Roger Letsch / 12.06.2019 / 06:25 / Foto: Pixabay / 40 / Seite ausdrucken

Klima-Katastrophe? China-Kids reisen. Europa ist Mittelalter

Einen Schritt zurückzutreten, um sich ein größeres Bild von der Lage zu machen, ist etwas, das uns Deutschen oft schwerfällt. Warum auch sollte man die Perspektive Anderer einnehmen, wenn deutsche Moral und Weltsicht doch völlig ausreichen, um der Menschheit den Weg in die Zukunft zu weisen. Sie wissen schon: die Umwelt, das Klima und der ganze Rest. Verzicht soll es sein, und die Deutschen müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Nicht gerade die Funktionäre der Grünen Jugend oder die Freitagsaktivisten, die Deutschen im Allgemeinen sollen dies tun. Kein Fleisch, kein Flug, nur Flaschenpfand.

Gerade bin ich im alten Europa unterwegs. Also im wirklich alten Europa, nicht in jenem Teil nach der Definition von George W. Bush, sondern dem historisch alten Teil, in Prag. Geht man hier auf den Hradschin, über die Karlsbrücke oder durch die Altstadt bis zum Rathaus, ist die mit Abstand meistgesprochene Sprache (nach Tschechisch) Mandarin. Daran ist natürlich nichts Schlechtes! Erstens sei es jedem Chinesen gegönnt, sich die Goldene Stadt anzusehen, und zweitens genießen die Tschechen zu recht und mit viel Geschick (wenn auch mit oft mangelnder Gelassenheit) die Vorzüge der Marktwirtschaft, indem sie jede nur erdenkliche Art von Geschäft mit ihren neuen Gästen machen. Die ganze Stadt ist eine einzige mittelalterliche Kostümshow, und wen kümmert es schon, dass hinter den Fassaden und Sehenswürdigkeiten mehr Replik als Artefakt steckt! Die Gäste aus Peking oder Shanghai wollen Mittelalter sehen, und das bekommen sie hier. Selbst die Porträtmaler auf der Karlsbrücke verhandeln auf Mandarin mit ihrer Kundschaft.

Ein Blick auf die asiatischen Besucher weist diese als überdurchschnittlich jung aus. Es ist also längst nicht mehr so wie noch in den 1990er Jahren, als Japaner oder Taiwaner ihren knappen Jahresurlaub für eine Europareise opferten und dann im Schweinsgalopp durch die europäischen Länder hasteten. Viele der Chinesen, die man heute in Prag sieht, sind kaum volljährig, und das Geld für die Reise stammt mit Sicherheit eher von Eltern und Verwandten als aus eigener Tasche. Andere reisen mit Kindern, Eltern und Schwiegereltern an und verbringen einen kostspieligen Familienurlaub zu acht hier. Auch von Hektik ist keine Spur mehr. Man trifft tagelang dieselben Gruppen, die in aller Ruhe durch die Stadt flanieren. Man ist länger hier und kennt keine Eile. Moderne Smartphones sind speichergewaltige Biester, da sind acht Tage Prag-Selfie-Marathon locker drin und man hat ja noch Renren und Weibo für den sofortigen Upload.

Allein das Reiseverhalten der Chinesen zeigt schon, wie groß und solvent der chinesische Mittelstand mittlerweile geworden ist. Führte die Reise, die Jan-Malte und Frederike-Luise zum bestandenen Abi von den Großeltern erhielten, noch auf Kurzstrecke nach Paris, Rom oder London, fliegt Chinas Jugend heute viele tausend Kilometer ins schrullige Europa, um verbeulte Ritterrüstungen und habsburgische Folterkammern zu besichtigen.

Don’t stop us now!

In diesem Moment wurde mir eines nochmal sehr deutlich. Nämlich, dass die Chinesen damit nicht aufhören werden, ganz gleich, was Luisa Neubauer, Doktor Greta oder Kerosin-Kathi predigen. Denn während die Deutschen sich den Kurztrip nach Barcelona oder Rom verkneifen sollen, um lieber klimaneutral durch die Rhön zu wandern und bei der Freitagsdemo demnächst vielleicht vegane Häppchen gereicht werden, bestellen chinesische Touristen im „Svejk“ Schweinshaxe mit Meerrettich und Senf, um sich anschließend in offenen Oldtimern und nur zum Spaß durch die Stadt kutschieren zu lassen. Ihre Zahl ist Legion und es spielt keine Rolle, ob meine Landsleute sich für das moralische Gegengewicht halten und mit Verzicht kasteien. Selbst wenn unsere Verhaltensanpassung einen Unterschied im Promillebereich machen würde, käme aus Peking und Shanghai nur ein lächelndes „Xièxiè“ („Danke“), weil man dort dank deutschen Verzichts den neu errungenen Lebensstil zwei Stunden länger pflegen könnte.

