimaneutral werden könnte – und es würde der Ukraine einen kriegstaktischen Vorteil bringen.“—Wie naiv kann “man” sein, für die “Ukraine” bis 2050 zu planen!! Und daß es sodann vielleicht noch viel einfacher sein wird, statt bbisher Kraftwerke demnächst die zur Steuerung des Flatterstroms erforderlichen Schaltzentralen platt zu machen, was den “Laden” gleich komplett abschaltet, können ein “Robbärt” und Gleichgepolte sicher nicht verstehen. Immerhin zahlen die Amis nun erst mal erneut für Ukrainische Rüstung, was dem Land mangels ausgebildeter Soldaten sicher was bringt. Im übrigen, lieber Herr Grimm, haben die Russen mit dem Zerstrümmern Ukrainischer Infrastruktur erst angefangen -im Winter keine E-Werke zerschossen-, als die Ukrainer auf die “Krim-Brücke” und russisches HInterland abseits der Front schossen. Aber das ist sicher nur “Putin-Propaganda”. Woanders haben andere weniger rücksicht auf die Zivilbevölkerung genommen.

pol. Emik-Wurst, Hans / 20.04.2024

Holzweg: Wer glaubt, in der Bundesrepublik Deutschland eine preiswerte, sichere und wetterunabhängige Stromversorgung ohne Braunkohle und Steinkohle schaffen zu können, befindet sich auf dem Holzweg! Was bedeutet der Kohleausstieg? Die Lastabwürfe von industriellen Großverbrauchern nehmen so drastisch zu, dass es bald keine nennenswerte Industrie mehr geben wird. Die Betriebe verlassen seit 2000 mit wehenden Fahnen das Land. Dies entspricht genau den Vorstellungen des Spiritus Rector Rainer Baake vom Bündnis 90/Die Grünen seit 1991. Ein Holzweg hat den alleinigen Zweck, gefällte Bäume aus einem Wald zu transportieren, während das Stromnetz bis 1998 die alleinige Aufgabe hatte, Kraftwerke und Stromverbraucher zu verbinden. In 2024 wird im Norden Windstrom erzeugt, ohne dass genügend Stromleitungen existieren, um ihn in den Süden zu leiten. Im Süden wird im Sommer Solarstrom erzeugt, ohne dass dieser nachts und im Winter zur Verfügung steht. Gewöhnlich können ohnehin nur 55 Prozent Fakepower eingespeist werden. Dieses Ergebnis lässt sich nur durch extrem hohen technischen und finanziellen Aufwand steigern. Es gibt seit April 2023 zu wenig Kraftwerke in der BRD, um bei Dunkelflaute wetterunabhängig Strom zu erzeugen. Wie viele Verträge für Lastabwürfe von Industrieunternehmen existieren, wird in der veröffentlichten Meinung verschwiegen. Das könnte ja die Stromkunden beunruhigen. Solange die Grundlügen beibehalten werden, ist es wirklich egal, welche WECHSELNDEN Aufbaulügen die preiswerte, wetterunabhängige und stabile Stromversorgung verhindern. Ohne die Grundlügen ist die vermeintliche Energiewende automatisch SOFORT zu Ende. dzg. one/Die-Stromversorgung-wird-immer-unsicherer

Werner Lischka / 20.04.2024

Muß man als Focus-Schreiberling die primitivsten mathematischen Fähigkeiten ad acta legen? Wenn ich Industriebetriebe versorgen will, geht das nicht scheibchenweise, je nachdem welcher Solarpark oder welches Windrad gerade läuft. Ich muß deren Leistung über eine Menge Netzwerkknoten bündeln um genug Strom an das entsprechende Werk zu liefern. Da freut sich der Angreifer - er muß nur einige Netzwerkknoten ausschalten - schon hat der Betrieb zuwenig Strom. dabei muß die Versorgung gar nicht auf Null fallen - es reicht, wenn einige Maschinen nicht betrieben werden können, schon steht die Produktionskette. Von wegen leichter zu verteidigen! Statt das sich die Luftabwehr auf einige wenige Kraftwerke konzentrieren kann, muß man dutzende Knoten sichern. Da wird die Butter am Brot seeehr dünn. Wenn es der Angreifer schafft, sich durch den dichten Abwehrschirm der aktuellen Struktur durchzukämpfen, wird der Angriff auf die ausgedünnte Abwehr der Netzwerkknoten ein Kinderspiel. Stromnetzwerke funktionieren nun mal nicht wie das Internet - da ist das umrouten über andere Strecken schlicht nicht möglich, da die Transportkapazitäten beschränkt sind. Der Vorschlag ist keine Unterstützung sondern eher Sabotage.

A. Ostrovsky / 20.04.2024

Ralf Rude : >>Neben den Anlagen selbst, sind es vor allem die Schnittstellen zur Steuerung, die vor allem durch Cyberangriffe störbar sind. Diese zu stören geht ganz einfach aus dem Büro in St. Peterburg oder Moskau heraus.<< ## Seit Jahrzehnten höre ich diesen Unsinn. Und seit Jahrzehnten hat sich nichts geändert.  Wäre es denn nicht einfacher, den Dilettantismus in den Schnittstellen zu beenden, statt immer wieder dieses defätistische Gejammer anzustimmen? Oder haben alle, die damit etwas zu tun haben, einfach absolut keine Ahnung von ihrem Job? Und muss uns das dann immer wieder als Gefahr erzählt werden, wenn die einfach nichts lernen wollen? Mich langweilt das. Es beweist nur, dass den Deutschen in diesem Bereich alle Kompetenzen fehlen. Man braucht doch nur eine Firewall, die funktioniert und wo nicht die NSA sich Hintertürchen hat einbauen lassen, über die nun alle Angriffe von jedem, auch der Mafia, funktionieren. Der Webex-Gerhartz-Skandal hat noch nicht gereicht, oder?

gerhard giesemann / 20.04.2024

Kein Krieg um Öl&Gas;, Sonnenpanzer für alle!

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