Der Zufall schreibt manchmal seltsame Drehbücher – und wir wollen mal davon ausgehen, dass er es in diesem Fall wirklich war. Am 7. September wurde vor dem gegen politische Symbolik seitens der eigenen Bevölkerung allergischen Reichstag „13.000 Stühle für Moria“ coronaverboten eng von ausgerechnet den NGOs platziert, die diese Stühle nur zu gern auf Kosten der Allgemeinheit füllen würden – vergleichbar symbolische Aktionen von Gastronomieverbänden und Kinobetreibern könnten nicht auf so viel mediale Zuneigung hoffen.
Passend dazu brannte in der Nacht zum 9. September das Lager Moria auf Lesbos dann lichterloh. Die Meuterer der „Bounty“ hatten einst ihr Schiff verbrannt, um auf der gefundenen Insel zu bleiben. Die gestrandeten in Moria verbrannten (mutmaßlich) gewissermaßen ihre Insel, um wieder in die Schiffe zu kommen. Vermutlich wussten die Migranten in Moria nicht, dass vor dem Reichstag 13.000 Stühle auf sie warten, aber diese Symbolik braucht es bekanntlich gar nicht, um ihnen vor allem ein Ziel schmackhaft zu machen: Deutschland.
Die Zustände im Auffanglager Moria waren in der Tat katastrophal, ursächlich dafür ist unter anderem das wirkungslose Appeasement gegenüber dem türkischen Sultan und die Unfähigkeit der EU, wirksam ihrer Pflicht zum Schutz der Außengrenze nachzukommen. Doch statt längst das Naheliegende zu tun und zügig zu prüfen, welche der dort Gestrandeten tatsächlich Asylrecht in der EU haben und alle anderen konsequent in ihre Herkunftsländer zurückzuführen, entschied die EU sich für eine jahrelange Verteilungsversteigerung, bei den kein europäisches Land ein Gebot abgeben will. Aus Gründen: man fürchtet die innenpolitischen Konsequenzen!
Das Kreuz mit den „Humanisten“ dieser Tage
Die Stimmung in allen EU-Ländern ist nämlich gerade nicht nach Willkommensparaden, sondern eher nach Abstieg in die tiefste Wirtschaftskrise der Geschichte, was die Akzeptanz von bedingungsloser Massenmigration – egal unter welchem humanitären Mäntelchen sie sich verbirgt – auf Null schrumpfen lässt. Der deutsche Innenminister kann es sich deshalb durchaus leisten, Aufnahmebereitschaft zu signalisieren, da er auf Europa und die laufenden, aber ergebnislosen Verteilungsverhandlungen verweisen kann. Er, er, er will ja durchaus – aber Europa, Europa, Europa will nicht. Niemand in der EU schenkt den Gestrandeten in Moria reinen Wein ein, von den eigenen Bürgern ganz zu schweigen.
Das Rührstück vor dem Reichstag war natürlich eine perfekte Bühne für jene Politiker, die aus solchen oberflächlichen Aktionen stets Betroffenheitshonig zu saugen vermögen. Allen voran die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, passend gekleidet in einem sankt-martinsroten Mantel, obgleich sie nicht vorhatte, ausgerechnet den medienwirksam zu teilen. Es ist schon ein Kreuz mit den „Humanisten“ dieser Tage, dass diese, ohne schamrot zu werden, stets nur die Mäntel, das Geld und die Leben anderer Leute zur Disposition stellen und sich dafür auch noch von der Presse feiern lassen.
Einen Tag nach der Moria-Bestuhlung steckten Brandstifter das Lager Moria an mehreren Stellen gleichzeitig in Brand und Insassen hinderten die Feuerwehr an den Löscharbeiten, indem sie sie mit Steinen bewarfen. Wenn das kein Signal an Deutschland ist, wieder einmal allen Unmut und alle Widerstände der Bevölkerung zu ignorieren und alle Insassen Morias aufzunehmen. Die mutmaßlichen Brandstifter und Steinewerfer selbstverständlich auch.
Natürlich müssen wir die Untersuchungen der Brandursachen abwarten und dürfen keine voreiligen Schlüsse über die Verursacher des Feuers ziehen. Aber das müssten die Aufnahme fordernden deutschen Aktivisten und Politiker eigentlich auch, denn sollte die Brandstiftung von Insassen ausgegangen sein, wartet auf diese in Deutschland doch sicher nicht Haus und Auto, sondern Gefängnis in Griechenland – nur für den Fall, dass solche juristischen Spitzfindigkeiten in unserem Land überhaupt noch eine Rolle spielen dürfen.
Machen wir uns nichts vor, die Zustände im Lager Moria waren entsetzlich und ganz gleich welche falschen Versprechungen, welches Schlepperpech oder welche Zufälle die Menschen dorthin geführt haben: niemand verdient, dort für immer oder überhaupt festzusitzen. Doch solange die deutsche Politik den Eindruck erweckt, für jedes Elend dieser Welt immer und bedingungslos ein warmes Plätzchen bereit zu haben, solange wird der Druck nicht nachlassen und immer wieder wird es irgendwo irgendein Moria geben, mit dem die Bevölkerung moralisch erpresst werden kann.
Die Reaktion der Tagesschau
Das eigentliche Faszinosum ist nämlich die Reaktion der Tagesschau auf den Brand des Lagers. Als „deutsche Reaktionen auf Moria“ sammelt man alles mögliche, nur keine „deutschen Reaktionen“. Zu Wort kommen nämlich ausschließlich Politiker wie Baerbock oder Klingbeil, auch Linken-Chef Riexinger darf von Bestürzung und Handlungszwängen reden, NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) erklärt den Bankrott der europäischen Werteordnung und Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) stellt Forderungen an die Bundesregierung. Berichtet wird also nicht, wie Deutschland reagiert, sondern wie deutsche Politiker reden.
Was in den Menschen „da draußen“ vorgeht, denen Politiker stets damit drohen, dass sie sie „abholen und mitnehmen“ würden, könnte die Tagesschau leicht in einer Stichprobe erkennen, die sich in Form von Kommentaren unter dem Facebook-Eintrag von Claudia Roth zum Thema „13.000 Stühle für Moria“ angesammelt hat. Man muss sich also nicht mal die Mühe machen, die verängstigten Menschen hinter ihren Masken und in ihren von der Pleite bedrohten Geschäften zu fragen, was sie von den Forderungen ihrer Politiker halten – die Politiker fangen sich diese Meinungen höchstselbst auf ihren Facebook- und Twitter-Accounts ein. Und die Meinungen sind deutlich ablehnend!
Die Tagesschau fragt Politiker und die antworten „Europa muss…“, was bedeutet „Deutschland muss…“ und heißen soll „Du musst!“. Der Bürger antwortet mit gutem Recht: „Einen Scheiß muss ich!“
Ich würde also dringend davon abraten, einen weiteren politischen Alleingang zwangsrequirierter Solidarität zu unternehmen und so schon wieder auf Kosten einer moralisch erpressten Allgemeinheit zu handeln. Zumindest solange, wie Politiker wie Roth oder Riexinger weder für die Kosten noch für die Spätfolgen ihrer Großherzigkeit aufkommen. Liebe Mantelteiler, seid doch bitte wie Sankt Martin, nicht wie Claudia Roth!
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt