Cora Stephan / 30.12.2013 / 16:01 / 10 / Seite ausdrucken

Hundert Jahre Traurigkeit

Wer in Nordfrankreich die Picardie besucht, ein Gebiet nördlich von Paris und Reims, ist meist weniger an seiner lieblichen Landschaft interessiert als an dem, was darunter liegt. Es sind die Toten, die Jahr um Jahr die Besucher anziehen. Vor allem Briten pilgern an die Somme, in das Dreieck zwischen Péronne und Abbeville, auf der Suche nach einem der rund 400 Friedhöfe, die zwischen Wiese, Rübenfeld und Wald liegen, dazwischen Monumente und Totenhallen, Kapellen und Denkmäler. Tausende weisser Steine über den Überresten von Briten und Franzosen – manchmal liegen darunter sogar die Knochen der Männer, deren Namen auf den Steinen stehen, mitsamt Rang, Geburts- und Todestag. Meist ist dazu ein Kreuz eingraviert, oft ein Davidstern, auf vielen aber steht kein Name, sondern nur «A Soldier of the Great War. Known unto God.»

In Thiepval erinnert der Ulster-Tower an die 2500 irischen Soldaten, die hier an einem einzigen Tag gefallen sind, in Beaumont-Hamel gilt die riesige Skulptur eines Karibus dem Regiment der Neufundländer, das dort fast völlig aufgerieben wurde. Noch heute erkennt man in der sanften Dünung des Bodens die Konturen der Schützengräben, in denen sich die gegnerischen Soldaten gegenüber lagen. Jeden Sommer, am 1. Juli, dem Datum, an dem 1916 die für die Briten mit fast 80 000 Toten verlustreichste Schlacht begann, sind die Stätten des grossen Sterbens übersät mit Poppies, jenen Mohnblumen, die zum Symbol der gescheiterten Offensive an der Somme geworden sind.

Das lothringische Verdun, im Nordosten Frankreichs, ist der wichtigste Erinnerungsort der Franzosen. Auch hier eine Parade weisser Steine, die sich bis zum Horizont erstreckt. Daneben verbotene Orte, unbetretbar, weil der Boden unter Krüppelbewuchs, Gestrüpp und schillernden Sümpfen noch heute explosiv ist. Der Erste Weltkrieg lebt: selbst im freigegebenen Gelände treffen die Pflüge der Bauern immer wieder auf Stacheldraht und Knochen, auf Geschosshülsen, Bajonette, Koppel. Und auf Blindgänger.

Noch vor zwanzig Jahren war man bei Reisen zu den Schlachtfeldern an der Westfront des Ersten Weltkriegs allein mit den Briten und Franzosen. Auch heute sind deutsche Besucher in der Minderzahl. Für viele Deutsche ist der Erste Weltkrieg «ein paar verwitterte Steine in Form von Kriegerdenkmälern und Soldatenfriedhöfen» und nicht weiter von Bedeutung, wie der ehemalige Aussenminister Joschka Fischer nicht ohne Bedauern anmerkt, er ist überschattet von der grösseren Katastrophe des Zweiten Weltkriegs. Und wie Joschka Fischer und sein Nachfolger als deutscher Aussenminister, Guido Westerwelle, reklamieren viele Deutsche die Schuld am Ersten, als ob es angesichts des Zweiten Weltkriegs darauf nun auch nicht mehr ankomme. Sie können mit den völkerverbindenden Trauerritualen der anderen wenig anfangen: Weil die Vorväter eine schmähliche Niederlage erlitten haben? Oder vielmehr, weil man glaubt, die Schützengräben hätten jede Menge williger Gefolgsleute Hitlers ausgebrütet, um die man nicht zu trauern hat?

Für die anderen aber ist der Erste Weltkrieg die bestimmende Signatur des 20. Jahrhunderts: hier begann, was in Strömen von Blut mündete und erst 1989 zu Ende ging. Und was derzeit auf ungemütliche Weise wieder nähergerückt zu sein scheint.

Mich hat das Thema nie losgelassen. Mehr als fünfzehn Jahre habe ich mit der Suche nach dem Grund verbracht, der die Männer in den Schützengräben ausharren liess, im stinkenden Schlamm, verseucht mit Rattenkot, Leichenresten und Chlorkalk. Was hielt sie dort? Vaterlandsliebe? Der Glaube an die Kultur (die Deutschen) oder die Zivilisation (die Briten)? Der Hass auf den Gegner, die Liebe zum eigenen Regiment? War es ein «guter», ein «gerechter» Krieg, den Briten und Franzosen führten; ging es um die lebensnotwendige Verteidigung gegen feindliche Umzingelung, wie die Deutschen dachten? War es gar der «Krieg, um alle Kriege zu beenden» und galt es, die Welt «sicher für die Demokratie» (der amerikanische Präsident Woodrow Wilson) zu machen? War das legitime Kriegsziel der Alliierten im Ersten ganz ebenso wie im Zweiten Weltkrieg, ein nach der Weltmacht strebendes barbarisches Deutschland in seine Schranken zu weisen? Und war man mit dem Deutschen Reich am Ende viel zu sanft umgegangen, hätte man es «zerschmettern» müssen? Oder war es, umgekehrt, just das ungerechte und rachsüchtige Diktat von Versailles, das Deutschland reif für Hitler machte?

