Annette Heinisch / 13.12.2021 / 12:00 / Foto: achgut.com / 132 / Seite ausdrucken

Kanzler der Ausgrenzung

Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte sich in einem Interview auch zum „Kanzler der Ungeimpften“, also einer Gruppe, die unter seiner Kanzlerschaft immer mehr aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen wird. Darauf eine passende Antwort in einem Offenen Brief:

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

in einem Interview behaupteten Sie, Kanzler auch der Ungeimpften zu sein.

Das ist ein Irrtum.

Ohnehin nur von einer Minderheit gewählt, haben Sie sich Mitstreiter zum Regieren gesucht, die ebenfalls nur von einer Minderheit gewählt wurden. Dieses führt nach den demokratischen Gepflogenheiten dazu, dass Sie gemeinsam Macht über alle ausüben können.

Ihre Machtausübung fokussiert sich aber derzeit darauf, einen Teil der Bevölkerung aus der Gesellschaft auszuschließen. Die Ausgegrenzten nehmen diesen Ausschluss übel. Sehr übel sogar.

Sie fühlen sich nicht von Ihnen vertreten, sind nicht deren Kanzler.

Noch mehr: Sie sind auch nicht der Kanzler einer nicht geringen Zahl von Geimpften. Auch in dieser Gruppe gibt es nämlich durchaus Menschen, die den Umgang mit Nicht-Geimpften für absolut indiskutabel halten.

Sie behaupten ferner, es gäbe keine Spaltung im Volk. Damit mögen Sie recht haben, was wir erleben, ist mit dem Wort „Spaltung“ völlig unzureichend beschrieben. Eine Schweizer Zeitung nannte es Zerrissenheit, dies dürfte das Phänomen deutlich besser beschreiben. Sie, Herr Scholz, zusammen mit Ihrer Regierung, haben die Bänder, die unsere Gesellschaft zusammenhalten, zerrissen. Nicht-Geimpfte werden ja nicht „nur“ ausgesondert, indem sie vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden, sie werden oft regelrecht verfolgt.

Entgegen Ihrer Auffassung geht es nicht um Proteste vor den Häusern von Politikern. Hier zeigt sich ein Denken, dass sich vollständig um eigene Interessen der Politik rankt, aber das Wohlergehen der Bürger ausblendet. Sind eigene Interessen betroffen, z.B. das Recht auf Privatsphäre von Politikern, die es generell unterbinden, durch Kritik in ihrer Wohlfühlzone gestört zu werden, ist das Geschrei laut.

Dieselben Politiker, die derart zart besaitet sind, sind aber in Bezug auf Ausgrenzung ihrer Mitmenschen und Eingriff in deren Recht auf körperliche Unversehrtheit umso gnadenloser. Sie überbieten sich in Äußerungen, dass Nicht-Geimpfte nicht mehr Teil der Gesellschaft seien, überhaupt schuld an dem ganzen Ungemach seien.

Damit haben Sie einen Geist aus der Flasche geholt, der nie, wirklich niemals, hätte freigelassen werden dürfen. Und viele Nicht-Geimpfte erleben ihn täglich. Da geht es nicht um andere Ansichten, die man schließlich haben dürfte. Da geht es um rabiate Diffamierung, um genau die Ausgrenzung, die Sie angestoßen haben.

Wie Ihnen bekannt ist, gilt als Zwang („hard power“) sowohl der körperliche wie auch der Zwang über die Vernichtung der Existenzgrundlage, sei es durch Ausschluss von der Berufstätigkeit wie auch durch die üblichen Bestrafungen mittels finanzieller Sanktionen (Geldstrafen, Bußgelder). Die Unterscheidung zwischen Impfpflicht und Impfzwang wirkt insoweit grenzwertig lächerlich.

Im Gegensatz zu Ihrer Auffassung sind diejenigen, die der Impfung skeptisch gegenüberstehen, keineswegs nur ein dummer, rechter Pöbel. Vielmehr sind darunter sogar Anhänger der Gentechnik und von Impfungen, sind sogar vielfach geimpft. Viele von ihnen haben allerdings eine sehr differenzierte Ansicht über Nutzen und Risiken der Impfungen gegen die derzeitige Viruserkrankung. Tatsächlich scheinen sie mir oft deutlich besser informiert als viele derjenigen, die einfach der Masse hinterherlaufen.

Aber all das ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass jeder über sich, sein Leben und seine Gesundheit selbst bestimmen darf.

Ob klug oder dumm, links oder rechts: Die Verantwortung für sein Leben trägt jeder selbst.

Solange jeder sich durch Hygiene- und Abstandsmaßnahmen sowie einer Impfung, die Ihrer Ansicht nach ja hochwirksam und völlig ungefährlich ist, vor einer Ansteckung schützen kann, besteht nicht einmal ansatzweise ein Grund, in dieses Recht einzugreifen. Vielmehr wäre es Ihre Pflicht, diese Impfung jedem, der sie haben möchte, unverzüglich zur Verfügung zu stellen, vorrangig aber den besonders Schutzbedürftigen.

Das Argument der Gefährdung der Krankenhausversorgung kann angesichts der Reduzierung der Intensivkapazitäten und der Einführung einer berufsbedingten Impfpflicht im Gesundheitswesen, welche den Pflegenotstand eher verstärkt, nicht überzeugen.

Für Ihre Vorgängerin war die Grenzöffnung 2015 der Anfang vom Ende. Dieser Moment liegt bei Ihnen gleich am Anfang Ihrer Kanzlerschaft. Ihre Vorgängerin hat den Fehler gemacht, an ihrem Verhalten stur und unbelehrbar festzuhalten. Den gleichen Fehler zu wiederholen und damit Ihre gesamte Kanzlerschaft zu belasten, wäre wenig weise.

