Georg Etscheit / 08.10.2022 / 16:00 / Foto: DoroshenkoE / 22 / Seite ausdrucken

Katastrophenschutz à la Polt

„Planen Sie wie für einen 14-tägigen Campingurlaub in den eigenen vier Wänden“, textet die für den Flyer verantwortliche „Stabsstelle Presse und Medienarbeit“ der Stadt Rosenheim, wobei man sich fragt, warum der unfreiwillige Campingurlaub schon nach zwei Wochen wieder vorbei sein soll, wo es doch daheim so gemütlich ist.

Wir haben uns als Schüler immer mächtig gefreut, wenn sich in der Penne wieder einmal das Bundesamt für Zivilschutz oder Katastrophenschutz (oder so ähnlich) angesagt hatte. Dann fiel der normale Unterricht aus und graugesichtige Herren erschienen mit grauen Koffern und legten mühevoll Filme in die schuleigenen Projektoren (ebenfalls grau) ein, die uns vorführten, was zu geschehen habe, falls die Russen mit Atomraketen auf uns schießen würden. 

Wir ergötzten uns an Aufnahmen von Testexplosionen, bei denen unter der Einwirkung atomarer Druckwellen in Sekundenschnelle Wälder flach gelegt wurden und Häuser davonflogen, als wären sie aus Pappe. Und als man uns weismachen wollte, dass es hilfreich sei, sich beim plötzlichen Aufflammen eines Atomblitzes unter dem Küchentisch zu verkriechen oder sich, falls man gerade im Freien unterwegs sei, eine lederne Aktentasche schützend vors Gesicht zu halten, dämmerte es uns schon damals, dass „Zivilschutz“ im Atomzeitalter eher für Satire als zum Überleben taugt. Gerhard Polt hat die Chose dann auch sehr treffend in einem Sketch über den stolzen Besitzer eines privaten Atomschutzbunkers durch den Kakao gezogen.

An den großen bayerischen Komiker muss man denken, wenn man sich eine Broschüre zu Gemüte führt, die jüngst von der Stadt Rosenheim veröffentlicht wurde, einen praktische „Ratgeber für die Eigenvorsorge“ unter der hinreißenden Überschrift „Blackout – und dann?“ Anhand rot durchgestrichener Symbole etwa einer Glühbirne oder eines Einkaufswagens wird man darüber aufgeklärt, was es bedeute, wenn „in der Region“ kein Strom mehr fließt: Weder Licht („von der Leselampe bis zur Straßenbeleuchtung“), noch Kommunikation, Geldverkehr, Einkauf, Trinkwasser, Kühlung („privat und auch im Handel“), Heizung und Medikamente. Man hätte das einfacher formulieren können: Was funktioniert ohne Strom? Nichts!

Der unfreiwillige Campingurlaub

Ebenfalls sehr hilfreich gleich daneben die Adressen diverser Freiwilliger Feuerwehren in der Stadt Rosenheim und den Stadteilen Aising, Happing und Pang, dankenswerterweise inklusive Telefonnummern, die man im Notfall allerdings („keine Kommunikation: Handy, Telefon, Internet, Fernsehen, Notruf“) nicht erreichen könnte. Und selbst wenn, würde vermutlich niemand abnehmen, weil die Hilfsdienste zunächst tagelang damit beschäftigt wären, tausende von in Aufzügen steckengebliebene Menschen zu befreien.

Noch mehr Polt bietet die Checkliste überlebensnotwendiger Güter. „Planen Sie wie für einen 14-tägigen Campingurlaub in den eigenen vier Wänden“, textet die für den Flyer verantwortliche „Stabsstelle Presse und Medienarbeit“ der Stadt Rosenheim, wobei man sich fragt, warum der unfreiwillige Campingurlaub schon nach zwei Wochen wieder vorbei sein soll, wo es doch daheim so gemütlich ist – ohne Heizung, Wasser, warme Nahrung oder überhaupt etwas zu essen, ärztliche Versorgung und was sonst noch alles nicht funktioniert ohne Strom – und das ist, siehe oben, alles.

Erfreulich zumindest, dass sich die Stadt Rosenheim zum Ziel gesetzt habe, „die Trinkwasserversorgung so lange wie möglich aufrecht zu erhalten“. Ein Notvorrat von 2,5 Litern Wasser pro Kopf solle „trotzdem vorbereitet sein“. Das reichte wohl gerade einmal für zwei Tage, höchstens. Vielleicht waren ja 2,5 Liter Wasser pro Kopf und Tag gemeint, wobei als unbekannte Größe die Dauer des Blackouts eingesetzt werden müsste, der eingangs der Broschüre als „länger andauernder, meist überregionaler Strom- Infrastruktur- und Versorgungsausfall“ definiert wird.

