Walter Naggl, Gastautor / 10.05.2022 / 06:15 / Foto: Tim Maxeiner / 112 / Seite ausdrucken

Kollateralschäden eines Ölembargos 

Von Walter Naggl.

Ein Ölembargo wird vielfältige und meist kaum beachtete Kollateralschäden nach sich ziehen. Die Existenz von Millionen Menschen wird durch die weitere Verknappung und Verteuerung von Energie, Düngemitteln und anderen Rohstoffen gefährdet.

Das geplante Ölembargo gegen Russland bedeutet, dass ein wesentlicher Teil der weltweiten Energieerzeugung weggesperrt wird ohne Möglichkeit für Ersatz. Auch Kohle und Erdgas sind knapp und teuer und kommen zu einem großen Teil aus Russland. Die Diversifizierung der Energieversorgung durch den Wirtschaftsminister, wie sie jetzt betrieben wird, läuft deshalb auf einen preislichen Verdrängungswettbewerb gegen ärmere Länder hinaus. 

Die EU-Kommission plant ein Embargo auf russisches Öl, das in sechs Monaten in Kraft treten soll, sowie auf russische Ölprodukte zum Jahresende. Dieser Plan nimmt Fahrt auf, seit die Bundesregierung ihren Widerstand gegen ein solches Embargo aufgegeben hat. Hintergrund dafür ist laut dem „Zweiten Fortschrittsbericht Energiesicherheit“ des Wirtschaftsministers eine deutlich verringerte Abhängigkeit von Russland bei der Energieversorgung. Dort steht, dass durch Auslaufen von Lieferverträgen mit Russland und Umstellung der Bezugsquellen der Anteil Russlands an den deutschen Rohölimporten von 35 Prozent im letzten Jahr auf aktuell 12 Prozent verringert werden konnte. Die Abhängigkeit von russischer Kohle sei von 50 Prozent auf 8 Prozent gesunken und der Anteil russischen Erdgases am deutschen Verbrauch soll von 55 Prozent im letzten Jahr auf 30 Prozent zum Jahresende sinken.

Sollte die EU das geplante Ölembargo umsetzen, so wären davon pro Tag insgesamt 4 Million Barrel Öl und Ölprodukte wie Diesel betroffen. Zählt man noch das amerikanische und britische Embargo mit 800.000 und 100.000 tausend Barrel hinzu, so kommt man auf knapp 5 Millionen Barrel pro Tag (bpd) oder die Hälfte der russischen Förderung. 

Russland kann einen Teil dieser Fördermengen in andere Staaten umlenken, speziell China und Indien. So hat die chinesische Gesamteinfuhr aus Russland im April im Vergleich zum Vorjahr wertmäßig um 57 Prozent zugenommen und hat Indien im April seine Öleinfuhr aus Russland auf 900 tausend bpd massiv gesteigert.

In Bezug auf den Ölpreis eine große Menge

Allerdings gestaltet sich die Umlenkung der Ölströme aus Russland schwierig, da sämtliche Dienstleistungen, die damit verbunden sind, wie Versicherung der Öltanker, ja selbst die Lebensmittelversorgung der Schiffsmannschaften, mit westlichen Sanktionen belegt sind. Welchen Teil des Embargos Russland am Ende umlenken kann und wieviel die Ölförderung am Ende gedrosselt werden muss, kann hier nur geschätzt werden. Eine realistische Annahme ist, dass die Ölförderung im Laufe des Jahres um bis zu vier Millionen bpd sinken wird. Im April war der Rückgang bereits eine Million bpd.

Gemessen am weltweiten Ölverbrauch von voraussichtlich 99 Millionen bpd in diesem Jahr sind das rund 4 Prozent. Entgegen dem Anschein ist das in Bezug auf den Ölpreis eine große Menge, weil die Nachfrage am Weltmarkt angespannt ist und Ölförderländer Mühe haben, diese Nachfrage zu befriedigen. So konnte die OPEC ihre Ölförderung im April gerade mal um 10 tausend bpd steigern. Geplant war ein Anstieg von 270 tausend bpd. Auch der angedachte Anstieg der amerikanischen Öl- und Gasförderung kommt aus vielerlei Gründen nicht in Gang: Aktionäre stemmen sich gegen höhere Investitionen in Fracking, weil dieses Verfahren in der Vergangenheit nur Kapital in den Bohrlöchern versenkt hat. Die ertragreichsten Vorkommen sind ausgebeutet und die Materialkosten sind enorm gestiegen.

Sollte also die EU das geplante Ölembargo umsetzen und sollte die Weltwirtschaft nicht unter amerikanischen Zinserhöhungen, Lieferkettenproblemen und steigender Inflation einbrechen, so ist mit weiter steigenden Preisen für Öl und Ölprodukte zu rechnen. Vor allem Heizöl und Diesel dürften sich dann verteuern, weil weltweit die Vorräte extrem niedrig sind. 

