Henryk M. Broder / 17.10.2021 / 11:00 / 77 / Seite ausdrucken

Lebewohl, Lola!

Im September 2018 fiel Passanten ein Ford Kombi mit Münchener Kennzeichen auf, der in der prallen Sonne im Augsburger Textilviertel parkte. Die herbeigerufene Feuerwehr brach den Wagen auf und fand darin zwanzig Hunde, die so aussahen, als hätten sie eine lange und anstrengende Reise hinter sich. Die Feuerwehrmänner brachten die Tiere in ein Augsburger Tierheim, wo sie medizinisch versorgt, aufgepäppelt und später zur Adoption freigegeben wurden.

Und so kam Lola an Nikolaus 2018 zu uns, ein zierliches Weibchen mit einem lockigen Fell, langen Beinen, Ohren wie eine Fledermaus und Augen, die schon viel Elend gesehen hatten. „Die ist höchstens zwei Jahre alt", sagte die Tierärztin, „eher weniger". Da wir nicht wussten, wo und wann sie zur Welt gekommen war, feierten wir Lolas Geburtstag fortan an dem Tag, an dem sie bei uns eingezogen war. 

Auch wenn es albern klingt und jeder Hundefreund davon überzeugt ist, dass sein Hund anders ist als alle anderen Hunde, besonders intelligent, besonders kommunikativ und besonders loyal – Lola war es wirklich. Mehr noch: Sie konnte Gedanken lesen. Wir lagen uns auf zwei Sofas gegenüber, sie schaute mir beim Schreiben zu, und wenn ich mal nicht weiter wusste, stand sie auf, reckte sich kurz, kam rüber und legte sich zu mir, als wollte sie sagen: Ich bin auch noch da, mach mal Pause, Alter. Außerdem konnte sie auf den Hinterläufen vorwärts und rückwärts laufen, wie ein Zirkus-Hund in einer RTL-Casting-Show. 

Ich bin mit Hunden groß und alt geworden. Ich weiß, dass die Beziehung zwischen Mensch und Hund uralt und einmalig ist. Dass sie auf Gegenseitigkeit beruht und manchmal ins Alberne entgleiten kann. Trotzdem – ein Leben ohne Hund ist wie ein Buchregal ohne Bücher. Möglich, aber trostlos.

Lola war nur drei Jahre bei uns. Sie hat unser Leben schöner gemacht, für Unterhaltung und gute Laune gesorgt. Wir hätten sie gerne noch lange behalten. Ein mieses Bakterium kam dazwischen. Lola starb letzten Dienstag, nachdem wir uns von ihr verabschiedet hatten. Lebewohl, Lola, wir werden dich nicht vergessen. 

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Egon Schieler / 17.10.2021

Nach Wilma, Chicco und Lola…..who’s next ? Es bleibt spannend.

Heiko Stadler / 17.10.2021

Als Katzenbesitzer kann ich versichern: Ein Leben ohne Hund oder Katze ist zwar möglich, aber wenig sinnvoll.

