Stefan Frank / 13.12.2021 / 16:00 / Foto: Amit Hai cohen / 14 / Seite ausdrucken

Israelboykott-Bewegung BDS: „Sing nicht mit Juden!“

Weil sie nicht bei einem Musikfestival auftreten wollten, bei dem auch eine jüdische Israelin singt, haben vier palästinensische Künstler ihre Teilnahme am Pariser Festival Arabofolies abgesagt.

Weil sie nicht bei einem Musikfestival auftreten wollten, bei dem auch eine jüdische Israelin singt, haben vier palästinensische Künstler ihre Teilnahme an der von einem prominenten arabischen Kulturinstitut in Frankreich ausgetragenen Veranstaltung abgesagt. Das berichtet die israelische Tageszeitung Haaretz.

Das Festival Arabofolies wird vom Pariser Institut du Monde Arabe (IMA) organisiert und findet alle vier Monate statt, im Frühjahr, Frühsommer und Herbst. Jeweils zehn Tage lang gibt es zu einem bestimmten Thema sechs oder sieben Konzerte, eine Podiumsdiskussion, zwei Lesungen und eine Filmvorführung. 

In diesem Trimester lief das Festival vom 3. bis 12. Dezember. Aufgetreten ist auch Neta Elkayam, eine bekannte marokkanischstämmige Sängerin aus Israel, der die New York Times im Frühjahr ein ausführliches Porträt widmete. Elkayams Großeltern väterlicherseits waren Amazigh (die umgangssprachlich oft als „Berber“ bezeichnet werden) aus Tinghir, einer Oasenstadt im marokkanischen Atlas-Gebirge. 

Über die Bedeutung des marokkanischen Erbes sagt Elkayam:

„Marokkanische Musik gibt es nicht nur in Marokko. Die marokkanische jüdische Gemeinde hat wunderbare Traditionen nach Israel gebracht. Unsere Großmütter sprachen den marokkanischen Dialekt. 

Bei Hochzeiten und Feiern ist marokkanische Musik sehr präsent. In den Tempeln werden unsere Rituale auf marokkanische Weise durchgeführt. Wir leben jeden Tag in Marokko, auch wenn wir weit von diesem geliebten Land entfernt sind.“

Auf der Bühne wird Elkayam von ihrem Ehemann, dem Musiker und Filmemacher Amit Hai Cohen, am Klavier begleitet. Auch seine Großeltern stammen aus Marokko, aus der Stadt Ouarzazate, etwas mehr als zwei Autostunden von Tinghir entfernt.

„Gegen kulturelle Ausbeutung durch Siedlerzionismus“

Der antisemitischen BDS-Kampagne, die den Staat Israel durch einen Boykott von Menschen und Waren zerstören will, passte es nicht, dass Frau Elkayam in Paris sang und Herr Cohen Klavier spielte. Der Hisbollah-nahe libanesische Fernsehsender Al-Mayadeen English berichtete am 29. November:

„In Ablehnung von Versuchen der Normalisierung und auf die Ankündigung der Beteiligung einer israelischen Band bei der Veranstaltung hin hat die Boykottbewegung alle Teilnehmer gedrängt, zu verlangen, dass die Einladung der israelischen Band widerrufen wird. 

Etliche Künstler, darunter Sänger und Filmemacher, sagten ihre Teilnahme als Folge der Kampagne ab. Zudem wurden in den sozialen Medien Hashtags benutzt, die die Boykottkampagne unterstützten.“

Als Künstler, die infolge des Boykottaufrufs ihre Teilnahme abgesagt haben, nennt der Haaretz-Bericht den Stand-up-Komiker Alaa Abu Diab sowie die lediglich als „Künstler“ vorgestellten Suhad Khatib, Jumana Manna und Hadil Alsafadi. Khatib sagte laut Haaretz in einer Videobotschaft:

„In dem Moment, als ich begriff, dass es einen Vertreter aus Israel gibt, wurde ich sehr wütend, weil dies gegen meine persönlichen und politischen Werte verstößt, und ich informierte die Organisatoren, dass ich meine Teilnahme absagte.“

Auf Facebook schreibt Khatib in einem Eintrag vom 24. November:

„Mein Problem ist, dass palästinensische Kunst ausgebeutet wird, um einen Teil der arabischen Welt an den Siedlerzionismus zu verkaufen.“

Das ergibt zwar keinen Sinn, aber ideologische Schlagwörter wie „palästinensisch“, „Ausbeutung“ und „Siedlerzionismus“ kommen vor, darauf kommt es offenbar an. 

Khatib lebt laut ihrer Website in San Francisco, Kalifornien, und verkauft Tintenaquarelle über das Internet. Ein wiederkehrendes Motiv in ihrer Kunst sind Kalaschnikowläufe. So etwa bei ihren Porträts des Terroristen Basil Araj (1.000 US$) oder der PFLP-Terroristin Shadia Abu Ghazaleh (1.000 US$), die 1968 beim Bauen eines Sprengsatzes ums Leben kam. 

Ein Aquarell mit dem Titel „Gläubige“ (2.000 US$) zeigt eine Gruppe vermummter Männer im Inneren der Al-Aqsa-Moschee. Gesichtsvermummung gehört eigentlich nicht zum Gebet der Muslime. Man fragt sich, warum jemand wie Suhad Khatib überhaupt zu einem Kulturfestival in Paris eingeladen wird – eine Waffenmesse in Teheran wäre wohl der besser geeignete Ort.