Das besondere Problem dabei ist, dass es keine Ausweichmöglichkeit gibt. Kohle wird seit letztem Jahr auf dem Weltmarkt ebenso wie Öl zu Höchstpreisen gehandelt, das gleiche gilt für Flüssiggas. Alle Energieträger, ja praktisch alle Rohstoffe sind bei Höchstpreisen. Umgekehrt gehört Russland weltweit zu den größten Lieferanten von Kohle, Öl und Erdgas und ist ein wichtiger Lieferant von Düngemitteln sowie Weizen, Stahl, Aluminium und Nickel.

Ein Verdrängungswettbewerb zuungunsten armer Länder

Ein Embargo auf viele oder gar alle dieser Güter bedeutet eine weltweite Verknappung und Verteuerung in einer Situation, in der Inflation schon ihren Lauf genommen hat. Im „Zweiten Fortschrittsbericht Energiesicherheit“ ist die Rede von Lieferketten diversifizieren, Energie einsparen und Verteuerung, aber eine Rechnung der Kosten wird nicht ansatzweise aufgemacht. Klar ist: es wird teurer, wenn man bei Höchstpreisen für Öl den Lieferanten wechselt und wenn man Pipeline-Gas durch Flüssiggas ersetzt, weil letzteres ohnehin teurer ist. 

Das trifft die Armen hierzulande und die, welche in die Armut abrutschen. „Wir werden sehr viel mehr Arme bekommen, als wir bisher gedacht haben“, sagt die sozialpolitische Diakonie-Vorständin. (9-Euro-Tickets sind in diesem Zusammenhang ein schlechter Witz aus der Kategorie Freibier für alle). Es trifft aber auch den Rest der Welt. Was wohlklingend als „Freiheitsgas“ bezeichnet wird, bedeutet nichts anderes, als dass man den Schwellenländern Flüssiggas zu Höchstpreisen wegschnappt. Die Ausfuhrkapazitäten für Flüssiggas sind nämlich in den USA ebenso wie in Katar bis zum Rande ausgelastet, und eine nennenswerte Steigerung ist in beiden Ländern erst ab 2025 in Sicht. Flüssiggastanker fahren nun vermehrt nach Europa statt nach Asien, weil hier die höchsten Preise bezahlt werden. Es ist dieser Verdrängungswettbewerb, der dafür gesorgt hat, dass die Gasspeicher hierzulande zuletzt nicht mehr ganz so leer waren wie im Winter, was im „Zweiten Fortschrittsbericht Energiesicherheit“ stolz angemerkt wird. 

Auf der anderen Seite des Planeten sieht das so aus: Indien kauft wegen Kohleknappheit auch geringe Mengen an Flüssiggas, allerdings zum dreifachen Preis dessen, was man sonst bezahlt hat. Es gehört nicht viel Phantasie dazu sich klarzumachen, dass die Existenz von Millionen Menschen durch die weitere Verknappung und Verteuerung von Energie, Düngemitteln und anderen Rohstoffen gefährdet ist. Auch solche Überlegungen sollte man bei der Entscheidung zu einem Embargo einbeziehen, um am Ende einer reiflichen Diskussion die potenziellen Schäden möglichst zu minimieren. Den „Zweiten Fortschrittsbericht Energiesicherheit“ des Wirtschaftsministers durchdringt dagegen eher der Geist Julius Cäsars nach dem Motto: „Ich kam, sah und siegte“.

 

Dr. Walter Naggl hat an der Universität München zum Thema ifo-Umfragen promoviert und auf dem Gebiet der Wechselkurse habilitiert. Nach zehnjähriger Tätigkeit bei einer Bank war er 20 Jahre selbstständig auf dem Gebiet der Vermögensanlage für Versicherungen tätig.

Foto: Tim Maxeiner

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James Napier / 10.05.2022

Manche Leute hätten halt auch Sanktionen gegen Hitler für unangemessen gehalten. Gott sei Dank haben jene in unserem Staat momentan nichts zu sagen. Jeder sollte einmal einsehen, dass hier ein Jahrhundertverbrecher die europäische Ordnung per Angriffskrieg ändern will. Dafür muss er auf die Knie - so oder so. Der Westen ist stärker, so wie er es 1939 - 1945 schon war. Es ist Zeit für eine neue Atlantik-Charta. Putin-Versteher, Defätisten etc. sollen sich einen russischen Pass geben lassen und die Ork-Truppen verstärken. Zum Teufel mit ihnen.

A. Ostrovsky / 10.05.2022

1. she gave us everything, Sun and wind, and she was never stingy. Where she was, there was life, what we are, we are through her. She never left us. Froze even the world, we were warm. Us the mother of the masses protects, We are carried by her mighty arm. Refrain: The party, the party, is always right. And comrades, let it remain so. For he who fights for the right is always right against lies and exploitation. He who insults life is stupid or bad. He who defends humanity is is always right. Thus from Lenin’s spirit grows together welded together The party, the party, the party. 2. she never flattered us, we lost our courage in the fight courage, she only stroked us softly. “Don’t hesitate”, and we were fine in a moment. Counts pain and burden, too and pain.., If we succeed in doing good When you force the poorest of the earth freedom and peace. Refrain: The party, the party, is always right. And comrades, let it remain so. For he who fights for the right is always right against lies and exploitation. He who insults life is stupid or bad. He who defends humanity is is always right. Thus from Lenin’s spirit grows together welded together The party, the party, the party.

