Vera Lengsfeld / 06.11.2015 / 08:19 / 11 / Seite ausdrucken

Kannten Sie Schümann?

Nein? Ich auch nicht. Aber jetzt muss ich ihn kennen, denn das ist der tapfere Journalist vom Tagesspiegel, der vor einigen Tagen mitten in Charlottenburg von einem Rechtsradikalen niedergeschlagen wurde. Der Täter soll ihn attackiert haben mit den Worten: „Du bist doch der linksradikale Schümann vom Tagesspiegel, Du Drecksau.“ Da ist sich Schümann ganz sicher. Etwas weniger sicher scheint er zu sein, was ihm denn nun passiert ist, denn in diesem Punkt differiert die Berichterstattung. Mal wird er nur attackiert, mal niedergeschlagen, mal sauste eine Faust in seinen Nacken. Macht nichts, die Verurteilung dieser rechtsradikalen Schandtat, für die es keine Zeugen gibt, ist jedenfalls einhellig.

Nicht nur die Journalistenkollegen, auch Justizminister Maas, der zu den jüngsten Brandanschlägen auf Autos von Politikerkolleginnen und Aktivistinnen vernehmlich geschwiegen hat, der alle linksradikalen Angriffe in Leipzig der letzten Monate, einschließlich einer brutalen Attacke auf eine Polizeistation, schweigend überging, kann diesmal mit seiner Empörung und seinem Abscheu nicht hinter den Berg halten.

Die Botschaft von Schümanns Ungemach ist also nicht zu überhören. Warum nur fehlt mir der Glaube?  Wenn sich der Überfall in Lichtenberg in der Weitlingstraße abgespielt hätte, wäre ich geneigt, trotz aller Zweifel, Schümanns Story eine gewisse Wahrscheinlichkeit einzuräumen. Der Kiez ist stadtbekannt für seine Neonazidichte. Aber Charlottenburg, in Kudammnähe?

Nun zu meinen Zweifeln. Der typische Neonazischläger, darin stimmen alle Kenner und Experten überein, ist eher einfach gestrickt, von geringer Schulbildung. Er liest vielleicht die Überschriften von Bild, aber ganz gewiss keinen Tagesspiegel. Ich würde Schümann nicht erkennen, selbst wenn ich ihm stundenlang in der Bahn gegenübersitzen müsste. Liegt das daran, dass ich zu wenig rechtsradikal bin, um über dieses Insiderwissen zu verfügen? Es gibt von dem Vorfall nur Schümanns Schilderung. Er kann weder Personenbeschreibungen liefern, noch gibt es Zeugen. Tatsache aber ist, dass sich der Tagesspiegel in schwersten wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, wie die Chefredakteure unlängst mitteilen mussten. Es gibt gravierende Einschnitte beim Personal. Wer wird aber einen Kollegen feuern, der Opfer einer rechtsradikalen Attacke wurde? Niemand.

Es gibt mehrere Blaupausen für den Schümann-Vorfall. Erinnert sich noch jemand an den süddeutschen Polizeichef, der vor seiner Haustür in sein eigenes Brotmesser gefallen ist und behauptete, Rechtsradikale hätten ihn attackiert?  Der Fall erschüttete wochenlang alle neudeutschen Medien. Die eingesetzte 50-köpfige Sonderkommission konnte allerdings nichts anderes herausfinden, als dass es nur Fingerabdrücke der Familie auf der Tatwaffe gab.

Oder die Rollstuhlfahrerin aus Halle, der Rechtsradikale ein Hakenkreuz auf die Wange geschnitten haben sollen? Nach einem beispiellosen medialen Erregungssturm kam heraus, dass die Dame sich das Hakenkreuz selbst beigebracht hat. In Mittweida war es ein Hakenkreuz auf der Hüfte. Dem Opfer dieser rechtsradikalen Schandtat wurde daraufhin ein Preis für Zivilcourage verliehen, bevor herauskam, dass auch dieser Vorfall erfunden worden war.

