Ulrike Stockmann / 18.07.2022 / 06:15 / Foto: Achgut.com / 100 / Seite ausdrucken

Ich wollte schon immer ein U-Boot sein!

Sehr geehrte Grüne und Grün*innen,

ich bewerbe mich hiermit um die auf Ihrer Homepage ausgeschriebene Stelle als Vorstandsreferent*in für Datenanalyse und Gegnerbeobachtung, die Sie zum nächsten Zeitpunkt suchen. Sie schreiben:

„Die Vorstandsreferent*in für Daten-Analyse und Gegnerbeobachtung wird im Bereich Politik und Analyse beschäftigt und ist für Auswertung, Strategieentwicklung sowie Monitoring im Bereich der Wahl- und Sozialforschung zuständig. Es handelt sich im konkreten Fall um eine besondere Vertrauensposition, die an die Amtszeit des Bundesvorstands gekoppelt und bis zum 31.12.2023 befristet ist.“

Ich glaube – in aller Bescheidenheit – dass Sie für diesen Posten keine Bessere finden könnten als mich. Seit rund dreieinhalb Jahren arbeite ich in der Redaktion der Achse des Guten und träume schon lange von einem derartigen Angebot. Denn ich wollte schon immer ein U-Boot sein. Ob dies eine besondere Form von Objektophilie ist, weiß ich nicht, Doppelagentin würde meinen Berufswunsch ebenfalls gut beschreiben.

Im Büro permanenter toxischer Männlichkeit ausgesetzt

Denn es ist so: Sie suchen jemanden, der „Gegnerbeobachtung“ betreibt, um davon ausgehend Wahlkampagnen und andere Strategien zu entwickeln. Nun, ich arbeite beim Gegner und kann Ihnen alle erdenklichen, schockierenden Details über die Achse und ihr Umfeld liefern. Sie würden staunen! Als einziges weibliches Mitglied der Redaktion bin ich im Büro permanenter toxischer Männlichkeit ausgesetzt. Obsessives Interesse für Autos und andere lächerliche technische Geräte, ermüdende Diskussionen über Männerfilme, der Austausch von moralisch bedenklichen Witzen sowie das gelegentliche Basteln von Papierfliegern gehören zum prekären Arbeitsklima dazu.

Möchte ich hingegen in der Mittagspause einmal über Make-up, Musicals oder Kaiserin Sisi sprechen, signalisieren mir meine Kollegen mit typisch männlicher Überheblichkeit ihr Desinteresse. Und mampfen weiter ihr Steak, das sie demnächst vermutlich selbst erlegen werden. Sexistisch sind sie natürlich auch, ich spüre genau, dass ich für sie nur eine Frau, aber kein Mensch bin. An besonders schwarzen Tagen bekomme ich sogar auch mal ein Kompliment für mein Outfit, meine Kleider werden mir jedoch bald nicht mehr passen.

Denn ständig stellt jemand Kekse, Gummibärchen oder andere Kalorienbomben in der Küche bereit, die dann in rauhen Mengen vertilgt werden. Überflüssig zu erwähnen, dass natürlich keine der gereichten Süßspeisen vegan ist. Und wenn Henryk M. Broder völlig unvermittelt in den Redaktionsräumen auftaucht, bringt er meistens Kuchen mit, den wir dann auch noch essen müssen. Ich wurde sogar schon Zeugin, wie im Büro „Feierabendbier“ getrunken wurde, das Radler, das man mir anbot, habe ich natürlich nicht angerührt.

Überhaupt bilden die Redaktionsmitglieder eine eigentümliche Zusammenstellung sämtlicher, für eine aufgeklärte Gesellschaft gefährlicher Strömungen: Bei uns versammeln sich neben Autoliebhabern, Heimwerkern und Gelegenheits-Rauchern auch solche, die veralteten Kulturtechniken wie der Oper, dem Rockkonzert und selbst dem Hörspiel frönen. Einige begeistern sich sogar für Aktfotografie! Eine obsessive Leidenschaft für Denker des Patriarchats wie Platon, Kant und Adorno bestimmt den Redaktionsalltag ebenso sehr wie eine manische Verehrung der griechischen Mythologie. Manche gehen auch gerne mal zum Laser-Tag-Spielen (sehr brutal!), einer meiner Kollegen machte sogar einen Survivalkurs. Mehr sage ich nicht.

