Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) erwartete vom gestrigen Treffen seiner Kollegen mit dem Kanzler offenbar viel: „Letztendlich entscheidet der Montag nicht unwesentlich über die politische Zukunft Deutschlands“, ließ er verlauten. Wenn er recht haben sollte, steht es wirklich nicht gut ums Land. Die Regierenden-Runde enttäuschte erwartungsgemäß.
Die Migrationskrise eskaliert, und allen aufbegehrenden Bürgern und Bürgermeistern wurde bis gestern gern in Aussicht gestellt, die Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bundeskanzler werde jetzt endlich entschlossen politisch handeln. Die Erwartungen der Regierten an diesen innerdeutschen Regierungsgipfel waren höchst unterschiedlich. Viele erwarteten von der Runde nichts Entscheidendes, schon allein, weil sie dem aktuellen politischen Führungspersonal grundsätzlich nichts Gutes mehr zutrauen. Deren Wenden und Transformationen haben das Leben schließlich vor allem teurer und unsicherer gemacht. Und bei dem heiklen Thema der Steuerung und Begrenzung der irregulären Migration war bei den derzeitigen Regierungsparteien auch nicht unbedingt ein großer Handlungswille zur Begrenzung derselben erkennbar.
Andere glaubten, dass die Regierung jetzt, da es kaum noch irgendwo einen Platz zur Unterbringung der Asyl-Zuwanderer gibt, einfach zum Handeln gezwungen sei und deshalb über ihren Schatten springen muss. Irgendwann muss die Regierung doch begreifen, dass so ein ernstes Problem allein mit Geld und guten Worten nicht lösbar ist.
In der jüngsten Vergangenheit waren ja Ministerpräsidentenkonferenzen auch mal Runden, die im Zeichen des Corona-Virus ganz schnell grundrechtseinschränkende Maßnahmen beschlossen. Wie schnell und langanhaltend die deutsche Obrigkeit die Bürger etlicher Grundrechte beraubte und vormundschaftlichen Regelwerken unterwarf, ist auch im Rückblick immer noch atemberaubend. Sogar das Grenzen schließen ging zeitweise ganz schnell – zumindest soweit es die Einheimischen und ihre europäischen Nachbarn betraf.
Das Schleuser-Geschäft wird davon nicht zusammenbrechen
Und nun begann gestern wieder eine „bedeutende“ Ministerpräsidentenkonferenz, an die der Premier von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), im Vorfeld folgende Erwartung formulierte: „Letztendlich entscheidet der Montag nicht unwesentlich über die politische Zukunft Deutschlands.“ Da hatte er die Latte schon ziemlich hoch gehängt.
Passend dazu wurde eine Inszenierung aus der Corona-Zeit schon einmal übernommen: Stundenlange Sitzungen bis in die Nacht hinein. Erst heute Morgen um halb drei hatten sich der Kanzler und die Ministerpräsidenten auf Eckpunkte der neuen deutschen Migrationspolitik verständigt. Nur leider ist die neue Migrationspolitik ganz die alte, allerdings mit neuen Preisschildern. Die Ergebnisse der Asyl-Nacht im Kanzleramt sind kurz zusammengefasst: Der Bund zahlt den Ländern mehr Geld für die Migrationskosten, die Asylbewerber kommen erst später in den Genuss der vollen Sozialleistungen und bekommen auch nicht so schnell so viel Bargeld ausgezahlt wie bisher.
Das klingt nicht danach, als würde jetzt das Schleuser-Geschäft zusammenbrechen.
Aber vielleicht blicken wir ein wenig genauer auf die nächtlichen Beschlüsse:
Zur Deckung der Aufwendungen für die Unterbringung von Migranten zahlt der Bund den Ländern zusätzlich eine jährliche Kopfpauschale von 7.500 Euro je Asylbewerber. Die sollen wiederum Sozialleistungen, die dem Bürgergeld entsprechen, künftig nicht mehr schon nach 18, sondern erst nach 36 Monaten erhalten. Außerdem sollen die Barauszahlungen an Leistungsempfänger eingeschränkt und dafür eine Bezahlkarte eingeführt werden. Damit solle vermieden werden, dass Migranten Geld in ihre Heimatländer schicken.
