„Italien zu regieren, ist nutzlos”

Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi zeigte sich in seiner letzten Pressekonferenz überzeugt, dass die italienischen Bürger, ähnlich wie bei den Corona-Maßnahmen, in Sachen Ukraine-Krieg eine kraftvolle einheitlich handelnde Regierung wünschen und keine parteipolitischen Kompromisse. Draghi nutzt mit solchen Appellen das schlechte Bild, das die Italiener von ihren Parteien haben. Für ihn sind die Parteipolitiker, die in seinem Kabinett vertreten sind, dazu gut, den Ministerpräsidenten zu unterstützen und im Parlament für die benötigten Mehrheiten zu sorgen. Wenn die nationale Einheit über alles geht, sind politische Debatten nur Zeit- und Kraftverschwendung, und so dürfte der Ministerpräsident es wohl auch empfinden.

Es mehren sich die Fälle, in denen das Parlament die Vorhaben der Regierung nicht durchwinkt. Um das Steueraufkommen zu erhöhen, ist von der EU (im Rahmen der Billigung der Hilfsgelder) vorgeschlagen worden, die Besteuerung von Immobilien vom Katasterwert auf einen realen Wert umzustellen. Die Italiener sind ein Volk von Immobilienbesitzern, diese Umstellung könnte zu einer Art Vermögenssteuer werden, und die Änderung der Besteuerungsgrundlage ist vom Parlament zunächst abgelehnt worden. Sollte Draghi seine Drohung wahrmachen, dieses Thema mit der Vertrauensfrage zu verbinden, riskiert er das Ende seiner Regierung. Und je näher das Ende der Legislaturperiode Anfang 2023 rückt, desto größer die Bereitschaft des centrodestra, sich für vorgezogene Wahlen etwa im Herbst eine gute Ausgangsposition zu verschaffen.

Die „balneari“, diese komfortablen Strandbäder mit Sonnenschirmen, Liegen und Verpflegung, sind im 19. Jahrhundert in Livorno entstanden. Die staatliche Vermietung der Strände soll nach einer EU-Direktive ab 2023 ausgeschrieben werden. Die EU-Ausschreibungsverpflichtungen haben schon manchen deutschen Kommunalpolitiker zur Verzweiflung gebracht; die Sorgen der italienischen Betreiber, überwiegend familiär geführte Kleinbetriebe, sind verständlich. Durch die Anti-Corona-Maßnahmen ohnehin schon schwer getroffen, fürchten sie um ihre Existenzgrundlage. Und die am Meer liegenden Kommunen fürchten eine neue Zugriffschance des stets auf der Lauer liegenden kriminellen Kapitals.

Einige verzichten auf die Ernte

Nicht nur landwirtschaftliche Großbetriebe, sondern auch Schäfer mit 100 Ziegen sollen sich einer anderen EU-Direktive zufolge einer Umweltzertifizierung unterziehen. Die landwirtschaftliche Produktion Italiens ist im letzten Jahrzehnt deutlich zurückgegangen, derartige Auflagen würden diesen Prozess beschleunigen. 

In einer der stundenlangen Infoshows des zum mediaset-Konzern gehörenden Rete 4 kamen Landwirte zu Wort, die ihre Energierechnungen präsentierten: In den letzten zwei Jahren stiegen diese kontinuierlich, etwa um den Faktor 3! Einige verzichten auf die Ernte, da sie die Produktionskosten nicht an den Markt weitergeben können und sie sich die Verluste nicht mehr leisten wollen. Beeindruckend die Bilder eines nahezu leeren Großspeichers für Weizen, der normalerweise um diese Jahreszeit gefüllt ist. Ähnlich bleiben Fischerboote in den Häfen, weil die Dieselkosten durch den Fang nicht mehr zu erwirtschaften sind. Italien steht nicht erst als Folge des Krieges in der Ukraine vor einer Energie- und Lebensmittelkrise.

Draghi lebt, wenn auch zunehmend kärglicher, von dem Prestige, dass er sich als Retter vor der dem Desaster der Vorgängerregierung Conte erworben hat. Nachfolger im Amt des Staatspräsidenten wäre er wohl gerne geworden, um von der Höhe des Quirinal die italienische Politik zu steuern. Gescheitert ist er an der Furcht der Parlamentarier vor möglicherweise folgenden Neuwahlen, aber auch an seiner geringen Bereitschaft, die legislative Kompetenz des Parlaments zu respektieren. 

