Mausert sich Precht zum Regierungs-Kritiker?

Schärft Precht sein Profil als Salon-Kritiker des Mainstreams? Im aktuellen Podcast „Lanz & Precht“ findet er deutliche Worte für Annalena Baerbock – sie sei ein „Unfall“ und zum „Fremdschämen“.

Unsere Meinungswelt gestaltet sich heutzutage bipolar. Grob kann man die politischen Diskursteilnehmer unterscheiden in jene, die die Regierungslinie befürworten und jene, die sie kritisieren. Dazwischen gibt es wenig Grautöne. Einzig der Ukrainekrieg hat diese klare Linie ein wenig aufgebrochen und dafür gesorgt, dass mitunter pro-ukrainische Regierungskritiker die deutsche Außenpolitik loben und eigentliche Mainstream-Befürworter sich mit ihrer pro-russischen Meinung plötzlich nicht mehr auf offizieller Linie befinden.

Abgesehen davon gibt es wenig „Ausreißer“ zwischen beiden Lagern. Umso verblüffender, dass ausgerechnet Feuilleton-Liebling Richard David Precht in letzter Zeit durch Äußerungen von sich reden macht, die nicht in sein Profil zu passen scheinen. Mir war er sehr unangenehm durch seine Befürwortung der Freiheitseinschränkungen im Rahmen der Corona-Politik sowie seine Liebe zu Verboten, vor allem um die „Klimaziele“ zu erreichen, aufgefallen. Kurz vor der Coronakrise hatte er schon verkündet, dass die Menschen Verbote lieben. Wir haben es bei dem Bestsellerautor also nicht gerade mit einem Freigeist zu tun.

Ende 2021 machte er Schlagzeilen, weil er im gemeinsamen Podcast mit Markus Lanz den „Impfdruck“ kritisiert hatte. Bereits zuvor hatte er sich gegen die Kinderimpfung ausgesprochen. Er stellte die Forschung um die Corona-Impfstoffe infrage und äußerte: „Von solchen gentechnischen Impfstoffen, Markus, haben wir keine einzige Langzeitwirkungsstudie.“ Für einen Mainstream-Vertreter fast schon ein Aufruf zur Revolution.

Auf Vorwürfe reagierte er natürlich sehr unsportlich mit dem Hinweis, dass es „nicht viele Leute in diesem Land geben (dürfte), die sich so sehr mit Querdenkern und Neuen Rechten angelegt haben wie ich in Büchern und Essays. Dass es Journalisten fertigbringen, mich in einem Atemzug mit denen zu nennen, ist unfassbar“.

Salon-Kritiker des Mainstreams

Ende Juni 2022 gehörte er zu den Unterzeichnern eines Briefes, die einen Waffenstillstand und Verhandlungen im Ukrainekrieg forderten. Im November ruderte er jedoch zurück, und gab an, von der „Fehlannahme ausgegangen (zu sein), dass es sich nicht lohnt, sich zu verteidigen, wenn der Krieg in ein, zwei Wochen verloren ist. Man kann sehen, wie man sich täuschen kann“.

Die für den verwöhnten Medienstar ungewöhnliche Kritik in beiden Fällen hat ihn scheinbar dazu veranlasst, gemeinsam mit Harald Welzer das Buch „Die vierte Gewalt. Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist“ vorzulegen. Wie es bei Tichys Einblick heißt, beschreiben die beiden darin „korrekt die Mechanismen sensationsgieriger Medien, Verflechtungen von Politik und Journalismus, die gefährliche Boulevardisierung und Personalisierung der politischen Berichterstattung“. Genug, dass nach Erscheinen des Buches viele Leitmeiden „tief empört reagierten“. Laszlo Trankovits betont in seinem Beitrag jedoch, dass durch das Verharren in linken Narrativen eine wirklich gründliche Analyse ausbleibe und sich das Autoren-Duo natürlich „die Abgrenzung nach ‚rechts‘“ nicht verkneifen konnte. Aber immerhin habe es somit endlich einmal Medienkritik im Mainstream gegeben.

Schärft Precht also sein Profil als Salon-Kritiker des Massengeschmacks? Im aktuellen Podcast von „Lanz & Precht“ findet er schon deutlichere Worte, und zwar für unsere Außenministerin Annalena Baerbock. Von Lanz gefragt, was er von ihrem Auftritt in China halte, sagte Precht:

„Das ist doch unsagbar zum Fremdschämen!“

„Dann habe ich das Gefühl, wenn ich ganz ehrlich sein darf, dass ich immer denke: Was für ein Unfall, dass diese Frau Außenministerin geworden ist! Die hätte doch unter normalen Bedingungen im Auswärtigen Amt nicht mal ein Praktikum gekriegt. Dass jemand mit der moralischen Inbrunst einer Klassensprecherin einer Weltmacht, einer Kulturnation versucht zu erklären, was westliche Werte sind, sie als systemische Rivalen definiert und quasi ein Eskalationsszenario an die Wand malt! Eine wertegeleitete Außenpolitik, die in Wirklichkeit eine konfrontationsgeleitete Außenpolitik ist.“

