Gastautor / 19.02.2016 / 06:27 / 2 / Seite ausdrucken

Gravitationswellen nachgewiesen! Jetzt auch im Journalismus

Von Roger Letsch

Oxfam ist eine meiner Lieblings-NGO’s! Wie man es dort schafft, eine Weltretter-Organisation fast wie eine Sekte zu organisieren und Freiwillige in Massen auf Mission zu schicken, nachdem sie das klare Weltbild von Oxfam tief genug inhaliert haben, wie man kreativ Spenden sammelt und sogar noch die Konsum-Sucht der Mainstream-Gesellschaft und deren schlechtes Gewissen für sich arbeiten lässt, indem man Wollmützen, Kinderspielzeug und FairTrade-Lebensmittel unter die Leute bringt, ist einfach phänomenal! Oxfam rules, ehrlich!

Wussten Sie aber, dass Oxfam sich auch mit physikalischer Grundlagenforschung befasst? Wirklich! So ist es Oxfam schon Anfang 2016 noch vor den Physikern gelungen, Gravitationswellen nachzuweisen. Nicht im Universum, aber im Journalismus. Sie erinnern sich sicher an den „Reichtumsbericht 2016“, in dem Oxfam folgendes herausfand:

„62 Menschen verfügen über ebenso viel Vermögen wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung“.

Ich will hier nicht näher beleuchten, wie der Bericht zustande kam, was er verschweigt, wie korrekt die Zahlen oder gar die Schlussfolgerungen sind. Nur so viel: Die Behauptung ist kompletter Blödsinn, dass es ein weltweit riesiges Problem mit der Verteilung von Reichtum gibt, bestreitet indes niemand.

Aber für das Experiment mit der Gravitation war das unerheblich. Entscheidend war, dass es auf dem Weg der Schlagzeile durch die Redaktionen von Presse und TV zu Wechselwirkungen mit den Hirnen einiger Journalisten und Kommentatoren kam, welche man lange Zeit für nicht nachweisbar gehalten hatte. Nun aber ist der Beweis erbracht, dass es zu Verzerrungen kommt, die von den Lesern und Zuschauern fast nicht wahrgenommen werden. Folgen wir also der Oxfam-Meldung durch einige Redaktionen.

Fokus: „62 Superreiche besitzen so viel Geld wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung“. Der Fokus ergänzt die Aussage noch um das Wörtchen „Geld“, so wie es im ursprünglichen Bericht auch gut versteckt steht. In der von Oxfam verbreiteten Meldung fehlt dieses Wort. Beim Fokus ist die Meldung also schwerer (wahrer) geworden, als die ursprüngliche Meldung.

Taz: „Laut einer Studie besitzen 62 Superreiche so viel wie 3,6 Milliarden Arme zusammen“. Da die TAZ gern auf der brennenden Barrikade gelesen wird und die Menschheit für die Chefredaktion in toto von einer kleinen Clique Superreicher Imperialisten und Managern beherrscht wird, gibt es natürlich weit mehr als 3,6 Milliarden arme Menschen, die Oxfam vielleicht unterschlagen hat. Die Meldung wurde leichter, da sie um eine wichtige Aussage verkürzt, dafür um die Aussage „3,6 Milliarden Arme“ angereichert wurde.

SPON: „62 Superreiche besitzen so viel wie die halbe Welt“. Mit der „ärmsten Hälfte“ hält man sich hier gar nicht erst auf. Es ist gleich die halbe Welt. Wo teilt mal die Welt? Am Äquator? Es liegt hier schon eine erhebliche Verzerrung der Raumzeit vor.

Kann man diese Verzerrung noch steigern? Man kann! Am 14.2.2016 wurden die bisher spektakulärsten Messergebnisse erzielt, als anlässlich der Gala zum 50. Geburtstag des Mainzer „unterhaus“ der Kabarettist Arnulf Rating ausrief (im Video ab 1 h 02 min):

„62 Menschen haben mehr als die restlichen 3,5 Milliarden“.

Danke, Oxfam! Einstein wäre stolz auf Euch!

PS: Eigentlich geht diese Entdeckung nicht auf das Oxfam-Experiment zurück, sondern auf die Israelis. Die entdeckten nämlich schon vor Jahren, dass es eine riesige Diskrepanz zwischen Ereignissen in ihrem Land und deren Wahrnehmung in der europäischen Presse gibt. Aber den Israelis wollte das niemand glauben.

Roger Letschs Blog “unbesorgt” finden Sie hier.

 

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Leserpost

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Renartz, Jörg Hermann / 19.02.2016

Sehr geehrter Herr Letsch, die Idee, das Forschungsergebnis über Schwerewellen als Bild auf ein in Oberflächlichkeit oder ideologischer Selbstgefälligkeit agierenden Journalismus zu übertragen, ist preiswürdig. Auf so etwas muss man erst einmal kommen. Alle Achtung! Es trifft einen Sachverhalt, der möglicherweise noch von weiteren “unerforschten Wellen” beeinflusst ist. Das Bild der schweren Wellen erreicht heutigen Tages immer wieder mein Zwerchfell und erschüttert es. Ich habe zu danken. Jörg Hermann Renartz

Peter Wittek / 19.02.2016

Nun ja, nimmt man die Weltbevölkerung mit 7, 2Mrd an, umfasst die ärmere Hälfte auch ohne Studie 3, 6Mrd. Mit dem weit gespannten Vergleich hat die Aussage in jedem Fall an Schwere gewonnen, womit sich die Weisheit belegt findet: Trau keiner Studie, die Du nicht selbst verhunzt hast.  Herzlicher Gruß

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