S.Niemeyer / 17.10.2021

Verehrter Henryk Broder, von Herzen alle guten Gedanken für Sie und Lola selig

Ursula Schöning / 17.10.2021

Teil 1) Ach, Herr Broder, wenn ein vierbeiniges Seelenglück davon fliegt, sind Worte nicht tröstlich.  Darum sende ich Ihnen ein besonders schönes Gedicht von Werner Bergengruen, in der Hoffnung, das dieses ein bißchen tröslich sein wird. - ich habe vor wenigen Wochen einen kleinen polnischen Vierbeiner “geerbt”, 11 Monate. Einen zu groß geratenen Zwergspitz( ein Clown ohnegleichen),der aufgrund seiner Größe, 2 cm zu groß, nicht in die Flugzeugtasche durfte.  Es ist mein 5. Hund—Hier jetzt das Gedicht - es ist lang aber wunderschön:  “Der Hund in der Kirche”. Wie gedacht ich jenes Tags der Worte, die das Weib aus Kanaan gesprochen: “Fressen doch die Hündlein von den Brocken, die von ihrer Herren Tische fallen!”—In der dörflich bunten, halbgefüllten, in der sommerlich gefüllten Kirche betete der Priester am Altare: “Dieses reine, unbefleckte Opfer, milder Vater, wolltest du gesegnen!”— Durch die Stille, die der Bitte folgte, klang ein dünnes, trippelndes Bewegen von der Tür, im Rücken der Gemeinde, zaghaft erst, verlegen, dann geschwinder. Viele Augen wandten sich zur Seite. Manche Fromme runzelte die Stirne, gern bereit, ein Ärgernis zu nehmen.—-Auf den schwarz und weiß geschachten Fliesen kam ein kleiner Hund auf kurzen Beinen flink den Mittelgang entlanggelaufen, ohne Abkunft, bäuerlicher Artung, mißgefärbt und haarig wie ein Wollknäul, aber drollig, jung und voller Neugier.—Tief am Boden lag die schwarze Nase, witternd schnuppernd suchte er die Richtung. Er verhielt, er hob die rechte Pfote eingewinkelt an, er hob die Ohren und mit freudigem Kläffen schoß er schräge ganz nach vorne zu den linken Bänken, wo gedrängt die kleinen Mädchen knieten.—Ihrer eine, sontäglich gekleidet, siebenjährig, schlank und schmalgesichtig, ward von jeher Röte überflutet, und behend den dunkelbraunen Scheitel neigte tief sie über das Gebetbuch.—Teil 2 folgt

Marc Blenk / 17.10.2021

Lieber Herr Broder, als mein Hund in meinem Wohnzimmer unter meinen streichelnden Händen starb, nachdem er sich vorher mit letzter Kraft zu mir begeben hatte, fühlte ich mich so ähnlich wie Robinson Crusoe. Irgendwann kam dann die Frage auf, ob ich mir wieder einen Hund anschaffen mag. Ich habe es bis heute nicht geschafft. Es hatte viele Gründe, von denen die Erinnerung an die Trauer der größte war. Erst jetzt, viele Jahre später zuckt es doch wieder. Denn die jahrhunderte währende Symbiose von Mensch und Hund verlangt schon rein genetisch in mir Rechenschaft vor meiner Natur. Aber es muss wohl erst wieder einer kommen und mir unmissverständlich zeigen, dass er sein Leben mit mir verbringen will. Ich wünsche Ihnen, Herr Broder, dass Ihnen ein Übermaß an Melancholie erspart bleibt und vielleicht ein anderes vierbeinigen Wesen ihr Leben ergänzen wird. Denn ein Leben ohne Hund ist zwar machbar, aber ärmer.

A.S.Sawa / 17.10.2021

Auch wir hatten Hund und Katzen, die wir im Gegensatz zu so manchen verstorbenen Verwandten, nie vergessen werden. Unser aufrichtiges Beileid!

Rupert Reiger / 17.10.2021

Ja, so ist das. Unser Langhaardackel Anton geht links wenn wir rechts wollen und umgekehrt. Wollen wir unsere Richtung beibehalten, fällt er um. Eine Untersuchung erbrachte, er hat nichts an den Gelenken. Seitdem genießen wir das und lassen die Sache laufen.

Harald Kopp / 17.10.2021

Ein trauriger Hunde-Blick zum Abschied trifft tief ins Herz. ..Auch bei uns.. Wir haben sie nicht retten können, aber wir haben ihr in den wenigen Jahren, in denen sie bei uns war, die Liebe, die Aufmerksamkeit, das Interesse und die Zeit schenken können, die sie ihr Leben lang verdient gehabt hätte. Und wir haben sie maßlos verwöhnt, die kleine, wundervolle, bissige, sture, zauberhafte Prinzessin Yaska.

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