Hans-Jörg Jacobsen, Gastautor / 26.05.2020 / 15:00 / Foto: Beercha / 19 / Seite ausdrucken

Biogärtner sein ist schwer

Als wir vor fast 30 Jahren unser Haus in der Region Hannover bezogen, freute ich mich auf meinen ersten eigenen Garten und wollte alles richtig machen, also erstand ich auch Bücher über Bio-Gärten. Ich hätte gewarnt sein sollen, als ich in einem der Bücher auch Hinweise über die richtigen Termine für die Aussaat in Bezug auf Mondphasen und Sternenkonstellationen fand. Gewarnt deshalb, weil ich bei einem Besuch beim Friseur in einer der dort ausliegenden Zeitschriften, in denen das Thema auch behandelt wurde, Widersprüche zu den Empfehlungen des von mir erworbenen Ratgebers fand, insbesondere, welche Mondphasen die Aussaat von Blattgemüse fördern würden.

Weitere Recherchen ergaben dann, dass die verschiedenen Ratgeber sich nicht einig waren, was überhaupt wann zu welcher Sternenkonstellation oder Mondphase gesät oder gepflanzt werden durfte. Die hätten wenigstens voneinander abschreiben können, aber offenbar gibt es auch in diesen Kreisen verschiedene – also jetzt hätte ich fast „Denk“-Schulen geschrieben, besser wäre vermutlich der Begriff „Spökenkieker- Gemeinden“. Aber vermutlich sehen die alle andere Sterne, abhängig davon, was sie gerade geraucht haben, oder sie haben die Texte der Horoskope, die sie sonst für kostenlose Werbeblätter schreiben, gärtnerisch recycelt. Also habe ich mich nicht danach gerichtet. Aber schon damals habe ich nach einer Anleitung aus einem dieser Ratgeber – das vermeintliche spätere Insektensterben männlich-intuitiv voraus ahnend – ein Insektenhotel geschreinert, welches sich dann aber eher als Futterstation für Blau- und Kohlmeisen entpuppte:

Die holten sich dann die Larven aus den hohlen Schilf- oder Bambusstengeln und die Wildbiene schaute in die leere Röhre. Habe ich damit zum Bienensterben beigetragen? Man weiß es nicht. Apropos Meisen (ich meine die gefiederten, nicht die von Claudia oder Kevin): Die fand ich dann öfters festgeklebt und tot an den Leimringen, die ich gegen die verschiedenen Spannerarten um die Obstbäume gewickelt hatte, Leimruten halt, für Meisen attraktiv wegen der dort festgehaltenen Insekten, aber gelegentlich auch lebensverkürzend: Protestantische Arbeitsethik eben: Wer nicht im Schweiße seines Angesichts die Insekten selber fängt, sondern nach den niedrig hängenden Trauben greift, gehört bestraft. Sollte eigentlich auch für das „Wort zum Sonntag“ gelten.

Obst, nicht für Veganer geeignet

Ach ja, die Insekten. Die Leimringe sollen ja auch die Ameisen fernhalten, die sich in den Baumkronen Blattläuse in einer Art von Massentierhaltung halten, um sich von den süßen Sekreten ihrer Darmausgänge zu nähren. Funktioniert auch meistens, aber auf den Leimringen werden auch die Larven der Marienkäfer gestoppt, die fleißigsten aller Blattlausvertilger. Allerdings: Obgleich zeitgemäß im Frühherbst angebracht, helfen die Leimringe nur bedingt gegen Kirsch- oder Pflaumenmaden, auch die Apfelwickler lassen sich kaum aufhalten. Auch in den Bäumen aufgehängte Pheromonfallen, dann irgendwann angefüllt mit sexuell völlig frustrierten toten Männchen, halfen nicht wirklich. Jedenfalls ist in manchen Jahren unser Obst nicht für Veganer geeignet, jedenfalls sollte man vor dem Verzehr mal nachschauen.