Nun also Schümann, der meint, seine Kolumnen gegen die Dunkeldeutschen wie Pegida, AfD & Co hätten ihn bei den Rechtsradikalen so populär gemacht, dass sie ihn unbedingt am „Anschreien“ gegen die braune Flut hindern müssten. Allerdings wurde Schümann nicht ernsthaft behindert. Er konnte sich sogleich auf Facebook mitteilen. Für meine Meinung, dass der rechtsradikalen Angreifer Schümanns niemals gefunden wird, lege ich meinen Kopf unter die Ttip-Guillotine, die dem Tagesspiegel keine Erwähnung wert war. Dafür ist das Blatt im helldeutschen Eifer des Kampfes gegen “rechts“ jüngst so weit gegangen, nicht nur international renommierte Professoren, sondern sogar eigene Autoren als rechtsradikal abzustempeln, ohne zu merken, dass sie sich damit selbst bezichtigen, Rechtsradikalen ein Forum zu geben. Kein Wunder, dass die Auflage eines solchen Qualitätsblattes in den Keller rauscht.

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Leserpost

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Karla Kuhn / 08.11.2015

Hallo, Herr Bereit, Frau Lengsfeld hat nicht geäußert, daß sie sich sicher ist, ihr fehlt jedoch der Glaube und sie hat ihre Zweifel. Das darf sie, sie macht sich damit auch nicht strafbar. Noch darf man zweifeln. Außerdem hat sich im Nachhinein rausgestellt, daß Herr Sch. zwei Punkte korrigieren mußte. Jetzt sag ich es mal mit Goethe: Die Antwort hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. (Ob es nur zwei Punkte sind?)

Horst Jungsbluth / 08.11.2015

Sehr verehrte Frau Lengsfeld, Sie hatten natürlich wieder einmal den richtigen Riecher und die Beispiele über sogenannte “rechte” Attacken, die sich dann als getürkt herausstellten, könnte ich noch erweitern. Ein Skandal und eine Schande, dass Journalisten, Politiker und andere Wichtigtuer ohne Klärung des tatsächlichen Sachverhalts sofort losballern, aber dann nicht, wenn wirkliche Gewalttaten verübt werden, die man nicht den “Rechten” anlasten kann. Mir scheint es fast, dass man einer perfiden Strategie der zigmal umbenannten SED nach dem Zusammenbruch der DDR folgt, die u. a. damit von ihrer Unfähigkeit und ihren Verbrechen ablenken will. Dabei hat diese Partei durch die Stasi bereits im Jahre 1959 in NRW “rechtsextreme” Verbrechen durchgeführt, um die Bundesrepublik zu international zu schaden. Die beiden Dichter Heym und Hermlin haben dann im “ND” ihrer offenkundig gut bezahlten Empörung Ausdruck verliehen. Der Tagesspiegel ist spätestens seit 1989 vollkommen abgeglitten, als ehemalige “TAZ” Leute das Heft in die Hand nahmen und die Zeitung auf diesem verheerenden Kurs brachten. Bereits damals machten sich die Bürger darauf aufmerksam, dass man oft bei gewissen Leserbriefen besser informiert wurde, als im redaktionellen Teil, was natürlich auch daran lag, dass es für etliche Leserbriefschreiber der einzige Weg war, sich Gehör zu verschaffen, wie z.B . Hermann Kreutzer (SPD) als Vorsitzenden des Kurt-Schumacher-Kreises, der wegen seiner Anti-SED-Haltung bei seiner Partei in Ungnade gefallen war.  Mit freundlichen Grüßen

Tom Hess / 07.11.2015

Dieses Land ist so was von krank. Ich denke, inzwischen müsste, zumindest nach deutschem Asylrecht, ein politischer Asylantrag in einem anderen Land funktionieren. Wer sich kritisch äußert, kann schnell vor den Scherben seines Lebens stehen. Das wissen die Menschen, weswegen sich viele nicht mehr äußern. Solche Trittbrettfahrer sind dann quasi das gratis Sahnehäubchen, welches wir oben drauf bekommen.

