Stefan Frank / 22.03.2022 / 16:00 / Foto: Shehbaz Sharif / 8 / Seite ausdrucken

Israel besucht die Türkei: Hamas verärgert

Die radikal-islamische Terrororganisation Hamas ist besorgt über die Annäherung zwischen der Türkei und Israel.

Am 9. März war der israelische Präsident Isaac Herzog auf Einladung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in die türkische Hauptstadt Ankara gereist. Es war das höchstrangige israelisch-türkische Treffen seit dem Staatsbesuch des damaligen israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert in der Türkei im Dezember 2008.

Israelische Zeitungen werteten den Besuch als wichtigen Schritt zu einer Versöhnung der beiden Staaten. Erdogan sagte laut der türkischen regierungsnahen Website Daily Sabah auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Herzog, es sei das gemeinsame Ziel der Türkei und Israels, den bilateralen politischen Dialog auf der Grundlage gemeinsamer Interessen wiederzubeleben. Der historische Besuch von Herzog werde ein „neuer Wendepunkt“ in den Beziehungen beider Länder sein:

„Unser gemeinsames Ziel mit Israel ist es, den politischen Dialog zwischen unseren Ländern auf der Grundlage gemeinsamer Interessen und der gegenseitigen Achtung von Sensibilitäten wiederzubeleben.“

Erdogan drückte seine Wertschätzung für den Besuch seines israelischen Amtskollegen in der Türkei aus und sagte, die Stärkung der Beziehungen zu Israel sei von großer Bedeutung für die regionale Stabilität und den Frieden.

Hamas is not amused

Noch am selben Tag veröffentlichte die Hamas eine Erklärung. Darin schreibt sie:

„Die Islamische Widerstandsbewegung (Hamas) verfolgt mit großer Besorgnis die Besuche der Beamten und Führer der zionistischen Entität in einer Reihe von arabischen und islamischen Ländern, darunter der jüngste Besuch des Präsidenten der zionistischen Entität, ›Isaac Herzog‹ in mehrere Länder der Region.“

Die Hamas äußerte ihr „Bedauern“ über diese Besuche bei den „Brüdern in arabischen und islamischen Ländern“. Sie bekräftige ihre „prinzipielle Position, alle Formen der Kommunikation mit unserem Feind abzulehnen, der Jerusalem und Al-Aqsa entweiht und judaisiert, seine Belagerung und Aggression gegen unser Volk im Gazastreifen fortsetzt, weiterhin Tausende von Gefangenen in Haft hält, unsere Kinder tötet, unsere Häuser zerstört und unsere Leute vertreibt“.

Die Hamas fordert:

„Wir rufen dazu auf, der zionistischen Entität nicht zu erlauben, die Region zu infiltrieren und die Interessen ihrer Bevölkerung zu manipulieren.“

Die Interessen der Palästinenser und der Muslime stünden „unweigerlich in Widerspruch zu den Interessen der usurpierenden zionistischen Entität“.

Türkei und Israel: Beziehungen seit 1949

Unter den säkularen Amtsvorgängern des Islamisten Erdogan – der der Muslimbruderschaft nahesteht, als deren palästinensischer Zweig die Hamas 1987 gegründet wurde – unterhielten Israel und die Türkei enge Beziehungen, auch im militärischen Bereich. Die Zusammenarbeit reicht bis in die 1950er Jahre zurück. Die Türkei war am 28. März 1949 das erste islamisch geprägte Land, das Israel anerkannte. 1952 tauschten die beiden Länder Botschafter aus.

Als der türkische Ministerpräsident Adnan Menderes im Juni 1954 sagte, es sei „Zeit, dass die arabischen Staaten das Existenzrecht Israels anerkennen“, entgegnete der ägyptische Präsident Nasser einige Monate später, die Türkei sei wegen ihrer Israelpolitik „in der arabischen Welt unbeliebt“.

In den folgenden fünf Jahrzehnten versuchte Ankara meist, sowohl Beziehungen zu Israel aufrechtzuerhalten als auch gute Kontakte zu den arabischen Staaten zu pflegen (wofür eine öffentlich bekundete Feindschaft gegenüber Israel natürlich Voraussetzung ist).

Israels erster Staatschef Ben Gurion sprach deshalb einmal von den „zwei Gesichtern“ der türkischen Politik und klagte, die Türken hätten Israel immer „wie eine heimliche Geliebte behandelt, nicht wie den Partner in einer öffentlich erklärten Ehe“.