Ich frage mich daher auch, ob als „vegan“ verkaufte Fruchtsäfte – vor allem die in „Bio-Qualität“ – wirklich das Werbeversprechen halten können. Hätte ich noch mein Labor an der Uni, würde ich eine Bachelorarbeit ausgeben, die erforschen sollte, ob sich in diesen Säften tierische Proteine nachweisen lassen. Wäre vermutlich genauso spaßig wie die Arbeit, in der eine Lehramtsstudentin in meiner Abteilung (Danke, Linda B.!) auf Bio-Kohlrabi das Bt-Toxin und die dazugehörige DNA nachweisen sowie lebende Bakterien von Bacillus thuringiensis isolieren konnte. Sollten wir mal publizieren, um die Bio-Bande, die ja so vehement gegen ebendieses Prinzip agiert, wenn es gentechnisch eingesetzt wird, mal aufzumischen …

Fazit: Ich habe seither stets einen kleinen Vorrat an den handelsüblichen, für den Hausgärtner zugelassenen Pflanzenschutzmitteln im (Garten-)haus, beteilige mich durch Jäten mit der Hand aber vollbiologisch an der Dezimierung der Biodiversität einer mich störenden Ackerbegleitflora.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Claudius Pappe / 26.05.2020

Ein guter Mensch zu sein, erfordert einige Opfer.

giesemann gerhard / 26.05.2020

Tja, vor der Chemie waren die Leute halt verhungert - ganz gesund und bio-logisch. Denn alle wollen mitfressen ... . Und: Nur selber fressen macht fett, oder?

Wolf-Dieter Schleuning / 26.05.2020

Lebende B-thüringiensis sind in der von Rudolf Steiner inspirierten bio-dynamischen Landwirschaft seltsamerweise erlaubt, gentechnisch produziertes Bt-Toxin dagegen nicht. Gleichermassen ist im Weinbau das bodenverseuchnde Kupfersulfat erlaubt als Fungizid nicht aber die umweltverträglichen synthetischen Fungizide von Bayer. Diese anthroposophischen Biogärtner sind eine esoterische Sekte mit grosser Affinität zu den Grünen und früher zu den Braunen.

F. Auerbacher / 26.05.2020

Brüller: “Protestantische Arbeitsethik eben: Wer nicht im Schweiße seines Angesichts die Insekten selber fängt, sondern nach den niedrig hängenden Trauben greift, gehört bestraft.” oder “... ob als „vegan“ verkaufte Fruchtsäfte – vor allem die in „Bio-Qualität“ – wirklich das Werbeversprechen halten können”. Ich habe herzlich gelacht, vielen Dank!

Dieter Kief / 26.05.2020

Deprimierend! Diese Gärten - nix als Arbeit! Hehe, manchmal schreib ich auhc liebr aunig Sachen in Leserbriefspalten, als - - - im garten den rücken zu beugen, ne…

Sebastian Weber / 26.05.2020

Pflanzenschutzmittel - ohhhh Sie Bienenmörder! Wenn das die Grünen Khmer hören, werden Sie exkommuniziert oder sogar Ihrer bürgerlichen Ehrenrechte beraubt!

Nathalie Nev / 26.05.2020

Ja,  und bei den Leimringen krochen die Ameisen im Apfelbaum nach kuerzester Zeit darunter durch.