Draghi agiert im wesentlichen als Garant und Emissär der EU. Von ihm selbst (es folgt also ein Draghi-Zitat) wurden die von dem Schweizer Jornalisten Emil Ludwig notierten Worte Mussolinis zitiert: „Exzellenz, Italien zu regieren ist schwierig?“ fragte dieser dereinst den Duce. Und der soll geantwortet haben: „Per nulla, e semplicemente inutile“ – Überhaupt nicht, es ist nur nutzlos…  

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Leserpost

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A. Ostrovsky / 16.04.2022

“Mario Draghi regiert Italien im Wesentlichen als Garant und Emissär der EU.” Das kommt darauf an, was man unter EU versteht. Ich denke Draghi regiert als Garant der Interessen seiner Auftraggeber. Ich nenne die hier nicht, weil sie jedes Kind kennt.

Dirk Schubert / 16.04.2022

Mal ein interessanter Beitrag. Und das Kenntnisreiche kommt auch nie so ausschweifend daher, wie bei manchem Welterklärer. Schauen wir uns dann noch Frankreich und Deutschland an, kann einem schon unwohl werden zu diesem Zustand der EU. Der Hinweis auf die künftigen Verwaltungsabläufe bei der Vermietung von Sonnenschirmen läßt mich nur Gruseln. Wer in Brüssel oder Rom tut so etwas auf seine Agenda. Vor Jahren las ich einmal ein nettes Buch über eine fiktive Behörde zur Rettung der, schon längst ausgestorbenen, Mittelmeerpinie. Es gibt noch viele Möglichkeiten.

Richard Loewe / 16.04.2022

Neuwahlen in Italien, gleich nachdem in Frankreich Le Pen gewählt wurde, könnten Europa retten. Außer Deutschland natürlich, denn die wollen ja wieder einmal Europa retten. Zwei Investmentbanker werden durch Patrioten und Normalos ausgetauscht. Man wird doch nochmal träumen dürfen…

Rainer Niersberger / 16.04.2022

Das mag so sein, wobei es heutzutage sehr problematischisz, Völkern irgendwelche Eigenschaften, Kultur und Mentalitaet zuzusprechen, unabhängig von dem, was empirisch feststellbar ist.  Fuer meinen Teil habe ich kein Problem damit, weder bei Italien noch anderswo und ich goenne ihnen auch ihr Immobilieneigentum. Das Problem beginnt dann, wenn in Art (faktischer) Finanzausgleich die einen, wiewohl weniger vermoegend, mit mehr Steuern und Abgaben kujoniert,  laenger arbeitend mit geringeren Renten die anderen alimentieren, was einen Wohlstand erzeugt, der eher wenig mit Eigenleistung zu tun hat. Natuerlich sind Sparer inflationär mehr betroffen als Immobilieneigentuemer.  Zum Thema Immobilenerwerb bzw eigentum in Schland eruebrigt sich jeder Kommentar. Bekanntlich sehen die Linksgruenen hierzulande Einfamilienhäuser sehr kritisch. Leider haben es “Verbindungen” a la EU oder im Bundesstaat jedenfalls in europäisch/ sozialistischen Gefilden so an sich, dass einer zahlt oder abkassiert wird und die anderen profitieren und kassieren. Einer, und nicht der einzige, der Gruende, die gegen derartige Konstrukte sprechen, zumindest wenn sich einer, psychopathologisch veranlagt, von den anderen ziemlich skrupellos erpressen laesst.  Eigenverantwortung waere nicht nur individuell die Loesung, sondern auch auf staatlicher Ebene. Dann kann jeder Selbstzahler nach seiner Fasson selig werden.

Ludwig Luhmann / 16.04.2022

Draghi gehört ganz im Sinne des Great Reset zu den Zerstörern der europäischen Nationen. Dr. Robert Malone aht vor einigen Tagen angekündigt, dass er eine Liste mit etwa 4000 Mitgliedern des World Economic Forums veröffentlichen will, die sehr interssante Daten zu den einzelnen Personen enthalten wird. Wir werden dann wissen, wer uns zerstören, zersetzen und gegen unseren Willen skrupellos TRANSFORMIEREN will!

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