In den siebziger Jahren unterstützte die Türkei alle arabischen Resolutionen in der UN-Generalversammlung – auch die berüchtigte Entschließung von 1975, wonach Zionismus eine Form des Rassismus sei. Die Terrororganisation PLO wurde von der Türkei als alleinige Repräsentantin der Palästinenser anerkannt, 1979 eröffnete sie in Ankara ein Büro.

Heutzutage sind zahlreiche Hamas-Terroristen ständige Ehrengäste in der Türkei. Im Zuge eines Treffens zwischen dem Hamas-Führer Ismail Haniyeh und Erdogan im August 2020 wurde einigen von ihnen sogar die türkische Staatsbürgerschaft verliehen. Das Hamas-Hauptquartier in Istanbul soll Berichten zufolge in Geldwäsche und die Planung von Terroranschlägen involviert sein.

Hamas-Führer am Bosporus

Der berüchtigste Hamas-Führer in der Türkei ist Saleh al-Arouri, einer der Mitbegründer und Kommandanten der Izzedine-al-Qassam-Brigaden und Mitglied des Politbüros der Hamas.

2014 war es al-Arouri, der verkündete, dass die Hamas die Verantwortung für die Entführung und Ermordung der drei jüdischen Teenager Naftali Fraenkel (16), Eyal Yifrach (19) und Gilad Shaar (16) am 12. Juni 2014 trug. Al-Arouri pries das Verbrechen als „heldenhafte Operation“. Heute lebt er in Istanbul. Israel verlangt von der Türkei, die Hamas-Kader auszuweisen.

Für Erdogan geht es bei der Verbesserung der Beziehungen zu Israel vor allem um die Wirtschaft. In fernerer Zukunft könnte israelisches Erdgas über die Türkei nach Europa gepumpt werden, nachdem US-Präsident Joe Biden der East-Med-Pipeline über Zypern die Unterstützung entzogen hat.

Kurzfristig benötigt Erdogan ausländische Kredite, um die von galoppierender Inflation geplagte türkische Wirtschaft zu stabilisieren. Um mit den Vereinigten Staaten ins Geschäft zu kommen, braucht Erdogan ein besseres Image, und freundschaftliche Beziehungen zu Israel helfen sicherlich dabei, in den USA nicht mehr länger nur als Schurke wahrgenommen zu werden.

Es ist gut möglich, dass Erdogan, als der glühende Antisemit, der er ist, die Möglichkeiten Israels, Entscheidungen in Washington zu beeinflussen, grotesk überschätzt und glaubt, eine gemeinsame Pressekonferenz mit dem israelischen Präsidenten öffne ihm die Schatullen des US-Kongresses und des Internationalen Währungsfonds.

Wenn es so wäre, wäre es ironisch, dass jemand aus antisemitischen Motiven die Nähe Israels sucht. Die Hamas jedenfalls ärgert sich, und das ist in jedem Fall eine gute Nachricht.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Mena-Watch.

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Leserpost

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Angelika Meier / 22.03.2022

“Israel besucht die Türkei: Hamas verärgert”: Nichts für ungut, aber Erdogan ist unideologischer als der tolle Westen. Wo es von Schurkenstaaten nur so wimmelt. Nicht nur bei den Woken, sondern bei den Westlern allgemein. Erdogan poltert gerne rum, beleidigt auch den einen oder anderen Staat, wenn es ihm nutzt. Am Ende ist er doch pragmatisch. (Vielleicht brutal, aber pragmatisch). Er sucht seinen Vorteil. Vielleicht muss er es auch nur aus einer Schwäche heraus. Er kann sich eine strenge ideologische Haltung einfach nicht leisten. Ähnlich geht es aber auch Israel. Das ja auch Beziehungen zu Erdogan und Putin unterhält, die beide bei Westlern als böse Diktatoren und Schurkenstaaten gelten. Israel muss auch pragmatisch sein, um zu überleben. Bei uns ist es aktuell die Beziehung zu Katar und schon länger die zu China. Auch aus einer Schwäche heraus.

Hans-Peter Dollhopf / 22.03.2022

Die Amtszeit eines israelischen Präsidenten dauert lächerlich kurz, verglichen mit der des aktuellen osmanischen Sultans. Anders als dieser können israelische Politniks aber immerzu auf beeindruckende militärische Ausbildung und Erfahrung zurückgreifen und auf ihre erdende Verankerung in der bürgerlichen Normalität eigenständigen Lebensunterhaltes. Nix Katzentisch bei Erdogan.

