Von Michael P. Senger.
Der ehemalige Sicherheitschef von Twitter, der bekannte Hacker Peter „Mudge“ Zatko, legt einen Report vor, der Twitter schwer belastet.
Eine umfassende Whistleblower-Beschwerde, die letzte Woche vom ehemaligen Sicherheitschef von Twitter, dem bekannten Hacker Peter „Mudge“ Zatko, eingereicht wurde, zeichnet ein vernichtendes Bild eines Unternehmens, das von „ungeheuerlichen Mängeln, Nachlässigkeit, vorsätzlicher Ignoranz und Bedrohungen für die nationale Sicherheit und die Demokratie“ geprägt ist. Der Bericht hat die Regierungen der Vereinigten Staaten und mehrerer EU-Länder zu Untersuchungen veranlasst.
Dem Bericht von Mudge zufolge ist das Unternehmen, obwohl Twitter in China gesperrt ist, „von den Einnahmen chinesischer Unternehmen abhängig“. Die Twitter-Führungskräfte waren sich darüber im Klaren, dass es sich hierbei um einen schwerwiegenden ethischen Verstoß handelte, erklärten jedoch gegenüber Mudge, dass das Unternehmen „zum jetzigen Zeitpunkt zu sehr von der Einnahmequelle abhängig ist, um etwas anderes zu tun, als zu versuchen, diese noch weiter auszubauen“.
Cybersecurity-Experten zufolge deutet der Bericht darauf hin, dass Twitters finanzielle Vereinbarungen mit chinesischen Werbekunden es denen sogar ermöglicht haben könnten, die Kontaktdaten von Dissidenten zu erhalten, die sich über VPNs auf der Plattform angemeldet haben.
Mudge hat mindestens einen Twitter-Mitarbeiter identifiziert, der für einen ausländischen Geheimdienst arbeitet. Und das kurz nachdem ein anderer ehemaliger Twitter-Mitarbeiter für schuldig befunden wurde, im Auftrag des saudischen Kronprinzen, einem der größten Aktionäre von Twitter, saudische Dissidenten auszuspionieren.
„Die Erfassung von Bot-Konten würden dem Image des Unternehmens schaden“
Der Mudge-Report ist besonders scharf in seiner Anklage gegen den Twitter-CEO Parag Agrawal, der laut Mudge wissentlich falsche Dokumente vorgelegt und bei mehreren Gelegenheiten gegenüber dem Vorstand des Unternehmens und der Öffentlichkeit falsche Angaben gemacht hat. Agrawal schlug sogar vor, das Unternehmen solle sich im Namen von Putins Regime in Russland an Zensur und Überwachung beteiligen.
Im Gegensatz zu Agrawals öffentlichen Erklärungen hatten die Führungskräfte von Twitter „wenig oder keinen persönlichen Anreiz“, die Anzahl der Bots auf der Plattform zu erfassen oder zu überwachen. Das Gegenteil war der Fall: „Die Geschäftsleitung hatte keine Lust, die Verbreitung von Bot-Konten ordnungsgemäß zu erfassen – denn wie Mudge später aus einer anderen vertraulichen Quelle erfuhr, waren sie besorgt, dass genaue Erfassungen, sollten sie jemals veröffentlicht werden, dem Image und der Bewertung des Unternehmens schaden würden.“
Die leitenden Angestellten wurden stattdessen ausschließlich auf der Grundlage der Anzahl der täglich aktiven Nutzer von Twitter entlohnt, die perverserweise sogar mit der Anzahl der Bots angestiegen sein könnte.
Mudge war als Sicherheitschef von Twitter eingestellt worden, zum Teil auf Geheiß des Gründers und ehemaligen CEO Jack Dorsey, der Anfang des Jahres den Twitter-Vorstand als „stetige Dysfunktion des Unternehmens“ bezeichnet hatte. Mudge beobachtete, dass sich Jack während seiner gesamten Zeit bei Twitter in einem Zustand des starken Rückzugs befand.
Einfluss der Chinesischen Kommunistischen Partei bei Twitter belegt
Dem Mudge-Report zufolge beschäftigte Twitter im Jahr 2021 nur zwei Mitarbeiter, um Fehlinformationen in allen Bereichen des menschlichen Wissens zu identifizieren. Für die vielen Nutzer wie mich, die von Twitter gesperrt wurden, wirft der Mudge-Report noch mehr Fragen auf. Twitters Sperren sind notorisch undurchsichtig, aber theoretisch könnten sie aus verschiedenen Quellen stammen: 1. Algorithmen, 2. Brigaden von antagonistischen Nutzern, die Meldungen einreichen, 3. Maßnahmen eines der beiden Twitter-Mitarbeiter für Fehlinformationen, 4. Bestechung oder Missbrauch dieser Systeme durch feindliche Regime oder 5. extralegale Absprachen mit der US-Bundesregierung, für die es immer mehr Beweise gibt.
Dementsprechend gibt es berechtigte Bedenken, was die US-Bundesregierung mit dem Mudge-Report tatsächlich zu tun gedenkt. In wahrhaft orwellscher Manier haben demokratische Regierungen, insbesondere auf der politischen Linken, in der Vergangenheit die Verbreitung ausländischer Bots angeführt, um die Zensur legaler Äußerungen gut qualifizierter Bürger im eigenen Land zu rechtfertigen – ein reizvolles Arrangement für Xi Jinping, insbesondere während der Reaktion auf Covid.
Das ist jedoch nicht die Schuld von Mudge, dessen unparteiischer Bericht wohl der bisher klarste Einblick in das dysfunktionale Innenleben von Twitter ist. Bislang gab es nur Gerüchte und Indizien für den Einfluss der Chinesischen Kommunistischen Partei bei Twitter. Der Mudge-Report liefert handfeste Beweise dafür, dass diese Einflussnahme tatsächlich stattfindet.
Dieser Beitrag erschien zuerst im Substack-Newsletter des Autors.
Michael P. Senger ist Rechtsanwalt in San Francisco. Sein Twitter-Account: @MichaelPSenger.