Henryk M. Broder / 04.10.2012 / 12:03 / 0 / Seite ausdrucken

Man nimmt übel

Zur Zeit von Kurt Tuchsolky war es so: „Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel.“ Heute ist es ganz anders: Wenn einer bei uns die Situation in einem so genannten Problembezirk so beschreibt wie sie sind, dann steht halb Deutschland vom Sofa auf und nimmt übel.

Heinz Buschkowsky, der Bürgermeister des Berliner Bezirks Neukölln, hat ein Buch über die Zustände vor seiner Haustür geschrieben. Es heisst „Neukölln ist überall“ und sorgt derzeit für heftige Debatten. Nicht darüber, ob die Dinge so sind, wie sie von Buschkowsky präsentiert werden, sondern ob es opportun ist, sie so darzustellen. Dazu muss man folgendes wissen:

In Neukölln leben etwa 315.000 Menschen. So viele wie in Island. Würde sich Neukölln für unabhängig erklären, könnte es einen Antrag auf Aufnahme in die UNO, die NATO, die OSZE und den Weltpostverein stellen. Dem steht freilich die Bevölkerungsstruktur des Bezirks im Wege. Über 40% der Neuköllner haben einen „Migrationshintergrund“, in einigen Schulen sind über 80% der Schüler nichtdeutscher Herkunft; deren Eltern gehen keiner geregelten Arbeit nach, sondern leben von Sozialhilfe.

Die Verhältnisse sind, wie man neuerdings sagt, prekär.

Nun sagt Buschkowsky im Grunde nichts Neues,  wenn er feststellt, dass viele Migranten, im Vertrauen auf den Wohlfahrtstaat, sich nicht integrieren wollen, und dass man sie dafür nicht auch noch belohnen sollte. Das haben auch die Soziologin Necla Kelek, die Jugendrichterin Kirsten Heisig und der Ökonom Thilo Sarrazin geschrieben. Und über jeden brach der gleiche Shitstorm herein. So ergeht es derzeit auch Buschkowsky, einem Arbeitersohn, der seit 40 Jahren in der SPD aktiv ist. Die einen schreien „Rassismus“, die anderen behaupten, er polarisiere. Der Bezirksbürgermeister von Kreuzberg wirft ihm eine „“alarmistische, tendenziell rechtspopulistische Grundhaltung“ vor, eine Kolumnistin des Berliner Tagesspiegels Kalkül und Skrupellosigkeit. Der Mann wolle nur „seine zwischen Buchdeckel geklebten Ergüsse“ verkaufen. Sie dagegen tue sich schwer damit, „die eigene Sicht anderen in gedruckter Form unter die Nase zu schieben“.

Da haben die Leser des Tagesspiegels noch mal Glück gehabt.

Erschienen in der Weltwoche, 4.10.12

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