Hagen Müller / 26.05.2020

Mondphasen fürs Blattgemüse.. Ja, da hätte man stutzig werden können. Ich hoffe weiterhin, dass bereits nach der ersten am Leimring klebenden Blaumeise diese Dinger abgenommen wurden? Die Meisenfütterung am *Bienenhotel* wiederum sehe ich eher als positiven Effekt. Und Blattlasuvertilger par excellence sind Wespen. Und Hornissen wiederum halten Wespen in Schach… Ein paat Bienenstöcke in Gartennähe lassen beide Populationen wachsen. Ansonsten braucht ein Garten ein paar Jahre, bis sich ein halbwegs stabiles Biotop bildet, wo *Schädlinge* und *Räuber* halbwegs ausgeglichen sind…Es geht im eigenen Garten dann tatsächlich ohne “einen kleinen Vorrat an den handelsüblichen, für den Hausgärtner zugelassenen Pflanzenschutzmitteln”. Bei wirklich heftigem Blattlausbefall mache ich eine Mischung aus einem Liter Wasser, einem walnussgroßem Stück SCHMIERseife und einem Schluck Spiritus und verteile die mit einem Pumpsprüher. als Fungizid funktioniert die *Bordeaux- Brühe* wunderbar. Ja, ist Kupfer drin, sparsam anwenden. Stickstoffreiche Pflanzenbrühen für die Vitalität der Kulturpflanzen funktionieren (Brennessel oder Beinwell), ebenso hat eine Brühe aus Hollunderblättern, 14 Tage lang gegoren, einen temporären Effekt gegen Wühlmäuse, allerdings muss man die eigenen Geruchsnerven ausblenden. Silikatische Steinmehle, bei den Demeter- Jüngern ein Muss, funktionieren auch zur Verbesserung des Pflanzenwachstums. Man weiss jetzt auch, anders als zu Steiners Zeiten, warum: wohl im Wesentlichen durch Bodenbakterien werden geringe Mengen Kieselsäure gebildet, die im Boden gebundenen Phosphor pflanzenverfügbar machen. Ich behelfe mir mit Steinsand, *Urgesteinsmehl* braucht es nicht…. Fröhliches Gärtnern und immer etwas Eiweiss im Obst! Dann isses in Ordnung!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Hans-Jörg Jacobsen, Gastautor / 04.06.2020 / 06:15 / 53

Damenkollektion mit Aluhut

Die allseits bekannte und von der Evangelischen Kirche Deutschlands gerne mit fünf- bis sechsstelligen Honoraren bedachte Vandana Shiva machte den Anfang: Corona sei irgendwie die Folge von Gen-Sojya. Berufs-Aktivistin Shiva,…/ mehr

Hans-Jörg Jacobsen, Gastautor / 11.04.2020 / 06:11 / 87

Ist es an der Zeit, den Hund zu essen?

Also, ich muss gestehen: Den Klimawandel gibt es wirklich, denn das Klima hat sich immer gewandelt, wenn es stillstehen würde, müsste man sich Sorgen machen.…/ mehr

Hans-Jörg Jacobsen, Gastautor / 02.04.2020 / 15:00 / 24

Rettet „Bio“ das Klima? Eher nicht.

Vor ein paar Tagen kam das neue Heft der Stiftung Warentest, interessant, weil ich die Anschaffung eines Mähroboters ins Auge fasse. Dann, Seite 9, eine…/ mehr

Hans-Jörg Jacobsen, Gastautor / 10.01.2019 / 10:00 / 11

„Ohne Gentechnik“, ohne Verstand, aber mit SPD

Wenn die Spitze einer Partei nicht auf ihre Mitglieder und Wähler hört und sich selbst genug zu sein scheint, ist das ihre Sache, mit allen…/ mehr

Hans-Jörg Jacobsen, Gastautor / 12.10.2018 / 11:00 / 14

WHO: Fahrverbote für Windräder!

Wer erinnert sich nicht an den in die WHO-Unterorganisation IARC eingeschleusten Herrn Portier, der sich von Beutegreiferanwälten dafür bezahlen ließ, Glyphosat als „probably carcinogenic“ einzustufen? Alles,…/ mehr

Hans-Jörg Jacobsen, Gastautor / 03.08.2018 / 06:25 / 33

EuGH-Gentechnik-Urteil: Lacht sie in Grund und Boden!

In einem seiner Songs hat Herbert Grönemeyer die Zeile „wir werden in Grund und Boden gelacht“ untergebracht. Er begründet in diesem Song seine Hypothese, nach der…/ mehr

Hans-Jörg Jacobsen, Gastautor / 12.10.2017 / 06:10 / 3

Was ist heute Gentechnik – und was nicht?

Von Hans-Jörg Jacobsen. Mutter Natur ist eine Schlampe, sie arbeitet nicht sehr präzise. Nehmen wir als Beispiel mal die Zellteilung: Vor jeder Zellteilung muss die…/ mehr

Hans-Jörg Jacobsen, Gastautor / 24.04.2017 / 12:00 / 11

Die Grünen und der „March for Science“: Alle mal zurücktreten

Von Hans-Jörg Jacobsen. Eines muss man Donald Trump lassen: Mit seinen geplanten Kürzungen des Budgets der US-Umweltbehörde EPA und in der medizinischen Grundlagenforschung am NIH…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com