Musik, um Grenzen zu überwinden

Die israelische Sängerin Neta Elkayam sagte gegenüber Haaretz, sie fühle sich zu ihrer Muttersprache – dem Arabischen – hingezogen, solange sie denken könne:

„Die Stimmen meiner Großmütter wurden zum Schweigen gebracht, und sie blieben einfache marokkanische jüdische Frauen, die bis an ihr Lebensende fließend Arabisch und gebrochenes Hebräisch sprachen. 

Ihre Geschichte, die in meiner Stimme weitergegeben wird, stillt den Durst des Publikums aus der ganzen Welt, vor allem aus der arabischen und muslimischen Welt. Jeder hört seine Mutter in den Liedern. Dies ist ein Publikum, das die Musik in den sozialen Medien hört und sich begeistert, mitmacht und nach mehr fragt, frei von Ländern und Flaggen.“

Kunst und Musik hätten die „erstaunliche Kraft, geopolitische Grenzen zu überwinden“, die den Menschen „einheitliche Identitäten ohne Komplexität“ diktieren wollten, so Elkayam weiter.

„Während Regierungen und Organisationen versuchen, Wissen zu reglementieren und ein Narrativ zu verbreiten, habe ich mich immer für diejenigen interessiert, die außerhalb der Geschichtsbücher stehen. 

Gerade an einem kriegerischen Ort, der uns täglich Tragödien beschert, ist dies die Zeit, die Stimme meiner Großmütter widerhallen zu lassen, als Erinnerung an andere, unschuldigere Leben. Dies ist der Weg meines kleinen Ichs, eine bessere Welt für meine Kinder und die Kinder dieses Ortes zu schaffen.“

Der Boykott wirft die Frage auf, wie die künftige deutsche Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90 / Grüne) reagiert hätte. Roth hatte sich 2019 schützend vor die BDS-Kampagne gestellt: Diese setze sich ja lediglich „gewaltfrei für ein Ende der völkerrechtswidrigen Besetzung“ ein und dürfe nicht „pauschal“ „in die antisemitische Ecke gestellt“ werden.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Mena-Watch.

Foto: Amit Hai cohen CC BY 3.0 via Wikimedia Commons

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Stanley Milgram / 13.12.2021

Ich war damals viel auf der Erdkugel unterwegs und habe überall solche und solche kennengelernt. Habe aber nie jemanden gefragt, woher er kommt, wie alt, wie reich, welcher Religion er/sie/es anhängt. Warum “es”? Na, in Thailand habe ich auch öfter mit Lady-Boys Domino gespielt oder in der Disco getanzt. Und die waren genauso normal und lustig wie alle anderen. Aus Israel, China, Malaysia, Dom. Rep., Haiti, Mexico, USA, Europäer, die Weißen, Gelben, Roten und Neger. Und ich habe jedem geholfen, der Hilfe brauchte. Da waren Obdachlose ohne Kleidung, Neger mit Herzinfarkt, traumatisierte Fremdenlegionäre, unschuldige verurteile Analphabeten, eine endlose Reihe von Anekdoten und Einzelschicksalen, mit denen ich drei dicke Bücher füllen könnte. Meine Regel ist die thailändische geworden: “Jeder Fremde ist ein guter Mensch, bis er das Gegenteil beweist.”

Stanley Milgram / 13.12.2021

@Rolf Lindner: Unterschreibe ich. Doch mir gefallen die Drum-Cover alter Stücke am besten. Und Möbel-Unger :-)

Frances Johnson / 13.12.2021

Sie ist sehr schön und auch das, was sie sagt. Sie sieht den Einzelnen. Wie Troller. Schönes Interview in der taz. Eine Schande sind Leute, die ihretwegen nicht auftreten wollen. Auf dem Photo wirkt sie wie eine Portugiesin, die gleich einen Fado anstimmt.

Ralf Pöhling / 13.12.2021

Als urgermanische Kartoffel, man sieht es mir sogar überdeutlich an, hätte ich keine Probleme damit, mit einer israelischen Band auf der Bühne zu stehen. Warum auch? Anscheinend geht das sogar mit so manchen Arabern und der Mischung aus beidem. Der Draht zwischen jüdischer und arabischer Welt ist offensichtlich da und funktioniert auch in Teilen. In anderen Teilen jedoch nicht. Weil ein harter Kern von ewiggestrigen “Widerstandskämpfern” aus diesen Kreisen protegiert und verheizt wird, um sinnlose Politik zu betreiben. Sinnlos, weil sie nur Tod und Zerstörung nach sich zieht und sonst zu nichts Gutem führt. Der Blick zurück zeigt es ja. Also was soll das alles? Protest aus Prinzip oder aus Notwendigkeit? Aus Prinzip. Nur aus Prinzip. Was für eine rückwärtsgewandte und dümmliche Einstellung.

Paul Siemons / 13.12.2021

Na, da wird es jetzt mit Sicherheit einen ernsten Tadel von Sawsan Chebli geben. Sie setzt sich ja stets und unermüdlich aktiv gegen Rassismus, Ausgrenzung, Antisemitismus ein. In diesem Fall kann man auch noch Frauenfeindlichkeit dazu nehmen… / Bei Youtube findet man übrigens unter dem Suchbegriff “Hak A Mama” einen Auftritt von Neta Elkayam

Frank Stricker / 13.12.2021

Frau Roth wird als Kultur-Dingsbums genau das hinterlassen, was sie als “Musik-Managerin” hinterlassen hat, “Ton,Steine,Scherben….........”

Bastian Kurth / 13.12.2021

Es ist einfach NUR beschämend!!!

Rolf Lindner / 13.12.2021

Meytal Cohen und ihre Band “Meytal” repräsentieren zurzeit für mich die grenzenübergreifende Macht der Musik.

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