Den Geist, den Sie freiließen, bekommen Sie nie wieder in die Flasche. Aber Sie sollten sich nach Kräften bemühen, ihn schleunigst wieder einzufangen. Alles andere hätte katastrophale Folgen. Gesprächsangebote allerdings, so notwendig diese auch sein mögen, sind dafür bei Weitem nicht ausreichend.

Mit freundlichen Grüßen

Annette Heinisch

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H.Roth / 13.12.2021

“Sie fühlen sich nicht von Ihnen vertreten, sind nicht deren Kanzler.” Leider doch, da hat der Kanzler ganz recht, er ist auch der Kanzler der Skeptiker, der Kritiker, der Opposition und der beschimpften Ungeimpften. So lange ich ein deutscher Staatsbürger bin, muss ich die gewählte Regierung auch rechtmäßig anerkennen. Es ist vielmehr eine Frage des Respektes, und ich würde es daher eher so ausdrücken: “Ich fühle mich nicht von Ihnen vertreten, sie sind zwar auch mein Kanzler, aber ich kann sie nicht respektieren. Mein Gewissen ist einer höheren Autorität verpflichtet. Diese Autorität ist Gott. Und damit verbunden die Prinzipien Freiheit, Wahrheit, Gerechtigkeit.” Gegen alle diese drei Prinzipien verstößt unsere Regierung massiv.

Uta Buhr / 13.12.2021

Liebe Frau Heinisch, danke für Ihren offenen Brief an Oldolf, unseren neuen Kanzler, den ich nicht einmal im delirium tremens gewählt hätte. Leider wird er den Inhalt desselben gar nicht verstehen können und wollen. Oho, Wolf H@gen, kleinkarierte Besserwisser und Korinthenkacker wie Sie, die mich an meine ersten Jahre auf der Volksschule erinnern, sind total verzichtbar. Wie wäre es, wenn Sie ein ebenso markiges wie elegant formuliertes Schreiben an Scholz richteten, in welchem Sie ihn auf seine Pflichten gegenüber den Bürgern hinweisen? Nur Mut, Herr Hagen, ich warte mit Spannung auf das Opus aus ihrer Feder. Vielleicht zeigt der Wireman dann Einsicht und alles bessert sich im Sinne eines großen Teils des Volkes.  Dum spiro spero!  H@ns Reinhardt, Genauso ist es: Für Deutschland könnte man eine ganze Reihe Namen einsetzen, u.a. Merkel, Steinmeier, Maas…die Liste wäre je nach Gusto zu verlängern.

Claudius Pappe / 13.12.2021

Ich schwöre, daß ich meine ganze Kraft dem Unwohle des deutschen Volkes widmen, seinen Schaden mehren, Unglück auf ihn wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes nicht wahren und missachten, meine Pflichten nicht erfüllen und Ungerechtigkeit gegen jedermann üben werde-außer er ist nicht von deutscher Abstammung.

Andreas Bitz / 13.12.2021

Danke Frau Heinisch. Der Brief hätte auch an alle Gestalten des (Grusel)Kabinetts adressiert werden können mit Hinweis auf Wortbruch nach der Wahl. Den Ernst der Lage beschreiben die Scholz-Worte: “Für meine Regierung gibt es keine roten Linien mehr bei all dem, was zu tun ist. Es gibt nichts, was wir ausschließen.”. Ich antworte darauf: “Für mich ... was ich ausschließe”.

sybille eden / 13.12.2021

Wer hat uns verraten ? Die Sozialdemokraten !  Und Babyface Scholz ist nur einer von diesem Pack !

Katharina Fuchs / 13.12.2021

Ein Appell an das Gewissen eines Mannes, der vermutlich seine eigenen Nachbarn ins Lager sperren ließe, wenn für ihn dabei ein wie auch immer gearteter Vorteil herausspränge? Und der sich überdies sicher sein kann, daß der Großteil der Bürger ihm bei jeder noch so unredlichen Handlungsweise hysterisch zujubeln wird, solange die linientreue Presse dazu den Takt schlägt? Der weiß, daß er eigentlich garnichts falsch machen kann, solange er dem am lautesten schreienden Mob nach dem Maul redet? Ich fürchte, einem Wunschzettel an den Weihnachtsmann wäre eher Erfolg beschieden.

G. Böhm / 13.12.2021

Frau Heinisch!  Ihre in zivilen Formulierungen beschriebenen Sachstände sind gegenüber dem Adressaten nicht geeignet, um überhaupt dessen Aufmerksamkeit zu erlangen. Der Kriegspropaganda des gesamten Establishments gegen weite Teile des eigenen Volkes muß mit ebenso dramatisierenden und klaren Begriffen begegnet werden. Alles was Sie beschreiben, ist als faschistoide Entgleisung zu entlarven und zu brandmarken. Die neuen woken Faschisten sind jene, die anderen selbiges vorwerfen. Deren Wortwahl impliziert eben nicht nur einfache Botschaften oder Apelle, sondern kommunikationstechnisch gesehen insbesondere Selbstoffenbarungen. MbG [Bitte berichten Sie uns, wie Olafs Antwort ausfiel!]

B. Kurz / 13.12.2021

@Wolf Hagen:  Ich hätte in Ihrem Antwortkommentar zum “Grinsen” großgeschrieben und auch das ein oder andere Komma nicht/anders gesetzt, aber ich will Sie in Ihrer Unfehlbarkeit nicht verunsichern. Ich möchte ja auch Ihrem Kissen die Heulerei ersparen.

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