Thilo Schneider / 06.09.2023 / 13:00 / Foto: Mlucan / 27 / Seite ausdrucken

Kurzkommentar: Bloß keine Bußrituale in Gedenkstätten!

Am Ende verdonnerte Söder den Aiwanger noch dazu, daran zu „arbeiten, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen“. Was soll er denn tun? In KZ-Gedenkstätten Buße tun für ein Flugblatt von 1988? Das wäre der Gipfel der Albernheit.  

Aiwanger und seine Freien Wähler gehen gestärkt aus einer Woche Kampagne heraus. „Die Antisemitismus-Vorwürfe gegen ihren Vorsitzenden Hubert Aiwanger haben der Partei offenbar nicht geschadet. Im Gegenteil: Die Freien Wähler legen in einer Umfrage vier Prozentpunkte zu“, muss auch der Stern eingestehen.  Zuvor hatte Markus Söder Hubert Aiwanger noch ein schönes Ei gelegt: „Wir waren alle der gemeinsamen Auffassung, dass es wichtig ist, dass Hubert Aiwanger daran arbeitet, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.“ Was soll Oiwonger jetzt machen? Offenbar soll er Buße tun.

Doch die KZ-Gedenkstätte Dachau will keinen politischen Besuch von Aiwanger und die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg hat auch schon abgelehnt. Die charmante Begründung: „Die Gedenkstätte eignet sich nicht als Bühne oder als Läuterungsanstalt.“ Ist es nicht gerade die Erinnerung und das Gedenken, das in den entsprechenden Anstalten hochgehalten werden soll? Könnte Oiwonger in Flossenbürg oder Dachau etwas lernen, was er nicht schon wüsste? Worum geht es denn hier? Hier werden doch schlicht Juden für Söders Agenda und die linken Schreihälse missbraucht. 

Was soll das überhaupt? „Um Verzeihung bitten“? Soll sich da irgendjemand hinstellen und sagen „Mensch, Hubsi, war nicht so schlimm, Schwamm drüber, gell?“ und wer wäre dazu berechtigt? Wäre es gut, der Oiwongers Hubert schreibt 100 mal „ich mag Juden und andere KZ-Opfer“ an die Tafel? Außerdem hat er damals doch schon seine Strafarbeit und sein Referat geschrieben.

Es geht um ein widerliches Flugblatt von einem Teenager aus dem Jahr 1988, das er (wahrscheinlich) nicht einmal selbst geschrieben hat – und das wird jetzt derart hochgejazzt, dass man meint, als hätte Söder soeben Adolf Eichmann entkommen lassen. Wäre es nicht viel besser und klüger, nachzusehen, ob Aiwanger in seinen Reden Codes wie „das Kapital an der amerikanischen Ostküste“ oder „es sind immer die Gleichen, die seit Jahrhunderten hinter allem stecken“ verwendet? Und, falls da nichts gefunden wird (und dessen bin ich sicher), sollte man die ganze Angelegenheit ad acta legen und sich wieder der Realpolitik zuwenden. Dem Heizungsgesetz etwa. Über das twittert Aiwanger heute:

„Das eigentumsfeindliche #Heizungsgesetz darf so nicht verabschiedet werden. Die #Bürger lehnen es mit deutlicher Mehrheit ab.“ 

(Weitere Kommentare des Autors unter www.politticker.de)

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

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Harald Deutschmann / 06.09.2023

Frau Knoblauch hat ihr Urteil über Hubsi gefällt, da hilft nichts. Oder kann er sich mit einer hohen Geldbusse vielleicht doch von Nakam freikaufen. nein, lassen wir das.

M.Müller / 06.09.2023

Reue oder Buße würde Aiwanger nur schaden. Seine Wähler wollen offensichtlich keine Erinnerungskultur, wie sie noch bis vor dem SZ Bericht über Aiwangers Flugblatt Konsens zu sein schien. Die nächsten Grade bei der 180 Grad-Wende sind geschafft. Wie meinen Sie eigentlich, dass er das Flugblatt “wahrscheinlich” nicht geschrieben hat? Halten Sie seine Antworten etwa nicht für überzeugend? Falls ja, warum stellen Sie dann diesbezüglich keine Fragen sondern tun alles, um seinen heutigen schändlichen Umgang nicht zu thematisieren? Die Hauptvorwürfe gegen Aiwanger beziehen sich ja nicht auf sein Tun 1987, die Hauptvorwürfe richten sich gegen seinen trumpischen Umgang damit. Die nächste Frage wäre: Wenn Söder so böse mit Aiwanger umgegangen ist, wie es hier gerne dargestellt wird, warum gibt sich Hubsi dann weiterhin als Steigbügelhalter her? Nein, alles war von Anfang an darauf ausgerichtet, Hubsi zu halten. Die 25 Fragen, dieser lächerliche Fragenkatalog mit noch lächerlicherer Beantwortung, waren nur Mittel zum Zeitgewinn. Es könnte allerdings sein, dass Hubsi im Überschwang seines Sieges ein wenig überdreht hat und Söder etwas zu sehr der Lächerlichkeit ausgeliefert hat. Ich denke, Söder wird ihm womöglich nicht vergessen, dass er Hubsi im Amt belassen und dieser dann nachgetreten hat.

Klaus Keller / 06.09.2023

Es geht manchmal um Symbole und Rituale. Das Wachbataillon der Bundeswehr hält Staatsgästen gerne Mauser-Karabiner 98k vor die Nase. Das war die Standartwaffe der Wehrmacht. Vermutlich ist die Waffe nicht funktionsfähig was den Zustand der Bundeswehr symbolisieren könnte. Es gibt im Internet aber ein Video mit dem Drillteam des Waschbataillons in Kanada wo auch geschossen wird. Die Kanadier waren ganz begeistert. 30 Mann und es klingt wie 1 Schuss und war der Höhepunkt des Auftritts. Was will man dem Ministerpräsidenten aus Polen sagen wenn man ihm beim Besuch in Berlin eine Waffe vor die Nase hält mit der Hunderttausende Polen erschossen wurde? Meine Deutung: Heute sind sie nicht geladen, aber wir können auch anders. PS Preis 3 im Wettbewerb auf das sich das Flugblatt bezieht ist ein kostenfreien Genickschuss. Womit wir wieder beim 98k wären.

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