W. Renner / 22.03.2022

Das grossartige, was Trump mit den Abraham Accords hinterlassen hat. Der nahe Osten organisiert sich selbst neu. Marokko Israel, Emirate und Bahrain Israel, Israel Türkei. Eine Schicksalsgemeinschaft, die sich beginnt auf sic selbst zu besinnen, unabhängig davon - oder gerade weil - sich der debile Biden im Geiste des zu tiefst antisemitischen Obama besinnt den Iran und seine Terror Proxies rein zu waschen und mit den vollends unfähigen Europäern einem psychopathischen Putin und einem ebenso aggressiv expandierenden Xi Langfing Rat - Tat- und hilflos gegenüber steht.

Jochen Selig / 22.03.2022

Das war schon Herzl klar.

Ralf Pöhling / 22.03.2022

Immer im Hinterkopf behalten: Die islamische Welt saugt den Antijudaismus mit der Muttermilch auf. Das spielt also immer im Hintergrund eine Rolle. Man kommt mit den Muselmanen gut aus, wenn man sie ehrlich und direkt anspricht, besonders auch dann, wenn sie zu ihrem eigenen Vorteil flunkern, und man sie dabei auf freundliche Distanz hält. Zu viel Nähe wird gefährlich. Es sei denn, man hat jederzeit eine knallharten und sichtbaren Knüppel in Händen. Israel hat so einen Knüppel. Wir haben ihn derzeit nicht. Und genau das wird beim Katar Deal zu einem ganz massiven Problem werden. Wenn die Hamas schon in Richtung Türkei geifert, dann wird das bei uns noch schlimmer ausfallen. Darauf müssen wir uns vorbereiten. Wir sind mittlerweile viel zu nah dran, die direkte Ansprache kann bei uns auch keiner und den richtigen Knüppel haben wir auch nicht.  Alle drei Punkte müssen schnellstens korrigiert werden.

John Smith III / 22.03.2022

Erdogan kann doch nichts für die Naivität/Unfähigkeit der deutschen Politiker.  Das sollte man auch mal zur Kenntnis nehmen.  Merkel hatte auf dem Höhepunkt der sog. Flüchtlingskrise eine rechnerische Bundestagsmehrheit von 87%.  Dafür kann Erdogan noch weniger.  Hätte er einen für die Türkei schlechten Deal mit Merkel machen sollen? Warum?  Dann hätte er die eigenen Leute am Hals gehabt bzw der Putsch gegen ihn wäre erfolgreich gewesen.  Blödheit lässt man vielleicht deutschen Kanzlern durchgehen, aber doch keinem MP am Bosporus.

Sabine Heinrich / 22.03.2022

Türkei- Israel- Hamas - wie DIE zueinanderstehen, interessiert mich nicht. Was mich interessiert ist, wie sich deutsche Politikermarionetten verhalten. Verstört hat mich neulich,  dass der bundesdeutsche demenzkranke Dauergrinsekopf dem türkischen Diktator im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine herzlich die Hand geschüttelt hat - da gab es irgendwelche Absprachen. Als nächstes - noch Übleres - gab es den Kotau des ungebildeten unrasierten grünen Schwätzers vor einem islamischen Diktator in Katar. Pfui Teufel! - Inzwischen bin ich so weit, dass ich denke: Lass’ sie sich doch alle die Köpfe einschlagen. Bei diesem ganzen Ukrainerausch mache ich nicht mit! Wie fühlt man sich doch gut, wenn man Teil einer Menschenkette, eines Peace- Zeichens, einer Betroffenheitsveranstaltung ist! Die Menschen meinen es gut - aaaber: Auch nur ANSATZWEISE Ähnliches habe ich NIE nach Attentaten von islamischen Mördern erlebt; auch nicht bei Kriegen in anderen Ländern, in denen sogar unsere eigenen Leute getötet wurden. Wenn Muslime Kriege geführt und Greueltaten begangen haben, war es hier immer seltsam still - so meine Wahrnehmung.- Nun kungeln der Vergessliche und der Grüne mit radikalen Islamisten, öffnen dem Einfluss der uns hassenden, verachtenden Muslime (keineswegs alle - aber leider viele) noch weiter Tür und Tor - es geht immer noch eine Stufe weiter bergab - und der deutsche Michel jedweden Geschlechts träumt weiter vor Fernseher und Schmartfohn vor sich hin und lässt sich bis zur Maulkorbpflicht beim Klobesuch (JA! Gibt es !) widerstandslos gängeln.

Bernd Meyer / 22.03.2022

Ich bleibe dabei: Die Großkotzigkeit von Türken in Deutschland würde in der Türkei zu meinem sofortigen Tod führen. schröder und steinmeier sind die Garanten für diese Schande.

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