Ich übererfülle gewissermaßen Ihr Bewerberprofil

Was mich jedoch am meisten stört, ist das völlig aus der Zeit gefallene Leistungsdenken in der Redaktion. Wenn ein Text beispielsweise nicht ausreichend mit Quellen belegt oder zu „tendenziös“ ist, wird er einfach nicht veröffentlicht. Schon die Aussage auf der Homepage, wir böten „Raum für unabhängiges Denken“ wirkt geradezu antiquiert, noch schlimmer ist die Behauptung: „Die Autorinnen und Autoren lieben die Freiheit und schätzen die Werte der Aufklärung.“ Ich habe mit der Aufklärung bestimmt nichts am Hut, darum wende ich mich ja an Sie. Denn wie gerne würde ich einfach mal nach Herzenslust diffamieren, denunzieren und schmutzige Wäsche waschen – allein, bei Achgut darf ich das nicht.

Ich habe daher die Hoffnung, Ihnen, verehrte Grüne und Grün*innen, ein Angebot zu machen, das Sie nicht abschlagen können: Ich behalte offiziell meinen Job bei Achgut – und arbeite inoffiziell für Sie, indem ich Ihnen neben den bereits angedeuteten pikanten Details aus der Achgut-Redaktion weitere haarsträubende Informationen über unsere Autoren sowie andere Protagonisten aus unserem Dunstkreis liefere. Wenn Ihnen meine Enthüllungen nicht als Futter für den Wahlkampf dienen können, dann weiß ich auch nicht.

Obwohl Sie also laut Ausschreibung eine Vollzeitstelle besetzen wollen, bitte ich Sie, mein Engagement dennoch in Betracht zu ziehen, denn mit meiner Expertise könnte ich auch mit wenigen Wochenstunden zu Ihrer vollsten Zufriedenheit arbeiten. Hauptsache, der Stundenlohn stimmt!

Darüberhinaus übererfülle ich gewissermaßen Ihr Bewerberprofil: Zuallererst bin ich eine Frau, denn „Bewerbungen von Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderung sind ausdrücklich erwünscht“. Laut Ausschreibung wünschen Sie sich, „ein abgeschlossenes Hochschul- oder Fachhochschulstudium, möglichst im Bereich Sozial- oder Wirtschaftswissenschaften oder vergleichbare Qualifikationen“. Ich denke, mein Bachelor in Kulturwissenschaften kann da locker mithalten, genauso wie mein Masterstudium der „Vergleichenden Literatur- und Kunstwissenschaft“. Da ich letzteres nicht abgeschlossen habe, hätte ich bei Ihnen vielleicht sogar noch weitere Aufstiegschancen. Mein absolutes As im Ärmel ist jedoch die Teilnahme an einem Seminar zur „Gender- und Diversitykompetenz“ der Freien Universität Berlin. Die dazugehörige Hausarbeit aus dem Jahr 2015 über die Hijras in Indien macht mich zu einer Avantgardistin im Themenfeld „Drittes Geschlecht“ in Deutschland. Wenn Sie das nicht von meinen Qualitäten überzeugt, kann ich Ihnen auch nicht helfen.

In diesem Sinne freue ich mich auf unsere baldige Zusammenarbeit!

Hochachtungsvoll,

Ulrike Stockmann

Foto: Ulrike Stockmann

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Okko tom Brok / 18.07.2022

Gegnerbeobachtung? Warum nicht gleich “Feindaufklärung”? Solche Stellenanzeigen beseitigen meine letzten (methodischen) Zweifel, wes Geistes Kind die Grûnen sind! Warum werden die eigentlich noch nicht vom VS beobachtet? (Rhetorische Frage, ich weiß…)

Sabina Kienberger / 18.07.2022

Liebe Schwester im Geiste, sehr geehrte Frau Stockmann! Auf Ihren wohlformulierten Text im Ganzen will ich an dieser Stelle nicht eingehen, mich vielmehr auf das meiner bescheidenen Meinung nach Drängendste beschränken. Was muss ich da lesen? All die Männer in der Redaktion, die meisten wohl bereits über fünfundvierzig und weiß, Auto-Liebhaber gar (Doch wohl nicht Verbrenner? Igitt!!!), Sie mit Komplimenten belästigende und Knuspereien hinstellende Kerle ohne Dutt, die noch mit einer Bohrmaschine umgehen können ... Absolut unmöglich! Wie halten Sie das nur aus? Die Typen denken wohl, von dem Weib kann Mann gar nicht genug kriegen, eine richtige Frau braucht Kurven!, deswegen die Süßigkeiten ... Sie als einzige Frau brauchen unbedingt weibliche Verstärkung. Definitiv! Meine e-Mail-Adresse liegt der Redaktion vor, bitte melden Sie sich! Denen werden wir schon zeigen, wo der Hammer hängt. Aber hallo!

M. Neland / 18.07.2022

Meine Bewerbung ist auch schon raus. Als meinen USP hatte ich herausgestellt, dass ich absolut kompetenzfrei bin, also hervorragend in jedwedes Team passe, einzig exzellent einfaches Deutsch spreche und verstehe, Ansonsten gerne die Vergütung ohne jede Gegenleistung annehme, verantwortungsbereit bin, solange ich keine tragen muss und man mit mir eine Menge Spaß haben kann, wenn man solchen versteht.

Rainer Pflanz / 18.07.2022

Guten Morgen Frau Stockmann, ich fühle mit Ihnen: Der mit den Autos ist Maxeiner, der mit den Filmen ist Grimm und der mit den anzüglichen Witzen und Papierfliegern ist natürlich Broder (weiß ich von seinen Filmrollen in denen er bei NGO’s arbeitet). Genießen Sie es, viel Besseres kann Ihnen kaum passieren. Ein doppeltes Gehalt gezahlt von einer der vielen unsäglichen NGOs / Stiftungen des Familienministeriums wäre natürlich das i-Tüpfelchen. Als schicken sie die Bewerbung ab und berichten sie anschließend über Broders überbordende Kuchen-Kalorienrezepte mit denen er sie mittelfristig zugrunde richtet - es könnte klappen.

Bernhard Freiling / 18.07.2022

Welch absolut überzeugende Bewerbung. Als Personaler bei den Grünen würde ich sofort darauf reinfallen. # Tja, bis auf das allerletzte Wort. Das macht Alles kaputt. Das disqualifiziert Sie. “Hochachtungsvoll”! Liebste Frau Stockmann! Das bedeutet im Neusprech “ich wünsche Ihnen die Pest an den Hals alternativ können Sie mich mal kreuzweise - aber sowas von.” # Diese Grußformel gehört unter eine Kündigung, aber doch nicht unter eine Bewerbung. Auch nicht unter die als subversiver Doppelagent.  ;-)

Lisa Werle / 18.07.2022

Das können die Grünen gar nicht ablehnen, liebe Frau Stockmann, das ist so überzeugend. Tun die das dennoch - heißer Tipp: seit neuestem gibt es eine grüne Zweigstelle der Stasi in NRW. Dahin wenden Sie sich dann, denn die Ablehnung eines Jobs für Sie ist zwar strafrechtlich nicht relevant, aber es ist zweifellos eine Meinungsäußerung gegen Sie als Frau - und das reicht bei dieser grünen Frau mit der Topffrisur. Hab leider den Namen vergessen. Und der ‘Landesvater’, ein Herr Wüst, hat diesem wüsten Treiben zugestimmt. Gut für Sie. Viel Erfolg. PS. Ich überlege, ob ich mich auch bewerbe. Vielleicht nehmen die uns beide, kann auch nur ein paar Stunden.

Dr Stefan Lehnhoff / 18.07.2022

Bewerben Sie sich lieber nicht. Stellen Sie sich vor, Sie würden genommen. Können Sie wirklich in der Grünen- Zentrale ein Massaker verüben? Oder könnte Ihr Gewissen wirklich verkraften, es nicht zu tun?

Sigrid Miller / 18.07.2022

Sehr schöne Bewerbung, wie war die Antwort? Happy submarine!

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