Bunker mit Sauna

Warum man nach Maßgabe der Rosenheimer Stabsstelle neben Hülsenfrüchten, Knäckebrot, Kurbelradio, Brennpaste und „ggf. Holz für Heizung“ auch Bargeld („in kleinen Scheinen und Münzen – gut gesichert!“) vorhalten soll, erschließt sich nicht auf den ersten Blick, nicht, weil es im Fall eines völligen Zusammenbruchs der deutschen Wirtschaft keinen Wert mehr besäße, sondern weil man es in Ermangelung von Einkaufsmöglichkeiten nicht mehr ausgeben könnte. Oder wird man insgeheim darauf vorbereitet, dass man auf dem schwarzen Markt vielleicht doch das eine oder andere erstehen könne, um nicht zu verhungern – oder bei Bauern in der Umgebung zu hamstern, die man aber wohl nur durch Einsatz des Familiensilbers zur Überlassung einiger Eier oder etwas Milch und Butter bewegen könnte.

Ganz wichtig ein auf der Checkliste zuletzt genannter „evtl. immer getankter PKW“, in dem man sich, solange der Kraftstoffvorrat reicht, aufwärmen oder Regionen erreichen könnte, in denen der Strom noch fließt, falls nicht ganz Europa betroffen wäre. Bunkerbesitzer Polt empfiehlt ergänzend diverse Brettspiele („Schach, Mikado, Mensch-ärgere-Dich-nicht“) zur Zerstreuung: „Man braucht ja etwas in dieser relativ recht langen Zeit der Zurückgezogenheit, dass die Psyche nicht verkümmert, dass man nicht trübsinnig wird.“ 

Wobei Polt offenbar davon ausging, dass selbst nach einem Atomangriff noch Strom fließen würde, weil sein Bunker auch über eine Sauna („Wir wollen schon eine Sicherheit aber auch einen gewissen Komfort.“) verfügt. Saunieren fiele bei einem Blackout natürlich flach, wenn man nicht über eine mit Holz beheizte Sauna gebietet. Aber das Holz bräuchte man wohl für wichtigere Dinge – ins Schwitzen käme man im Falle eines Blackouts von ganz allein. Der Flyer lässt sich aktuell nicht mehr auf der Homepage der Stadt Rosenheim herunterladen. Vielleicht wird er ja überarbeitet – unter tatkräftiger Mithilfe von Gerhard Polt.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

H. Krautner / 08.10.2022

In Rosenheim will man also einen 14-tägigen Blackdown. Er kann aber auch noch länger dauern, offensichtlich nur in Rosenheim nicht.          Vergessen wurde auch von den Rosenheimer Komiker die Empfehlung sich einen Baseballschläger (funktioniert übrigens ganz ohne Strom) anzuschaffen, damit man ein Werkzeug hat um sich gegen nach Lebensmittel suchenden Mitbewohner zu wehren.            Auch gibt es keinen Hinweis darauf, wie die Rosenheimer Bürger nach einem Blackdown mit Lebensmittel versorgt werden, weil dann vermutlich die Lebensmittelregale innerhalb weniger Stunden ratzeputz leer sind und es sicher mindestens zwei Monate dauert, bis die Lebensmittelproduktion und die Lieferketten wieder so gut funktionieren bis die Regale in den Supermärkten wieder ausreichend gefüllt sind.

Ludwig Luhmann / 08.10.2022

Also, wenn ich weiß, dass meine Todfeinde ungefähr im selben Augeblick atomisiert werden wie ich, dann wird meine unsterbliche Seele glücklich empor schweben. Besonders die Atomkraftgegner haben uns damals sehr viel Bullshit zum Thema Atombomben erzählt. Die Grundeinstellung war noch mieser als nur absolut hoffnungslos, wobei das ubiquitäre Unwissen zu allem, was mit “Atom” zu tun hat, bis auf den heutigen Tag noch immer im Konses einer der größten Echokammern Deutschlands Feste feiert. Wir Dodos sind so abgerichtet, dass wir uns selbst die Schuld geben, wenn der rational irre Putler als erster endlich mal ‘ne winzige Davy Crockett in ein ukrainische Maisfeld lupft. Das wär’ doch mal was Handfestes. Aber die Bilder kennt man schon. Nach 3 Tagen würde man nur noch gähnen. - Wäre ich Dodolands Propagandaminister, dann würde ich den Putleristen in der Neo-UdSSR Tag und Nacht die Botschaft von der absolut völligen Vernichtung Russlands über alle hackbaren Kanäle in die Vodkabirnen stopfen.  Man muss sich wirklich mal die Rekrutierungsvideos aus diesem Suffland anschauen. Solche Typen hängen bei uns im Park mit ‘ner Buddel Lebertod herum. Putin sammelt das Kanonenfutter ein und gibt ihnen veraltetes Schießzeugs. - Ein echter Atomkrieg wäre etwas Unfassbares. Und wir können absolut nichts dagegen tun, wenn es den Mächtigen gefällt. Man sollte nach Davos, nach Brüssel und nach New York zur UNO marschieren und den ganzen Menschen hassenden Abschaum zu “Soylent Gamma Ray” verwursten und den globalen Grünen in die nimmersatten Rachen stopfen.  - Ich habe 200ml Lugolsche Lösung. Damit kann ich die gesamte Nachbarschaft mit feinstem Jod versorgen. Man muss allerdings wissen, was man tut ... und Essen für ein mehr als nur ein paar Monate habe ich auch. Und in ein paar Tagen pflanze ich Jostabeeren und so weiter ... Apfelbäume habe ich schon.

H. Krautner / 08.10.2022

“An den großen bayerischen Komiker muss man denken, wenn man sich eine Broschüre zu Gemüte führt, die jüngst von der Stadt Rosenheim veröffentlicht wurde, einen praktische „Ratgeber für die Eigenvorsorge“                        Wenn man das liest, muss man davon ausgehen, dass bei der Stadt Rosenheim tatsächlich Komiker arbeiten.  Naja, so etwas passt ja auch optimal in das aktuelle politische System, da arbeiten ja bis in die obersten Führungsbereiche ja schon eine Menge aus dieser Berufsgruppe.

Hans Buschmann / 08.10.2022

Man sollte den “Blackout” in “Greenout” umbenennen, denn damit wird deutlich, wer die Verursacher dieser Katastrophe sind.

Heiko Stadler / 08.10.2022

Polts Humor ist nachvollziehbar, denn er beschreibt das noch vergleichsweise kleine Übel, den Atomkrieg. Heute sind wir einen Schritt weiter: Die Grünen sind an der Macht.

Horst Kruse / 08.10.2022

Wer preppert , ist nur zu faul zum Plündern !

Peter Holschke / 08.10.2022

Pure Propaganda! Der Blackout kommt, der Blackout kommt ... puh Glück gehabt, dass sich nur die Energiepfeise verzehntfacht haben.

S. Andersson / 08.10.2022

Leute MACHT was…. Sabbeln hilft nicht und löst die Problemchen nicht… machen und los. Ohne Polit Genossen hätte die Welt keine Probleme… gell

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Georg Etscheit / 22.03.2024 / 06:15 / 124

Ricarda Lang als Dampfwalze – eine Klatsche aus der bayerischen Provinz

Das „Königlich Bayrische Amtsgericht“ war seinerzeit eine launige ZDF-Fernsehserie. Gestern gab es eine Fortsetzung mit der Grünen-Spitze – humorlos und beleidigt. Der vorgebliche Übeltäter war…/ mehr

Georg Etscheit / 10.03.2024 / 12:00 / 29

Cancel Cuisine: Fleischersatz von Bill Gates

Bill Gates investiert Millionen und Milliarden Dollar in Dinge, die ihm wichtig erscheinen. Zum Beispiel in die Landwirtschaft. Und in Fleisch aus dem Drucker. „Ich denke,…/ mehr

Georg Etscheit / 09.03.2024 / 06:15 / 111

Der heimatlose Stammkunde

Der Niedergang der Fachgeschäfte zwingt den Kunden, von Pontius zu Pilatus zu laufen oder selbst zu suchen und dann im Internet zu bestellen. Unlängst hat in…/ mehr

Georg Etscheit / 24.02.2024 / 14:00 / 4

Die Schattenseiten des „sanften“ Wintertourismus

In den niedrigen Lagen Oberbayerns stirbt der Skitourismus aus. Wegen immer weniger Schnee zieht die Ski-Karavane einfach daran vorbei. Doch hat sich die Zahl der…/ mehr

Georg Etscheit / 23.02.2024 / 14:00 / 18

Na bitte: Covid-Aufarbeitung in Ärztefachblatt

"Der Allgemeinarzt" ist mit einer Auflage von 51.000 eines der ärztlichen Journale mit der größten Reichweite. Jetzt hat das Blatt den Mut, einem Kritiker der…/ mehr

Georg Etscheit / 18.02.2024 / 12:00 / 24

Cancel Cuisine: Cem und das Tierwohl

Cem Özdemir plant eine „Tierwohlabgabe“ auf bestimmte tierische Produkte. Eine neue Etappe auf dem Weg ins Veggie-Paradies. Langsam wird es ermüdend, immer wieder auf die…/ mehr

Georg Etscheit / 11.02.2024 / 13:00 / 16

Cancel Cuisine: Saures Lüngerl

Jenseits von Leber und Nierchen sind Innereien in unserer Küche schon lange aus der Mode gekommen. Leider, muss man sagen, denn da entgeht uns was.…/ mehr

Georg Etscheit / 04.02.2024 / 10:00 / 64

Cancel Cuisine: Der Discounter – Schmelztiegel der Nation 

Bisher mied der Autor Discounter wie Aldi, Lidl oder Penny, doch räumt er nun ein, einen Sinneswandel durchgemacht zu haben. Habe ich mich verhört? Hat…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com