Liebe Freundinnen, Freunde und Befreundete,
die Stunde drängt! Sie lässt keine Zeit mehr offen für fruchtlose Debatten. Wir müssen handeln, und zwar unverzüglich, schnell und gründlich. Seit ihrem Anfang hat sich die Umweltbewegung in den vielen Krisen, die sie durchzustehen und durchzukämpfen hatte, verfahren. Und auch der demokratische Rechtsstaat hat sich, wenn eine Bedrohung vor ihm auftauchte, ihr mit entschlossener Willenskraft entgegengeworfen. Wir gleichen nicht dem Vogel Strauß, der den Kopf in den Sand steckt, um die Gefahr für das Klima nicht zu sehen. So soll es auch heute sein. Ich habe die Aufgabe, Euch ein ungeschminktes Bild der Lage zu entwerfen und daraus die harten Konsequenzen für das Handeln unserer Partei, aber auch für den Industriestandort Deutschland zu ziehen.
Wir durchleben in Europa augenblicklich eine schwere Umweltbelastung. Diese Belastung hat zeitweilig größere Ausmaße angenommen und gleicht, wenn nicht in der Art der Anlage, so doch in ihrem Umfang der von Tschernobyl oder Fukushima. Über ihre Ursachen wird später einmal zu sprechen sein. Heute bleibt uns nichts anderes übrig, als ihr Vorhandensein festzustellen und die Mittel und Wege zu überprüfen und anzuwenden beziehungsweise einzuschlagen, die zu ihrer Behebung führen. Es hat deshalb auch gar keinen Zweck, diese Belastung selbst zu bestreiten. Ich bin mir zu gut dazu, Euch ein täuschendes Bild der Lage zu geben, das nur zu falschen Folgerungen führen könnte und geeignet wäre, die europäischen Industrienationen in eine Sicherheit ihrer Lebensführung und ihres Handelns zu wiegen, die der gegenwärtigen Situation durchaus unangepasst wäre.
Ich wende mich in meinen Ausführungen zuerst an die Öffentlichkeit und proklamiere ihr gegenüber drei Thesen unseres Kampfes gegen die Umweltverschmutzung und für den Klimaschutz. Die erste dieser Thesen lautet: Wäre Deutschland als Industriestandort nicht in der Lage, seine Klimaziele zu erreichen, so wären die Bundesrepublik und in kurzer Folge ganz Europa und sogar die Welt einer Klimakatastrophe verfallen. Die zweite dieser Thesen lautet: Die Grünen und die Umweltbewegung alleine besitzen mit ihren NGOs und ihren Kernwählern die Kraft, eine grundlegende Rettung Europas aus dieser Bedrohung durchzuführen. Die dritte dieser Thesen lautet: Gefahr ist im Verzug. Es muss schnell und gründlich gehandelt werden.
Wehret Klimaleugnern und Rechtspopulisten!
Die Europäer stehen hier vor ihrer entscheidenden Lebensfrage. Das Weltklima ist in Gefahr. Ob ihre Regierungen und ihre Intelligenzschichten das einsehen wollen oder nicht, ist dabei gänzlich unerheblich. Man kann diese Gefahr gar nicht ernst genug schildern, aber es ist auch bezeichnend, dass, wenn man sie nur beim Namen nennt, Klimaleugner, Rechtspopulisten und Kapitalisten in allen Ländern dagegen mit lärmenden Ausführungen Protest erheben.
Wir sehen in Klimaleugnern und Rechtspopulisten für jedes Land eine unmittelbare Gefahr gegeben. Wie andere Länder sich gegen diese Gefahr zur Wehr setzen, ist uns gleichgültig. Wie wir uns aber dagegen zur Wehr setzen, das ist unsere eigene Sache, in die wir keinerlei Einsprüche dulden. Klimaleugner und Rechtspopulisten stellen eine infektiöse Erscheinung dar, die ansteckend wirkt. Wenn nun andere Länder gegen unsere klimafreundliche Politik scheinheilig Protest einlegen und über unsere Maßnahmen gegen Klimaleugner und Rechtspopulisten heuchlerische Krokodilstränen vergießen, so kann uns das nicht daran hindern, das Notwendige zu tun. Ein echter Umweltschützer jedenfalls hat nicht die Absicht, sich dieser Bedrohung zu beugen, sondern vielmehr jene, ihr rechtzeitig und wenn vonnöten mit den radikalsten Gegenmaßnahmen entgegenzutreten.
