Thilo Schneider / 27.10.2018 / 10:00 / Foto: Timo Raab / 25 / Seite ausdrucken

Keine Samariterkurse für die AfD – Sterbehilfe für die SPD

Stellen Sie sich vor, Sie hatten einen Unfall. Sie liegend blutend am Straßenrand und haben das Gefühl, dass Ihr letztes Stündlein geschlagen hat. Nun kommt ein barmherziger Arbeitersamariter daher, der Sie tatsächlich retten könnte. Wäre dann Ihre erste Frage, ob er AfD-Mitglied sei? Und, falls er das bejahen würde: Würden Sie ihm dann erklären, dass Sie sich nur über Ihre Leiche von ihm retten lassen mögen?

Was so saublöd klingt, ist unter Umständen tatsächlich Realität. Und zwar dann, wenn Sie Knut Fleckenstein heißen, SPD-Abgeordneter und außerdem Bundesvorsitzender des Arbeitersamariterbundes sind. Der Arbeitersamariterbund, laut Eigenaussage „als Wohlfahrtsverband und Hilfsorganisation politisch und konfessionell ungebunden“ hilft „allen Menschen – unabhängig von ihrer politischen, ethnischen, nationalen und religiösen Zugehörigkeit“. Und ja – das schließt ausdrücklich auch Wähler, Mitglieder und Abgeordnete der AfD ein. Sagt zumindest Ulrich Bauch, der Bundesgeschwätzführer des ASB.

Das bedeutet aber noch lange nicht, dass er AfD-Abgeordnete oder Mitarbeiter zu Ersthelfern ausbilden muss oder auch nur wenigstens will. Es ist nämlich so, dass der ASB „eine klare Haltung gegen rechtspopulistische oder rechtsextreme  Politik vertritt“, was ja im Grunde sehr löblich ist und für mich als Bürger bedeutet, dass sich ein Mitglied der Totenkopf-SS beim Arbeitersamariterbund gar nicht erst um einen Erste-Hilfe-Kurs zu bewerben braucht. 

Nur gibt es die Totenkopf-SS seit 1945 nicht mehr und bei „aller Liebe zur AfD“ wage ich zu bezweifeln, dass es die AfD zum legitimen Nachfolger jener unsympathischen großen Organisation schafft. Wie denn auch – ohne Erste-Hilfe-Kurs des ASB? Der Hauptgrund für die Verweigerung eines Kurses zur Lebensrettung für die AfD ist aber anscheinend nicht der, „klar Haltung zu beziehen“, sondern schlichte, unsamariterhafte, ja sogar pharisäerhafte Rache. 

Mit der Geschichte des ASB begründet – na denn

Denn der inhaltsvolle Bauch begründet die Ablehnung mit der Geschichte des ASB: Der Arbeiter-Samariter-Bund sei selbst Opfer von Rechtsextremismus und 1933 von den Nationalsozialisten enteignet und zerschlagen worden. Das hat er der NSDAP bis heute nicht vergessen. Allerdings wurde die Neugründung des ASB auch in der DDR erst durch die Sowjets, später durch die SED verhindert. Trotzdem habe ich nie gehört, dass der ASB keine Mitglieder der LINKEN zu Ersthelfern ausbildet. Augenscheinlich gibt es gute und böse Diktaturparteiennachfolgeparteien. Wenn man sie denn schon sehr dringend in einer historischen Linie vor die Wand stellen will. Wobei es in der LINKEN sicher mehr ehemalige SED-Mitglieder als in der AfD ehemalige NSDAP-Mitglieder gibt.   

Aber nehmen wir nur einfach einmal an, die AfD sei für die NSDAP das, was die LINKE für die SED ist – stünde dann jemals in den Geschichtsbüchern: „Für den Aufstieg der AfD zur alleinigen Nationalpartei Deutschlands waren die Erste-Hilfe-Kurse des Arbeitersamariterbundes verantwortlich?“  Ich glaube: Nein. 

Nun haben wir in Deutschland ja das eigentlich hübsche Prinzip der Vertragsfreiheit: Ich kann zwar mit jeder Person oder Firma Verträge schließen – ich muss es aber nicht. Das ist eine prima Sache. Allerdings ist seit der Einführung des „Allgemeinen Gleichheitsgesetzes“ der Grund für eine Vertragsverweigerung wichtig: Ich darf jemanden zum Beispiel als Bewerber ablehnen, weil ich ihn für inkompetent halte.

Ich kann jemanden als Mieter ablehnen, weil ich seinen Hund nicht in der Wohnung haben will. Ich darf ihn jedoch nicht ablehnen, weil er Jude ist oder eine schwarze Hautfarbe hat. Auch das ist vom Grunde her gut. Seltsam wird es jedoch, wenn ich ihn nach seiner Gesinnung oder politischen Ausrichtung beschnüffeln darf, um zu entscheiden, ob ich ein SPD-Mitglied oder ein AfD-Mitglied im Haus haben will. Zumal ich mich, so verstehe ich es als juristischer Laie, bei einer Ablehnung auch nicht auf „die Weltanschauung“ beziehen darf. Den Fragebogen möchte ich gerne sehen, in dem das abgefragt wird.

„Wenigstens sterbe ich nicht aus rassistischen Gründen“

Aber selbst das wäre egal, wenn es darum ginge, von wem die AfD ihre Parlamentspausenbrote bezieht. Wenn es Bäcker Ozman (aus vielleicht verständlichen Gründen) nicht machen will, dann macht es eben Bäcker Kaltenbrunner. Nur handelt es sich beim ASB eben nicht um einen Pausenbrotlieferanten, sondern um eine „gemeinnützige Organisation“, die neben dem „nützige“ eben auch das Gemeine hat. Und sich in der Vergangenheit teilweise über Spenden finanziert hat, die sie auf – nennen wir sie freundlich – „unkonventionellen“ – Wegen mit Hilfe von – ebenfalls freundlich – „Samaritern ehrenhalber“ eingeworben hat. Hier kann es im „worst case“ um Leben und Tod gehen.

