Gastautor / 26.04.2021 / 06:15 / Foto: Pixabay / 44 / Seite ausdrucken

Lenk ich durch Deutschland in der Nacht

Von Alexander Eisenkopf und Andreas Knorr.

Eine Sternstunde der Demokratie sah der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus in der Debatte anlässlich der Verabschiedung des Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite: „Nie war so viel Demokratie in der Pandemiebekämpfung wie jetzt“ lautete ein Kernsatz seiner mit großem Pathos und zeitweise den Tränen naher Stimme vorgetragenen Rede. 

Schaut man sich die Regelungen des mittlerweile berühmt-berüchtigten Paragraphen 28b des neuen Infektionsschutzgesetzes genauer an, fühlt man sich bedauerlicherweise an eine andere demokratische Republik auf deutschem Boden erinnert, die auch mit dem Reisen ihre Probleme hatte. Oder ist das alles eine große Realsatire?

Seit Wochen wird über den Sinn und Unsinn von Ausgangssperren diskutiert. Den Allermeisten dürfte klar sein, dass es dabei nicht um nächtliche Spaziergänge in holder Frühlingsluft geht, sondern darum, private Zusammenkünfte zu verhindern, auch wenn kein Politiker dies so sagt. Da Diskotheken, Clubs, Gaststätten, Bars und dergleichen geschlossen sind, verlagern die Bürger das Feiern eben ins Private. Dies kann nur verhindert werden, wenn über Ausgangssperren sozusagen die Logistik der Feierwilligen unterbunden wird. In die Wohnungen selbst traut man sich ja (noch) nicht. 

Dass jetzt aber auch das Reisen in Pkw und Zügen beziehungsweise der Aufenthalt auf Flughäfen unter die Ausgangssperre fallen, wenn Gebiete tangiert werden, wo eine solche gilt, hat eine neue Qualität. Dazu stellen die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages in trockenem Juristendeutsch fest:

„Ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs sollen auch öffentliche Verkehrsmittel von der Ausgangsbeschränkung erfasst sein. Demnach ist also in Landkreisen bzw. kreisfreien Städten, in denen die Ausgangsbeschränkung gilt, zwischen 22 Uhr und 5 Uhr der Aufenthalt in Fortbewegungsmitteln untersagt. Eine Durchreise wäre nur dann gestattet, wenn dies in § 28b Abs. 1 Nr. 2 IfSG n.F. als Ausnahmetatbestand definiert wäre; dies ist jedoch nicht der Fall. Daraus folgt, dass eine Durchreise durch Gebiete, in denen die Ausgangssperre gilt, nur dann gestattet ist, wenn sie einem der in § 28b Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a-f IfSG n.F. genannten Ausnahmetatbestände dient.“

Was machen Menschen, die dauerhaft in einem Wohnmobil leben?

Wunderbar, welche bürokratischen Monster das Handwerk der Pandemiebekämpfung so gebiert. Darf der Schienenverkehr der Deutschen Bahn nachts Gebiete ab einer bestimmten Inzidenz nicht mehr durchfahren? Müssen Autobahnen ab 22:00 Uhr für private Fahrten gesperrt oder der Verkehr umgeleitet werden? Dürfen Flugpassagiere mit touristischen Absichten nicht mehr zwischen 22:00 und 05.00 Uhr für Nacht- oder Frühflüge anreisen oder auch losfliegen? Und was machen Menschen, die dauerhaft in einem Wohnmobil leben?

Die ersten der letzten Aufrechten haben Gottseidank bereits gegen diese Absonderlichkeiten opponiert. So wettert Wolfgang Kubicki gegenüber der Presse, das Ganze sei ein „weder für die Bürger noch die Behörden einzuhaltender Irrsinn“. Bundesgesundheitsminister Spahn bestätigte aber am letzten Freitag gegenüber der Presse, dass mit Inkrafttreten des geänderten Infektionsschutzgesetzes faktisch auch ein Nachtreiseverbot für weite Teile Deutschlands gelte. „Wenn es heißt, nicht rausgehen, heißt das also auch, nicht zu reisen“, antwortete er auf eine entsprechende Anfrage der Neuen Zürcher Zeitung.