Es geht also nicht mehr darum, heute einen hohen Lebensstandard auf Kosten unserer Kinder aufrechtzuerhalten, es geht vielmehr darum, den Klimaschutz zu stärken auf Kosten eines nicht mehr zeitgemäßen hohen Lebensstandards. Wir sind entschlossen, unsere Umwelt mit allen Mitteln zu verteidigen, ohne Rücksicht darauf, ob die uns umgebende Welt die Notwendigkeit dieses Kampfes einsieht oder nicht. Es muss jetzt Schluss sein mit den bürgerlichen Zimperlichkeiten, die auch in diesem Schicksalskampf nach dem Grundsatz verfahren wollen: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass! Die Gefahr, vor der wir stehen, ist riesengroß. Riesengroß müssen deshalb auch die Anstrengungen sein, mit denen wir ihr entgegentreten.
Es geht nicht mehr an, das Umweltschutzpotenzial nicht nur unseres eigenen Landes, sondern der uns zur Verfügung stehenden bedeutenden Teile Europas nur flüchtig und an der Oberfläche auszuschöpfen. Es muss ganz zur Ausschöpfung gelangen, und zwar so schnell und so gründlich, als das organisatorisch und sachlich überhaupt nur denkbar ist. Hier wäre eine falsche Rücksichtnahme vollkommen fehl am Orte. Europas Zukunft hängt von unserem Kampf für das Klima ab. Wir stehen zu seinem Schutze bereit.
Konsum sparen und sparen lassen!
Es geht hier nicht um die Methode, mit der man die Klimakatastrophe verhindert, sondern um das Ziel, nämlich um die Beseitigung der Gefahr. Die Frage ist also nicht die, ob die Methoden, die wir anwenden, gut oder schlecht sind, sondern ob sie zum Erfolge führen. Jedenfalls sind wir als ökologisch-umweltfreundliche Klimaschutzpartei jetzt zu allem entschlossen. Wir packen zu, ohne Rücksicht auf die Einsprüche des einen oder des anderen. Wir wollen nicht im Interesse der Aufrechterhaltung eines hohen, manchmal fast sorglosen Lebensstandards für eine bestimmte Volksschicht das Umweltschutzpotenzial schwächen und damit die Klimaziele gefährden. Im Gegenteil, wir verzichten freiwillig auf einen bedeutenden Teil dieses Lebensstandards, um das CO2-Einsparpotenzial so schnell und so gründlich wie möglich zu erhöhen.
Im Übrigen herrscht darüber, wie mir in ungezählten E-mails aus der Partei und Zustimmungskundgebungen von Schülern mitgeteilt wird, bei allen hier Lebenden nur eine Meinung. Jedermann weiß, dass dieser Kampf um eine saubere Umwelt, wenn wir ihn verlören, uns alle vernichten würde. Und darum sind die Bürger entschlossen, nunmehr zur radikalsten Selbsthilfe zu greifen. Die umweltbewussten Wähler unserer Partei machen den Grünen nicht zum Vorwurf, dass sie zu rücksichtslos, sondern höchstens, dass sie zu rücksichtsvoll vorgehen. Man frage landauf, landab Umweltaktivisten, man wird überall nur die eine Antwort erhalten: Das Radikalste ist heute eben radikal, und das Totalste ist heute eben total genug, um den Kampf gegen Feinstaub und CO2-Ausstoß zu gewinnen. Darum ist der totale Klimaschutz eine Sache aller hier Lebenden. Niemand kann sich auch nur mit einem Schein von Berechtigung an diesen Forderungen vorbeidrücken.