Ein SPD-Mitglied schrieb über Twitter, er könne es nicht ertragen, wenn ein AfD-Mitglied einen Ausländer „aus rassistischen Gründen“ nicht erstversorgen würde. Nun, durch die Schräg-Haltung des ASB hat das teuflische AfD-Mitglied nicht einmal die Chance, „aus rassistischen Gründen“ einen Ausländer verbluten zu lassen. Das potenzielle Opfer wird in jedem Fall verbluten, weil das teuflische AfD-Mitglied eben nicht ausgebildet ist. 

Aber ich bin mir sicher, das fiktive Opfer wird sozusagen bis zum letzten Atemzuge kämpfend dem untätigen, weil ungebildeten Ersthelfer ein „wenigstens sterbe ich nicht aus rassistischen Gründen“ entgegenröcheln. 

Aber, ich kann ja so etwas zugeben, ich schätze konsequente Haltungen. Auch, wenn ich sie für dämlich halte. Wäre ich AfD-Mitglied, oder wenigstens Sympathisant oder noch wenigstenser Wähler, dann würde ich an den Kontrollzwangsarbeitersamariterbund keinen roten oder braunen Cent mehr spenden. Er würde sicher mein Geld eh nicht wollen. Retten muss er ja trotzdem. Ist ja ein „gemeinnütziger Verein“, der „allen Menschen – unabhängig von ihrer politischen, ethnischen, nationalen und religiösen Zugehörigkeit“ hilft. Auch AfD-Mitgliedern. Und auch einer im Sterben liegenden SPD.        

Foto: Timo Raab

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Wilfried Cremer / 27.10.2018

Bei der sterbenden SPD bin ich Gaffer. Ich pinkle sogar noch auf das Grab. Bätschi!

Kopp, Harald / 27.10.2018

Teilweise erinnert das einen an die Hexenjagd in den 50ern in den USA gegen jeden der nur links um die Ecke geschaut hat. Unfassbar welche Machtfuelle man gewissen NGOs, Medien und Helfershelfern aus Unterlassung und Bequemlichkeit oder Angst seine Standpunkte zu vertreten überlassen hat. Sie werden uns solange gegeneinander aufhetzen, bis wir uns mit physischen Waffen bekämpfen. Für immer mehr “Gute” heiligt der Zweck jedes Mittel gegen “die Bösen”

Thomas Taterka / 27.10.2018

Bei vielen “Vereinen ” in Deutschland, vor allem bei der SPD, wurde seit Jahren “oben” nicht mehr gelüftet. Ich geh’ da nicht rein. Sitze lieber auf ‘ner Bank davor und warte, bis die ersten Verzweifelten ver- suchen,durch die Fenster zu entkommen.

Sabine Heinrich / 27.10.2018

Herr Schneider, ich - bekennende AfD-Sympathisantin - erwäge, an meinen Organspenderausweis als Warnung einen neonfarbigen Hinweis anzuklammern, dass ich eine solche bin, damit nicht etwa ein linksrotgrüner Organempfänger sein 2. Leben lang darunter leiden muss, mit der Leber, Niere, Hornhaut etc. usw. einer konservativen Menschin weiterleben zu müssen. Desgleichen werde ich meinem Blutspenderausweis eine Warnung anheften - denn wer möchte schon durch das Blut von einer AfD-Sympathisantin gerettet werden? Dann lieber sterben! Nun bin ich mal gespannt, ob die MALTESER nachziehen; das ROTE KREUZ dürfte sich derartige Ausgrenzungen allerdings nicht erlauben - aber, wer weiß - in diesem Land ist ja inzwischen alles möglich. Der WEISSE RING hat den ehrenvollen Anfang gemacht.

Fritz Hoffmann / 27.10.2018

Lieber Herr Schneider, für den Bäcker hätten sie aber auch wirklich einen unverfänglicheren Namen wählen können.

Frank Stricker / 27.10.2018

Jetzt muß schon der Arbeitersamariterbund dafür herhalten , dass Herr Schneider sein pathologisches Verhältnis zur AFD ausleben darf.  Insgesamt taucht der Begriff AFD 17 x (!!)  in dem kurzen Artikel auf ! Was Michael Myers für das Städtchen Haddonfield in “Halloween” ist , ist Herr Schneider mittlerweile für die Achse. Ein intellektuell Untoter, der immer noch sein Unwesen treibt………….

Frank Mora / 27.10.2018

Bekräftigt hat diese ASB-Praxis deren Vorsitzender, Franz Müntefehring. SPD-Vorsitzender a.D., Viezekanzler und Bundesminister a.D., Landesminister (NRW) a.D., langjähriger Bundestags- und Landtagsabgeordneter. Als Politrentner mit einer seeehr auskömmlichen Altersversorgung ausgestattet. Wohl an der Grenze zur Fünfstelligkeit im Monat. Können da mit ähnliche Motivation AfD-Mitglieder und -Wähler ihre Steuern teilverweigern wegen Fehlgebrauches? Oder Politikerpensionen wegen absurder Überversorgung nachträglich kürzen? Ich gehe davon aus, daß die Erste-Hilfe-Kurse, die wie der Bundesarbeitsminister a.D. weiß, Pflicht für Betriebe sind, nicht unentgeltlich durchgeführt werden. In der Regel bezahlen die Betriebe. Direkt oder über die Berufsgenossenschaften.

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