Bekanntermaßen waren in der Deutschen Demokratischen Republik touristische Auslandsreisen für DDR-Bürger nur in Länder des damaligen Ostblocks möglich. Reisen in das nicht-sozialistische Ausland waren nur in Ausnahmefällen möglich. Gründe für das Verbot einer Reise, eine sogenannte Reisesperre, waren vielfältig. Dazu gehörte "der Schutz der öffentlichen Ordnung oder anderer staatlicher Interessen der Deutschen Demokratischen Republik" sowie "der Schutz der Prinzipien der sozialistischen Moral und sozialer Erfordernisse", wie es „Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU)“ (im Original noch nicht gegendert) auf der Internetpräsenz Demokratie statt Diktatur dokumentiert.  

Wahrscheinlich ist nächtliches Reisen auch heute der öffentlichen Ordnung und den sozialen Erfordernissen nicht zuträglich. Ziehen wir also die Zipfelmützen an, gehen früh schlafen und warten auf eine neue Sternstunde der Demokratie. 

 

Prof. Dr. Alexander Eisenkopf ist Wirtschaftswissenschaftler und Professor für Wirtschafts- und Verkehrspolitik an der Zeppelin Universität Friedrichshafen.

Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Knorr ist Professor für Volkswirtschaftslehre, insbes. Wirtschafts- und Verkehrspolitik, an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer.

Foto: Pixabay

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Tobias Kramer / 26.04.2021

Wer aus Angst um ein Bußgeld sein Leben aufgibt und sich einsperren lässt, ist selbst schuld. Ich habe bereits fünf Bußgeldbescheide erhalten, einer davon für die gesamte Familie nach einem maskenfreien Ausflug im Januar ohne Abstand. Auf alle Widersprüche gegen diese Bescheide gab es bis heute keine Entscheidung. Jeden Tag, jede Stunde und jede Minute, die ihr euch von dieser korrupten Regierung und ihren Helfershelfern rauben lasst, geht von eurer Lebenszeit ab und die gibt euch keiner zurück. Uns tangiert diese politmediale Panikmache und das Geblubber der Sichfürwichtighaltenden nur noch rektal. Was wir nicht ändern können, wie zum Beispiel geschlossene Geschäfte, nehmen wir so hin. Sonst läuft unser Leben weitgehend normal weiter. Diese Angstumkehr sollten wir alle betreiben. Sprich, erst wenn alle ihre Angst verlieren, bekommen die da oben Angst. Und erst dann hört der ganze Spuk auf. Vorher nicht.

Heiko Stadler / 26.04.2021

Immer wieder hört man die Aussage, Merkel-EUtschland sei ein Irrenhaus. Das ist falsch, denn in einem Irrenhaus sagen Normale Bekloppten, was sie zu tun haben.

Andreas Rühl / 26.04.2021

Ich habe mir am Wochenende die Zeit genommen, diesen gesetzesgallimathias anzuschauen. Für mich ist jetzt eines ganz klar. Kein Jurist kann ernstlich der Meinung sein, dass dieses Gesetz verfassungsgemaess ist. Und das werden die Juristen auch Frau Merkel deutlich gesagt haben. Das bedeutet für mich, dass wir es mit einem vorsätzlichen verfassungsverstoss zu tun haben. Nun, bei Frau Merkel hat es ja methode, sich ueber recht und Gesetz und die verfassungsmaessige Ordnung hinweg zu setzen. Was allerdings verblüfft, ist das fast vollständige Schweigen der Staatsrechtslehrer dazu. Und das in einem Land, in dem kleine und harmlose Satire Videos einen empörungstsunami auslösen. Das ist die Konsequenz aus 10 Jahren machtmissbrauch durch das Merkelregime.

Dietmar Blum / 26.04.2021

Am effektivsten wäre, wenn die Transportwirtschaft, die eh durch die unsinnigen, nationalen wie EU-weiten sich widersprechenden Regulierungen gebeutelt ist, sich eine “Auszeit” à la Merkel von einer Woche nehmen würde, um die Regeln zu “studieren”. Kein Brot, kein Grünzeug, keine Produktion. STILLSTAND. Freie Fahrt für Lastenfahrräder, die ihren Nutzen beweisen könnten. Herrlich!