Die Klimakatastrophe wurde vorerst abgesagt für Prag. Ein heftiges Unwetter zog am Donnerstag über die Stadt, und sie steht noch. Prag hat die Junihitze und hat auch den Hagel überstanden. Genau wie den 30-jährigen Krieg, die Pest, den Nationalsozialismus und den Kommunismus. Die Stadt roch nach Zwiebeln und Zimt dieser Tage, Kneipen und Brücken waren voller Gäste und die Straßen voller deutscher Dieselautos. Statt unter feinem Staub hat die Stadt eher unter grobem Kopfsteinpflaster zu leiden, man muss halt Prioritäten setzen. Die Kinder gehen hier freitags anscheinend völlig geräuschlos zur Schule, und sollte Doktor Greta eines Tages nach Prag kommen, wird man sie hoffentlich nicht aus dem Fenster werfen wie andere Überbringer unwillkommener Nachrichten. Denn es findet sich kein Misthaufen mehr unter dem Fenster in der Prager Burg, und auf den Ausbruch eines europäischen Klimakrieges können wir angesichts der allgemeinen Hysterie nun wirklich verzichten!

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Karla Kuhn / 12.06.2019

“Kein Fleisch, kein Flug, nur Flaschenpfand.”  DAZU hätten sie sich aber nicht die (meisten)“Neubürger ”  einladen dürfen, denn die meisten pfeifen darauf. FLEISCH, möglichst selber geschächtet, hat in dieser Kultur anscheinend einen hohen Stellenwert und REISEN sowieso. Mich “erfreut” es immer, daß vor allem etliche"SYRER” die ja VOR dem Krieg geflohen sind (sein wollen ?) regelmäßig wieder in der Heimat Urlaub machen. Ein FLÜCHTLING macht in dem Land Urlaub,  aus dem er geflohen ist ! DAS ist für mich die pure VERARA…... ! Diese Menschen dürfte gar nicht mehr einreisen.  Was die asiatischen, vor allem die chinesischen Touristen angeht, sie sind mir 1000 Mal lieber als bestimmte andere. Sie benehmen sich höflich und sind begeisterte Fotographen. Wenn ich sie am Marienplatz in München sehe, wie sie begeistert mit ihren Kameras oder Handys knipsen, zack zack und sich darüber so freuen, freue ich mich einfach mit. Das sind so freundliche Menschen, die JAHRHUNDERTE unter einer grausamen Knechtschaft leben mußten , unter dem MÖRDER MAO in den grauen Kitteln rumlaufen mußten und jetzt endlich eine gewisse Freiheit genießen dürfen, die einen hohen Nachholebedarf haben und ihn einfach auskosten !!  Wenn ich im Ausland war und erleben mußte wie etliche Europäer mit ihren miesen Manieren und ihren Alkoholkonsum unangenehm aufgefallen sind, ziehe ich mir die Asiaten vor ! Das was wir Deutschen ab ca. 1950 gemacht haben, reisen, machen eben jetzt die Chinesen. IHRE Wirtschaft WÄCHST und es entsteht ein MITTELSTAND, alles, was bei und anscheinend langsam den Bach runtergeht !! Mal sehen, ob und wann die ersten “grauen Kittel” kommen und ein neues WANDLITZ entsteht !

Claudius Pappe / 12.06.2019

Wir Deutschen sind nur ein Fliegenschiss auf der Weltkarte. China ist der Kuhfladen. Warum begreift das keiner ? 640 Millionen Euro Entwicklungshilfe haben wir blöden Deutschen den Chinesen 2018 überwiesen !

Klaus Fellechner / 12.06.2019

Deutschland mit seinen ca.2%  CO2 Ausstoss rettet das Klima! Wie größenwahnsinnig muss man sein um so etwas politisch zu verkünden,aber wie naiv muss das deutsche Volk sein,um das auch noch zu glauben? Ohne CO2 kein Leben,kein Klima,kein Nichts ! Die Menschen in den Entwicklungsländern wollen Wohlstand,wer Wohlstand will braucht Energie und nochmals Energie! Entweder Kernkraft oder Kohle,Wind und Sonne sind nicht die Energie der Zukunft! Deutschland wird ein Energiechaos, ja ein Fiasko erleben,wenn die Grünen tatsächlich ihre Ideologie durchsetzen können. Wer bewahrt uns vor diesem Chaos? Ein Strom Blackout wäre wahrscheinlich hilfreich um aufzuwachen, denn was da passiert in einem Industrieland,können wir uns nicht einmal in unserem schlimmsten Albtraum vorstellen.

Juergen Grossheim / 12.06.2019

#Wilfried Cremer. Das ist der Unterschied zwischen einem autoritären Regime und einer Demokratie, die alle betroffenen Gruppen berücksichtigt. Motto: Wasch mir den Pelz aber mach mich nicht Jürgen

Udo Kemmerling / 12.06.2019

Der Dritte Fenstersturz zu Prag und jede Menge Chinesen, die lernen, dass das Sozialpunktekonto überflüssig ist. Klingt nach einer eindeutig positiven Entwicklung. Daumen hoch für Prag!!!