Es ist also an der Zeit, den säumigen Politikern Beine zu machen. Sie müssen aus ihrer bequemen Ruhe aufgerüttelt werden. Wir können nicht warten, bis sie von selbst zur Besinnung kommen und es dann vielleicht zu spät ist. Es muss wie ein Alarmruf durch alle hier Lebenden gehen. Es sind deshalb eine Reihe von Maßnahmen zu treffen, die dieser neuen Dimension der Umweltgefährdung Rechnung tragen. Wir haben beispielsweise die Schließung von Shisha-Bars und Diskotheken vor. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es heute noch Menschen gibt, die Angst vor Feinstaub haben und gleichzeitig bis tief in die Nacht in verrauchten Shisha-Kneipen herumsitzen. Ich muss daraus nur folgern, dass sie es mit ihren Umweltpflichten und -ängsten nicht allzu genau nehmen. Wir werden diese Lokalitäten schließen, weil sie anfangen, uns lästig zu fallen, und das Bild des Natur- und Klimaschützers trüben. Wir verfolgen damit durchaus keine muckerischen Ziele. Nach der Rettung des Klimas wollen wir gern wieder nach dem Grundsatz verfahren: Leben und leben lassen. Während der Klimarettung aber gilt der Grundsatz: Konsum sparen und sparen lassen!
Schmerzende Lungen sollen die Zukunft sein?
Auch Luxusrestaurants und Metzgereien, deren Aufwand in keinem Verhältnis zum erzielten Effekt steht, werden der Schließung zum Opfer fallen. Es mag sein, dass der eine oder der andere auch während der Erfüllung der Klimaschutzziele noch in der Pflege des Magens eine Hauptaufgabe sieht. Auf ihn können wir dabei keine Rücksicht nehmen. Wenn bei Umweltveranstaltungen unsere Freundinnen und Freunde vom einfachen Mitglied bis zur Parteivorsitzenden vegetarisch aus der Gemüseküche essen, so glaube ich, ist es nicht zu viel verlangt, wenn wir in der bürgerlichen Gesellschaft jeden zwingen, wenigstens auf die elementarsten Gebote des Gemeinschaftsdenkens Rücksicht zu nehmen. Fleischesser wollen wir wieder nach der Klimarettung werden. Heute haben wir Wichtigeres zu tun, als den Magen zu pflegen. Auch ungezählte Luxus- und Repräsentationsgeschäfte werden zur Auflösung kommen. Sie sind für das umweltbewusst kaufende Publikum vielfach ein ständiger Stein des Anstoßes. Aus fairem Handel zu kaufen gibt es dort praktisch kaum etwas. Was haben Geschäfte für einen Zweck, die keine Fair-Trade-Waren anbieten und nur elektrisches Licht, Heizung und menschliche Arbeitskraft verbrauchen, die uns anderswo, vor allem in der ökologisch-landwirtschaftlichen Produktion, an allen Ecken und Enden fehlen?
Wir wollen lieber ein paar Jahre geflickte Kleider tragen, als einen Zustand heraufbeschwören, in dem unsere Kinder und Enkel ein paar Jahrhunderte in Müll und mit schmerzenden Lungen herumlaufen müssten. Was sollen heute noch Modesalons, die Licht, Heizung und menschliche Arbeitskraft verbrauchen? Sie werden nach der Klimarettung, wenn wir wieder Zeit und Lust dazu haben, neu entstehen. Was sollen Frisiersalons, in denen ein Schönheitskult gepflegt wird, der ungeheuer viel Zeit und Arbeitskraft beansprucht, der für den sozialen Frieden zwar sehr schön und angenehm, für unseren Kampf für eine bessere Umwelt aber überflüssig ist?
Auch alberne Arbeiten, die mit dem Klimaschutz überhaupt nichts zu tun haben, müssen bei Industrie und Verwaltung abgestellt werden. Vieles, was uns bisher schön und erstrebenswert war, wirkt im Kampf um eine saubere Umwelt nur lächerlich. Wenn sich beispielsweise, wie mir berichtet wurde, eine Reihe von Stellen wochenlang mit der Frage beschäftigen, ob man das Wort „Frau“ durch das Wort „weibliches soziales Konstrukt“ ersetzen solle, und darüber sogar umfangreiche Aktenvorgänge anlegen, so habe ich den Eindruck, und ich glaube, jeder Klimaschützende teilt diesen, dass Personen, die sich mit solchen Kindereien beschäftigen, nicht ganz ausgelastet sind und zweckmäßigerweise in eine Müllsammlung gesteckt oder auf eine Umweltdemo geschickt werden sollten.
