Deborah Ryszka, Gastautorin / 06.02.2022 / 11:00 / Foto: Tomaschoff / 5 / Seite ausdrucken

Kultur-Kompass: „Im Schatten guter Absichten“

„Houston, wir haben ein Problem!“ Steigende Energiepreise, steigende Flüchtlingszahlen, steigende ideologische Gedanken. Aber fast alles dreht sich nur noch um Corona. Corona hier. Corona dort. Corona überall. Wir leben im Coronaversum.

Doch nicht alle umfliegen auf der „Coronastraße“ gesellschaftliche Probleme. So zum Beispiel der Berliner Sebastian Wessels. In seinem Buch „Im Schatten guter Absichten. Die Postmoderne Wiederkehr des Rassendenkens“ entlarvt er die Scheinheiligkeit im ideologischen Kampf gegen Rassismus. Und hebt dabei nicht ab.

Seine Ausführungen sind trocken, sachlich und vorurteilsfrei. In diesem Stil ist das ganze Buch geschrieben. Wessels zeigt Fakten, benennt Argumente, beschreibt Ereignisse. Er systematisiert und wägt ab. Nur ein ideologischer Hitzkopf könnte seiner Darstellung nichts abgewinnen. Wie zum Beispiel jener, der sich dem Kampf gegen Rassismus verschrieben hat.

Dieser würde den Gedankengang Wessels nicht nachvollziehen können und wollen: Der Antirassismus stelle das Merkmal der „Rasse“ in den Vordergrund. „Rasse“ würde zum Hauptmerkmal, das Individuum rücke in den Hintergrund. Das habe jedoch fatale Folgen. Daher widmet sich Wessels dem sogenannten Antirassismus – mit fünf voneinander unabhängigen Beiträgen.

„Brief an eine Tanzschule“

Der erste Text fokussiert sich auf drei Thesen. These 1: Der Kampf gegen Rassismus trage religiöse Züge. These 2: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. These 3: Hinter diesem Kampf stünde ein freiheitsfeindlicher politischer Postmodernismus. Für diese Thesen dienen Wessels, zur Veranschaulichung, der Fall um George Floyd und die Reaktionen, die sein Tod hervorrief.

Nota bene: Wer nicht warten kann und – unbedingt, sofort, jetzt, – näher in Wessels Darlegungen einsteigen möchte, der sei entwarnt. Der erste Beitrag findet sich auf der Homepage des Autors. Wen das anregt, überzeugt, begeistert, der kann getrost zum ganzen Buch greifen.

Denn dort beschäftigt sich Wessels, im zweiten Beitrag, eingehend mit dem Begriff des Rassismus. Er stellt das „ursprüngliche“ Verständnis von Rassismus mit dem ideologisch aufgeladenen Begriff gegenüber. Nach letzterem seien alle Weiße Täter und alle Nichtweiße Opfer. Rassismus gegenüber Weißen existiere nicht. Das veranlasst Wessels, diesen Begriff als politisches Werkzeug einzuordnen.

Als weiteren, dritten Text präsentiert Wessels ein Rundschreiben zum Antirassismus, „Brief an eine Tanzschule“, das er an Leute seines sozialen Umfeldes versendet hat. Kurz und knackig und leicht verständlich stellt er dort seine Gegenposition zur „Critical Race Theory“ dar. Diese begreift sich selbst als antirassistisch. Er zeigt aber ihren sektenartigen Charakter auf und verdeutlicht ihre antiliberale Einstellung.

Ideologische Galaxie des „Antirassismus“

Darüber hinaus verdeutlicht Wessels in seinem vierten Beitrag, welchen psychologischen Mitteln sich der ideologische Antirassismus-Kampf bedient. Hierzu dient ihm ein Facebook-Beitrag, der ihm „eines Tages entgegenkam“, zur Veranschaulichung. Aussage für Aussage zerbröselt er den Beitrag und weist auf die Taktiken und Rekrutierungsmechanismen hin.

Zum Abschluss rundet Wessels Übersetzung der „Durchführungsverordnung zur Bekämpfung von Rasse- und Geschlechtsstereotype“ das Buch ab. Es ist eine Verordnung, die der ehemalige US-Präsident Donald Trump im September 2020 erlassen hatte. Mit ihr wurde die staatliche Subventionierung von Schulungen verboten, „die Menschen nach Rasse oder Geschlecht stereotypisieren oder zu Sündenböcken machen“.

Diese Übersetzung und die anderen Beiträge lassen die knapp 230 Seiten wie im Fluge verfliegen. Inhaltlich wie formal. Einerseits durch die informativ abwechslungsreiche und vielseitige Darstellung. Andererseits durch die vielen Zwischenkapitel. Das lässt über eine fehlende Nummerierung der Hauptkapitel oder eine bessere Unterscheidung von Haupt- und Zwischenkapitel hinwegsehen.

Summa summarum: Wer in die ideologische Galaxie des „Antirassismus“ näher eintauchen möchte, ist mit Kapitän Sebastian Wessels bestens bedient. Mit ihm auf der Brücke geht es aus dem „Schatten guter Absichten“ auf die Sonnenseite guter Absichten. Versprochen.

Wessels, Sebastian (2021). „Im Schatten guter Absichten. Die postmoderne Wiederkehr des Rassendenkens“. Eigenverlag. Hier bestellbar.

Foto: Tomaschoff

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Leserpost

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Stefan Riedel / 06.02.2022

Danke für den Lese Tipp.

Dr. Ralph Buitoni / 06.02.2022

Ist doch logisch - die “demokratische Partei” in den USA ist die Partei der ehemaligen Sklavenhalter in den Südstaaten, mit begründet vom Indianermörder “Stonewall” Jackson (Trail-of-Tears), erster “demokratischer Präsident” der USA, später die Partei des Ku-Klux-Klans und der Jim-Crow-Gesetze, der Rassentrennung bis in die 1960er Jahre. Dann ist es doch nur konsequent, dass diese Partei und ihre Anhänger ihren alten Rassismus gekonnt auf “Woke” gedreht in der heutigen Zeit aktualisiert haben.

Gudrun Meyer / 06.02.2022

Die Mitläufer im NS mochten gute Absichten haben und bestimmte, ideologische “Wahrheiten”, z.B. über “Rasse”, verständnislos daher plappern. Die NSDAP-Spitze hatte alles andere als gute Absichten; sie bestand übrigens aus gescheiterten Existenzen und machtgierigen Soziopathen, so wie auch die deutschen Blockparteispitzen, seit Merkel langsam, über vier Legislaturperioden hinweg, die Einstellungskriterien für Politiker schwer verändert hat. Die Mitläufer der “CriticalRaceTheory” mögen gute Absichten haben und bestimmte, ideologische “Wahrheiten”, z.B. über “Rasse”, verständnislos daher plappern . . .

Rudi Knoth / 06.02.2022

Danke für die Buchempfehlung. Allerdings bin ich schon seit längerer Zeit diesen “antirassistischen” Thesen skeptisch gegenüber eingestellt. Vor allem das Feindbild des “alten weissen Manns” erinnert mich an die Satire “Mein Kamm” von Ephraim Kishon.

R. Reiger / 06.02.2022

Ich hasse alle Hasser ... ?

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