Dr. Roland Stiehler / 12.06.2019

Sie kommen einfach nicht von ihrem Größenwahn weg, die Deutschen und ihre Regierung. Dieses ideologiebesoffene Volk will diesmal mit der Klimareligion die ganze Welt beglücken. Die lacht aber nur mit vorgehaltener Hand über dieses Ansinnen, sie sind ja höflich, besonders die Chinesen.

P.Gross / 12.06.2019

Guten Tag Herr Letsch. Einer Hucke Chinesen - oder egal welcher Nationalität ever, fühle ich mich momentan und mental mehr zugehörig, als den Roberts und Robertas hierzulande. Man möchte vom mehrheitlich vernunftbegabten Rest der Welt ja auch nicht mehr auf ewig bei den Dauerdoofen zwischen Nordsee und Alpen einsortiert werden, womöglich noch als gemeingefährlicher Mitläufer . ( Apropos, Herr Letsch: Frau Dr.hc. Greta “Schölefrö” Thunberg? Die Belgier, dieses hochsympathische Völkchen - jetzt auch schon?  Banane?)

Martin Lederer / 12.06.2019

Allgemein gilt, dass “Europa” weltweit eine immer geringere Rolle spielt. Und vielleicht ist das auch ganz gut so. Derzeit hat es noch einen gewissen Einfluss in Afrika. Wenn sich aber China und andere Länder dort mehr engagieren, ist der auch weg. Auch hat “Europa” zum Teil einen gewissen Einfluss in den arabischen Ländern. Und das zum großen Teil auch nur, weil sich die lokalen Herrscher nur Dank der Militärhilfe der USA und des Geldes aus Europa an der Macht halten könnten. Gäbe es dort freie Wahlen, wären wohl überall islamistische Regierungen/Regime an der Macht.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Roger Letsch / 02.05.2024 / 06:10 / 64

USA: Ein Trump-Attentat-Förderungsgesetz

In ihrem Furor gegen den amerikanischen Ex- und möglicherweise Zukunfts-Präsidenten Donald Trump ziehen seine politischen Gegner mittlerweile sämtliche Register – bis dahin, seine körperliche Unversehrtheit…/ mehr

Roger Letsch / 24.04.2024 / 12:00 / 58

Meuterer auf der Energiewende-Bounty

Es wird viel über den Rückbau der Gasnetze diskutiert. Bei den Kostenbetrachtungen wird aber meist vergessen: Wenn die eine Infrastruktur rückgebaut wird, muss eine andere her,…/ mehr

Roger Letsch / 01.04.2024 / 12:00 / 58

Der große Lastenfahrrad-Test

Der Versuch einer Jugendgruppe, die nachhaltige Kaffeeversorgung der Kreisstadt Eberswalde per Lastenfahrrad-Ferntransport sicherzustellen, führte zu aufschlussreichen Erkenntnissen. Wir leben in aufregenden Zeiten, denn dank unserer…/ mehr

Roger Letsch / 27.03.2024 / 06:00 / 81

Die „Young Leaders“ werden vom Himmel geholt

In den letzten Jahren brillierten im Westen junge, aktivistische Politiker mit woker Superkraft. Nun disqualifiziert sich einer nach dem anderen selbst. In vielen westlichen Staaten…/ mehr

Roger Letsch / 11.03.2024 / 06:00 / 89

Das Phänomen Trump und die deutsche Angst

Er ist wieder da! Und in Deutschland zittern die Medienschaffenden beim Gedanken an Donald Trumps Rückkehr an die Macht. Das Grinsen von Heusgen und Maas bei der…/ mehr

Roger Letsch / 07.03.2024 / 06:00 / 55

Wer die Demokratie wirklich rettet

Demokraten-Darsteller versuchen, die Demokratie mit undemokratischen Mitteln zu retten. Doch Gerichte und Institutionen wachen langsam auf – vom Supreme Court in USA bis zum Wissenschaftlichen Dienst des…/ mehr

Roger Letsch / 05.03.2024 / 16:00 / 7

Die schiefe Verachtung nach unten

Alexander Wendt analysiert in seinem neuen Buch die Entwicklung des Kulturkampfes und zeigt auf, wie man sich dagegen wehren kann. Das macht fast ein bisschen optimistisch.…/ mehr

Roger Letsch / 20.02.2024 / 14:00 / 33

Die Risiken und Nebenwirkungen des Trump-Urteils

In New York ist Donald Trump zu einer bemerkenswert hohen Strafzahlung verurteilt worden. In dem Eifer, Trump zu schaden, riskieren die Akteure eine verhängnisvolle Entwicklung.…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com