Überhaupt müssen alle, die im Dienst des Klimaschutzes tätig sind, den Menschen in der Arbeit sowohl in der äußeren wie in der inneren Haltung stets ein leuchtendes Beispiel sein. Es macht zum Beispiel auf die Bürgerinnen und Bürger keinen guten Eindruck, wenn wir mit einem riesen Medienaufwand die Parole ausgeben: ,,Maximal drei Flüge pro Jahr”, die Bürgerinnen und Bürger daraus die Folgerung ziehen und keine unnützen Reisen antreten, dagegen arbeitslose Abgeordnete dadurch nur mehr Platz im Flugzeug bekommen. Die Eisenbahn dient heute klimaneutralen Transporten und umweltbewussten Geschäftsreisen.
Wollt Ihr den totalen Klimaschutz?
Urlaub hat nur der zu beanspruchen, der sonst in seiner Arbeits- oder Schaffenskraft schwer gefährdet würde. Jetzt aber müssen wir für die Umweltrettung unter weitestgehender Aufopferung unserer Bequemlichkeit kämpfen. Ich weiß, dass große Teile der Bürgerinnen und Bürger dabei schwere Opfer bringen müssen. Ich habe Verständnis für diese Opfer, und wir als Grüne sind bemüht, diese auf ein Mindestmaß zu beschränken. Aber ein gewisser Rest wird übrig bleiben, der getragen werden muss. Nach der Klimarettung werden wir das, was wir heute auflösen, größer und schöner denn je wieder neu aufbauen, und der Staat wird dazu seine helfende Hand leihen.
Ich wende mich in diesem Zusammenhang eindringlich gegen die Behauptung, dass mit unseren Maßnahmen eine Stilllegung des Mittelstandes oder eine ökologische Monopolisierung unserer Wirtschaft bezweckt würde. Nach der Rettung des Klimas wird der Mittelstand sofort wieder in größtem Umfange wirtschaftlich, ökologisch und sozial wiederhergestellt. Die augenblicklichen Maßnahmen sind ausschließlich Notmaßnahmen für die Klimarettung und Umweltbedürfnisse. Sie streben nicht eine strukturelle Veränderung der Wirtschaft an, sondern sind lediglich auf das Ziel ausgerichtet, dem Weltklima so schnell und so gründlich wie möglich zu helfen. Denn hier liegt der Weg zum Erfolg.
Ich streite nicht ab, dass uns auch angesichts der Durchführung der eben geschilderten Maßnahmen noch sorgenvolle Wochen und Monate bevorstehen. Aber damit schaffen wir jetzt endgültig saubere Luft. Wir stellen diese Maßnahmen auf die Aktionen des kommenden Sommers ein und begeben uns heute, ohne den Drohungen und Großsprechereien von Rechtspopulisten und Klimaleugnern irgendeine Beachtung zu schenken, an die Arbeit. Ich bin glücklich, dieses Programm des Erfolgs den Bürgerinnen und Bürgern vortragen zu dürfen, die diese Maßnahmen nicht nur willig auf sich nehmen, sondern sie fordern, und zwar dringender, als das je im Verlaufe dieses langen Rettungsprozesses der Fall gewesen ist. Die Menschen wollen, dass durchgreifend und schnell gehandelt wird. Es ist Zeit! Wir müssen den Augenblick und die Stunde nutzen, damit wir vor kommenden Überraschungen gesichert sind.
Liebe Freundinnen und Freunde, ich frage Euch: Wollt Ihr den totalen Klimaschutz? Wollt ihr ihn, wenn nötig, totaler und radikaler, als wir ihn uns heute überhaupt vorstellen können?
Die Rede kommt Ihnen bekannt vor? Woher bloß? Wer es richtig rät, kriegt eine Tüte Maoam!