A. Ostrovsky / 10.05.2022

Ölembergo? Welcher ist gemeint? Der von Königswinter? Wir haben noch genug Sonnenblumenöl im Keller, der Krieg kann kommen! So zog Jesus vom Ölberg aus in Jerusalem ein (Lk 19,28–40), er weinte am Ölberg über Jerusalem (Lk 19,41–44). Deutsches Schprach schweres Schprach. Ölembergo, wer kommt denn auf sowas? Achso Ukermark, Schwedt. Itzadle! Ich geh vielleicht wieder ins Virtuelle, hier ist es zu blöd. Ich denke, niemand hat die Absicht, einen Ölembergo zu errichten?

Reinmar von Bielau / 10.05.2022

Liest man diesen Artikel und läuft mit halbwegs offenen Augen durchs Leben, dann fragt man sich unwillkürlich, wie es zu dem Wahlergebnis in Schläfrig Holzbein komen konnte…

Alexander Mazurek / 10.05.2022

Und? Was kümmert’s die selbstgerechten, selbsternannten, immer betrügerischen Eliten? Hat’s auch im 30-jährigen Krieg nicht gekümmert, nicht früher und auch nicht später. Sie wissen genau, was sie tun, so auch Göring, lt. G. M. Gilbert, der Versuchung können sie einfach nicht widerstehen. Lt. den protestantisch-angelsächsischen “Wissenschaften” von Hume, Malthus, Hobbes, Darwin und Galton ist die Menschheit eine Plage und muss weg, bis auf die “Übermenschen”.

Fritz Alter / 10.05.2022

Wer das Eine will, muss das Amdere mögen…

Peter Holschke / 10.05.2022

@Theodor Breit - 2. Teil Wenn man Thukydides gelesen hat, weiß man wohin das brechen der eigenen Grundsätze führt;. Die Welt ist so wie die ist. Ich persönlich lebe lieber unter US-Hegemonie als unter chinesischer Herrschaft oder in postsowjetischen Verhältnissen. Diese Einschätzung mag sich ändern, wenn die Amerikaner damit Versagen, diese Hegemonie zu erhalten und in einen zerstörerischen Niedergang geraten. Oder, wenn die Amerikaner den Kern ihrer Demokratie aufgeben und sich von dem Entfernen, was sie einst auszeichnete. Oder, wenn sie ihre Versallen verraten oder opfern. Ich gebe zu, ich habe die Befürchtung, dass alles drei zutrifft, ebenso, dass die Grenzen zwischen den Systemen verschwinden, d. h. dass wir in einen amerikanischen Neokommunismus geraten, mit der chinesische Art, der Missachtung des Individuums. Anders ausgedrückt, es gibt eine globale Verschwörung und eine Agenda. Ob diese Erfolg haben wird, steht in den Sternen. Nun kann man das Spiel guter Westen/böses Russland spielen oder auch umgedreht, vermutlich ist das Ganze ein Theater, wobei solche Kategorien in der Politik ohnehin fehl am Platz sind.

Gerd Müller / 10.05.2022

Es wird jeden Tag schlimmer. Baerbock verkündet in Kiew im Selenskisprech, Deutschland wird NIE MEHR aus Russland Energierohstoffe beziehen und keinerlei Beziehungen mit Moskau ohne die Zustimmung von Kiew unterhalten. Also hat Berlin schon seine Souveränität bei Melnyk abgeliefert. Aber auch Peking offenbart Fehleinschätzungen, und das in einem Telefonat des Präsidenten mit Macron. Der Chinachef sieht als Folge des Ukrainekrieges eine erneute Blockkonfrontation. Leider falsch gefolgert. Der Ukrainekrieg ist eine Folge der schon seit Jahren sichtbaren neuen Konfrontation der USA mit Moskau und Peking. Gegenüber Scholz gab Xi zum Besten, mit Europa gäbe es mehr Gemeinsamkeiten als Differenzen, so als wäre in China und Europa der Schlaf vor Mitternacht gleichermaßen am gesündesten. Offensichtlich wird allgemein im Nebel gestochert und aneinander vorbei geredet. Gelogen wird in nie dagewesener Manier. Russland soll ja mit den Hungersanktionen zum baldigen Einlenken gezwungen werden. Für das sofortige Kriegsende sollen die Ölsanktionen in Ungarn 2024 beginnen. Offensichtlich geht es wohl um etwas anderes. Und das kann nur Krieg gegen Russland und später China bedeuten. Baerbock jedenfalls ist schon fest im Modus des Krieges.

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