Bezahlkarten statt Bargeld – Donnerwetter!
Glauben die Regierenden wirklich, dass diese Art von Maßnahmen Wirkung zeigen wird? Der Lockruf einer guten Grundversorgung fürs weitere Leben wird nicht angekratzt. Viele Migranten werden die Schleuser-Tour weiterhin buchen, solange fast niemand, der eigentlich nicht bleiben darf, riskiert, das Land wirklich verlassen zu müssen und jeder, der er es eigentlich verlassen müsste, auch weiterhin mit Sozialleistungen versorgt wird, wenn er lieber bleibt. Die längere Wartezeit aufs Bürgergeld wird kaum einen Migrationswilligen abschrecken. Und man muss die Migranten schon für sehr dumm halten, wenn man glaubt, dass sie keinen Weg fänden, aus den Bezahlkarten-Leistungen wieder Bargeld zu generieren.
Letztlich hat die entscheidende Migrations-Ministerpräsidentenkonferenz, als die sie angekündigt war, wieder einmal gezeigt, dass die Regierenden in Deutschland ihr politisches Handeln weiterhin auf Geld und gute Worte konzentrieren. Aber wenn man sich die Hilferufe von Bürgermeistern und Landräten anhört, wenn man sieht, dass in immer mehr Orten immer mehr Bürger inzwischen gegen die Errichtung immer neuer Asylbewerberunterkünfte protestieren, wäre dann nicht ein anderes Kaliber an Maßnahmen angemessen gewesen?
Der Vollständigkeit halber muss man natürlich erwähnen, dass es noch ein paar weitere Beschlüsse gab, beispielsweise die Vereinbarung, dass die Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz, die eigentlich Mitte November auslaufen sollten, nun beibehalten werden. Das ist natürlich nicht falsch, aber eigentlich auch nur dann wirklich sinnvoll, wenn die Kontrollen auch tatsächlich zu Rückweisungen führen.
Restriktionen für die eigenen Bürger? Kein Problem!
Alles Weitere in den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz zur Migration fällt dann in die Kategorie „Gute Worte“. Manche Beobachter hatten noch gemutmaßt, dass der Familiennachzug eingeschränkt würde, wie es die Länder gefordert hatten. Doch davon sei, nach Presseberichten, nur noch übrig geblieben, dass der Familiennachzug nicht ausgeweitet wird, wie es die Ampel noch im Koalitionsvertrag geplant hätte.
Die weiteren Punkte, von denen berichtet wird, scheinen nicht viel mehr als Absichtserklärungen zu sein. Die CDU-geführten Länder brachten Asylverfahren außerhalb der EU ins Gespräch. Das soll nun geprüft werden. Auch den schnelleren Abschluss von Asylverfahren kann man sich auf den Regierungswunschzettel schreiben, vielleicht auch Vorgaben formulieren, aber spätestens den Gerichten kann die Politik das Tempo nicht einfach diktieren.
Aber die Runde der Regierenden aus Bund und Ländern hatte sich in ein paar anderen Fragen geeinigt. Wenn es darum geht, den eigenen Bürgern Restriktionen aufzuerlegen, tun sich deutsche Politiker leichter. Begleitet von den schönen Worten von einer Entbürokratisierung und dem Vereinfachen von Genehmigungsverfahren, meldet u.a. die Süddeutsche Zeitung auch folgenden Beschluss: „Beim Ausbau der Energieinfrastruktur will der Bund die Rechte von Grundstückseigentümern einschränken. Diese sollen gegen Entschädigung dulden müssen, dass ihr Grundstück genutzt wird, um Leitungen zu verlegen, mit denen Anlagen für erneuerbare Energie an das allgemeine Stromnetz angeschlossen werden.“ Soll ja keiner sagen, Deutschlands Regierende würden nicht regieren können. Nur um die drängenden Probleme kümmern sie sich halt nicht angemessen und wundern sich dann aber in den nächsten Wochen bestimmt wieder lautstark darüber, dass die Umfragewerte der AfD steigen.
Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.