Heiko Stadler / 26.04.2021

Folgende Fragen sollten sind offen: Ist man “draußen”, wenn man sich im stehenden Auto befindet? Wenn ja, muss man dann am Auto die Räder abmontieren, um “drinnen” zu sein? Müssen Flugzeuge, die sich verspäten, notlanden oder sollen sie lieber ihre Passagiere mit Fallschirm abspringen lassen? Ich wohne am Main-Donau-Kanal: Sind nächtliche Bootsreisen erlaubt, wenn ich schon nicht Autofahren darf? Sind nächtliche Flüge mit einem Heißluftballon, so wie damals bei der Republikflucht, erlaubt? Was passiert mit obdachlosen Deutschen? Werden die jetzt in Lager abtransportiert?

Markus Harding / 26.04.2021

Dazu gab es neulich bei pi-news (jaja, ich weiß...!) eine interessanten Vorschlag: Da angemeldete Demonstrationen und die Teilnahme daran weiterhin erlaubt sind, darf man, auch nachts, zu einer solchen anreisen. Wenn ich also bei einer nächtlichen Kontrolle angeben kann, daß ich auf dem Weg nach X bin um dort an der Mahnnachtwache teilzunehmen (natürlich völlig regelkonform mit Maske und Abstand, ist das ein genehmigter Grund, noch unterwegs zu sein. Wenn es also ein Verzeichnis gäbe, wo und wann kreuz und quer durch Deutschland solche Mahnwachen stattfinden, gäbe es vielleicht immer eine, die auf dem Weg liegt. Müsste einer eine Website organisieren, wo solche Infos zu finden sind.

Gerhard Schmidt / 26.04.2021

Selbst Reisen innerhalb der DDR waren nicht ohne. Die Zuständigen Organe schauten auch auf auffällige Bewegungen von einem Bezirk zum anderen (vor allem, wenn dort z.B. ein oppositioneller Liedermacher auftrat). Z.B. Stephan Krawczyk, von dem es z.T. irrwitzige Schilderungen hierzu gibt. Aber was ist heutzutage noch “irre”?

Dalek Sander / 26.04.2021

In nicht mal einem Monat hab ich Urlaub. Geplant ist, wie üblich, erst D auf der klassischen Nord-Süd-Achse zu durchqueren, nach gut 900 km am Steuer im Süden des Landes zu übernachten und am Folgetag weiter via A und I zu fahren. An sich keine wirklich außergewöhnliche Strecke. Eine, die ich schon so oft gefahren bin… dieses Jahr wird alles… genauso sein. Falls die mich erwischen, ist es halt so. Von einer sofortigen Inschutzhaftnahme meiner Person gehe ich (noch) nicht aus, einen Führerscheinentzug an Ort und Stelle sieht das neue „Gesetz“ m.W. auch nicht vor. Daher werde ich wohl weiter fahren dürfen. Da ist die Hauptsache. Auch wenn es heißt: umdrehen, ich kenne einige Schleichwege. Kommt dann irgendwann Post, werden wir schauen, auf jedem Fall wird der Bescheid aufbewahrt – für künftige Generationen, auf jeden Fall aber für Rückforderung nach dem Politikwechsel. Womit wir bei dem eigentlichen Thema wären. Liebe Leute, ich habe 1981 bis 1983 fast zwei Jahre lang die Polizeistunde in einem spätsozialistischen Land erlebt. Und überlebt. Das gar obwohl Kriegsrecht herrschte und Zuwiderhandlungen noch etwas tiefergehende Konsequenzen haben konnten… „…verließ das Haus und kehrte drei Monate später mit dem Haftentlassungsschein“. Dieser momentane groteske Kindergarten hier kann mich nicht so recht abschrecken. Obwohl er mich zunehmend erschreckt. Damals konnte man immerhin in den Westen abhauen. Es war nicht einfach und es war nicht ungefährlich. Aber es ging. In die Freiheit. Wo ist heute der Westen, wo die Freiheit?

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