Precht schlägt vor, stattdessen „kleinere Brötchen“ zu backen, und sich lieber auf den eigenen wirtschaftlichen Erfolg zu konzentrieren, dann würden uns die Chinesen auch ernst nehmen. Würden wir die Brücken zu China abbauen, ginge unsere Wirtschaft den Bach runter und man würde uns und unsere westlichen Werte erst recht nicht mehr ernst nehmen. Wer wirtschaftlich stark ist, könne hingegen andere überzeugen, ohne sie zu belehren. Auf den wirtschaftlichen Niedergang Deutschlands folge der moralische. Über westliche Belehrungsfloskeln würden die Chinesen nur lächeln. Er fügt hinzu:

„(Helmut) Schmidt hat immer sehr bewusst gesagt, dass er die westlichen Werte notfalls auch mit dem Knüppel verteidigen würde. Dass es aber nicht unsere Aufgabe ist, andere Länder wie China zu erziehen oder zu belehren mit diesen Werten. Und ich würde mir so wünschen, wir würden zu dieser Schmidt’schen Weisheit zurückkommen. Und ich möchte keine Außenministerin sehen, die in der UNO den Chinesen droht, für den Fall, dass sie Taiwan angreifen. Mit was denn? Da ist diese gerade mal etwas über 40-jährige, junge Frau, die in ihrem Leben noch nichts geleistet hat und droht diesem Land, das 600 Millionen Menschen aus der Armut rausgeholt hat, das die rasanteste wirtschaftliche Entwicklung hingelegt hat, die je ein Land auf diesem Planeten gemacht hat –, das ist doch unsagbar zum Fremdschämen!“

Man muss kein China-Freund sein, um derartige Auftritte Baerbocks lächerlich zu finden. Und sicherlich haben wir Deutschen mit unserer eigenen wirtschaftlichen Situation alle Hände voll zu tun – die wirtschaftsfeindliche Politik, die sich zum Beispiel in explodierenden Energiepreisen und hohen Steuern niederschlägt, ist alles andere als unternehmerfreundlich. Und dass wir unter einer Talentabwanderung leiden, ist auch nichts neues.

Wenn Precht allerdings schon dabei ist, die Weltfremdheit der deutschen Politik angesichts unserer eigenen schwindenden Bedeutung zu kritisieren, sollte ihm vielleicht auch aufgehen, dass zum Beispiel die Maßnahmen des von ihm gelobten „Klimaschutzes“ nicht gerade dazu beitragen werden, unsere wirtschaftliche Position zu stärken. Wie dem auch sei – vielleicht kommt der „André Rieu der Philosophie“ ja auf den Geschmack, sich in Kritik zu üben, die den Betreffenden wirklich weh tut.

Foto: Amanda Berens/Random House CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Wolfgang Richter / 26.04.2023

@ Marc Munich - “In Wahrheit handelt es sich hier um einen lupenreinen TOTALschaden, der schon als wandelnder Unfall gestartet ist.” Aber der Auch-Precht-Spruch “Das einzige, was an der Dame noch Grün ist, ist die Farbe hinter ihren Ohren.” zeugt doch von einem gewissen lichten Moment.

Karl-Heinz Vonderstein / 26.04.2023

Apropo Klimaschutz:“Das Klima lässt sich nicht schützen.”- Reinhold Messner.

Werner Arning / 26.04.2023

@Jochen Becker, Ja, so scheinen sich die Dinge leider darzustellen. Ich brauchte einige Zeit, bis mir das klar wurde (Schlüsselerlebnis : Sprengung der Pipelines und die darauf folgenden (Nicht-)Reaktionen seitens Politik und Medien in Deutschland). Auf der Achse werden Sie darüber kaum Beiträge finden. Es sei denn, in den Kommentarspalten. Wer ist von der Achse eigentlich alles Mitglied etwa bei der Atlantik-Brücke?

Sabine Heinrich / 26.04.2023

@Judith Bechtloff: “...bei dem ist das Aufsetzen eines Helms auch nur noch Hohlraumversiegelung!” Volltreffer!!!

Sabine Heinrich / 26.04.2023

@Uta Buhr: Sie nun wieder! KLASSE!!!

Patrick Meiser / 26.04.2023

@ Jochen Becker - den Nagel auf den Kopf getroffen. In nur 2 Sätzen auf den Punkt gebracht - super.

Helmut Kassner / 26.04.2023

Jedes Regime/jede Regierung/jeder Monarch hat seinen Hofnarren. In der Regel lohnt es nicht darüber zu reden oder zu schreiben. Man genießt einfach seine Faxen und Späße.

Hans-Peter Dollhopf / 26.04.2023

Hatte mir am Nachmittag kurz einen passenden Kommentar zu der Type formuliert und wieder vergessen, G’schiß. Ps: der kommt neuerdings so fleischhauerisch .

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