Johannes Müller / 07.11.2015

Sehr geehrte Frau Lengsfeld, es gibt noch ein weiteres Indiz dafür, dass der Vorfall nicht wie angegeben stattfand: Wenn man sich den berichteten angeblichen Tatablauf vor Augen hält, ist es doch verwunderlich, dass Herr S. beleidigt wurde und dann einen Stoß (Schlag? Rempler?...?) in den Rücken bekommen haben will, ohne den Täter auch nur gesehen zu haben. Normalerweise dreht man sich um, wenn man von hinten angesprochen wird, im öffentlichen Straßenraum sogar sehr schnell. Da zu vermuten ist, dass Herr S. nach einer Beleidigung normal reagiert und sich umgedreht hat, stellt sich doch die Frage, wieso er dann in den Rücken gestoßen werden konnte, denn der Täter müsste dann im Augenblick des Umdrehens von Herrn S. um ihn herumgesprungen sein, um ihn von hinten zu stoßen. Logischer wäre, dass Herr S. beleidigt wird, sich umdreht und dann gestoßen wird. Dann müsste er den Täter gesehen haben und beschreiben können. Hat er aber nicht. Es bleibt recht unklar. Hochachtungsvoll, J. Müller.

Alexander Rostert / 06.11.2015

Woran erkannte Schürmann denn, dass der angebliche Angreifer “rechtsradikal” war? Weil er ein entsprechendes Schild umgehangen hatte? Wer er ihn als “linksradikal” bezeichnet hat? Oder weil er gegen Schümann tätlich wurde? Für beides braucht man keineswegs rechtsradikal zu sein, da überschätzt Schümann die Beliebtheit linksradikaler Presseerzeugnisse auch schon bei Bürgerlich-Konservativen.

Bettina Kujath / 06.11.2015

Liebe Frau Lengsfeld, Sie verstehen es wieder einmal in einem kurzen und prägnanten Beitrag all dies unterzubringen, was unbedingt zum Thema gehört, also auch “Vorfälle” zu erwähnen, die ansonsten dem Vergessen anheim zu fallen drohen. Die Intentionen des Herrn Schümann dürften nicht nur in die Richtung gehen, eine vielleicht drohende Entlassung zu verhindern (wenn er überhaupt den Status des Festangestellten jemals erreicht hat), sondern seiner eigenen Person eine Bedeutung zumessen zu lassen, die er ansonsten wohl nicht erreicht hat. So scheint es mir jedenfalls. Beste Grüße Bettina Kujath

Peter Bereit / 06.11.2015

Wenn sie sich so sicher sind, dann sollten sie gegen das vermeintliche Opfer Anzeige wegen vorsätzlich falscher Verdächtigung und Vortäuschung einer Straftat erstatten. Bedenken sie aber, dass sie das auch mit Beweismitteln unterlegen müssen, weil sie sonst selbst Gefahr laufen, sich der Verleumdung oder der falsvhen Verdächtigung schuldig zu machen. Im Zweifelsfall sollten sie einfach den Mund halten. Letzeres ist die preiswertere Variante.

William Smeaton / 06.11.2015

Und ich dachte ernsthaft, ich sei der Einzige, dem diese Geschichte ganz gewaltig stinkt. Offenbar nicht. Aber es wird so laufen, wie es in Berlin immer läuft: Die Polizei wird Manpower vergeuden, einem Phantom hinterherzujagen, statt sich die Säufernase mal etwas genauer anzuschauen. Am Ende zahlen wir alle bis auf das vermeintliche Opfer drauf. Und dass die Berliner Staatsanwaltschaft den Mumm hat, gegen diesen Herrn eine Akte wegen Verdacht des Vortäuschens einer Straftat inklusive Aufbürdung der gesamten Kosten des Fake - Ermittlungsverfahrens zu knicken, wäre in einem Rechtsstaat logische Konsequenz, nur eben nicht in Berlin und dem Staat einer Frau Merkel und eines Herrn Volljuristen Maass.

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