Und was bedeutete noch ein «Sieg» nach einem vierjährigen Schlachten, in dem schätzungsweise zehn Millionen Männer umkamen, nicht zu reden von den tödlichen Folgen der Blockadepolitik und der Grippewelle, die vielfach auf eine ausgehungerte Zivilbevölkerung traf?

In Grossbritannien ist ein Etat von 50 Millionen Pfund für die Gedenkfeierlichkeiten ab 2014 beschlossen, doch dort streitet man schon jetzt um das, was genau das Grosse Erinnern denn nun vermitteln soll. Trauern um des Trauerns willen? Erinnerung um der Erinnerung willen? Was bei den Deutschen so auffällig fehlt, ist bei den Briten im Überfluss vorhanden, wo es in den letzten Jahrzehnten eine Flut von Literatur zum «Krieg des kleinen Mannes» gegeben hat. Während viele Deutsche ihre Vorfahren offenbar allesamt für irgendwie schuldig halten, sehen die Briten in ihren Gefallenen nur Opfer, und nicht Männer, die doch ebenfalls getötet haben, wie die Historikerin Joanna Bourke moniert, die fürchtet, dass Erinnerung auch verklären, verkleistern und Rachegefühle nähren kann.

Kurz: es geht um die Lehren aus dem Grossen Krieg, und die sind, sofern man es nicht beim mahnenden «Nie wieder Krieg!» belässt, nicht eben leicht zu ziehen. Kritiker unter den britischen Historikern bestreiten, dass es sich um einen «gerechten Krieg» gehandelt habe – und konstatieren, dass von einem «Sieg» wohl kaum gesprochen werden könne. Tatsächlich hat der Erste Weltkrieg nicht ein einziges Problem gelöst, dafür viele neue geschaffen. Er gebar die bolschewistische Revolution und den Stalinismus. Die Verträge von Versailles schufen keinen Frieden, sondern neuen Sprengstoff, etwa zwischen Polen und Deutschland. Sie ebneten Hitler den Weg, der die Welt glauben machte, in den Schützengräben hätten «Volk und Führer» zusammengefunden, eine Propagandalüge, die Thomas Webers «Hitlers Erster Krieg» abschliessend widerlegt hat. Ebenso wenig befriedete die Nachkriegsordnung den Balkan oder den Nahen Osten. Schon 1994 machten die Kriege im auseinandergebrochenen Jugoslawien klar, dass die Transformationsprozesse auf dem Balkan hinter dem Eisernen Vorhang nur ruhiggestellt, aber nicht abgeschlossen waren.

Tatsächlich war das Attentat auf den österreichischen Thronfolger in Sarajevo am 28. Juni 1914 mehr als ein blosser Anlass eines aus anderen Gründen überfälligen Konflikts. Es war die (nur zufällig geglückte) Tat der «Schwarzen Hand», einer von Serbien unterstützten Terroristentruppe. Österreich hatte jedes Recht, Serbien dafür zur Verantwortung zu ziehen. Erst im Laufe der Julikrise weitete sich der lokale Konflikt im Chaos von Bündnisverpflichtungen und diplomatischen Fehleinschätzungen aus und wurde, zuerst durch die russische Mobilmachung und zuletzt durch den Kriegseintritt Grossbritanniens, global. Seine Ausweitung war, so argumentieren auch Historiker wie Sean McMeekin, Niall Ferguson oder Andreas Rose, alles andere als notwendig, zwingend oder konsequent. Und die Rolle des Schurken mit dem rauchenden Colt in der Hand bleibt unbesetzt, es sei denn, man möchte unbedingt Frankreich und Russland an die Stelle des Deutschen Kaiserreichs setzen.

Man darf das sicher einen Paradigmenwechsel nennen. Christopher Clarks «Die Schlafwandler» und Herfried Münklers Werk «Der Grosse Krieg» sind dazu die Bücher der Stunde. Zwei literarische Ereignisse, die zeigen, was Geschichtsschreibung vermag, die sich der moralischen Wertung und ideologischen Verzerrung enthält und die so weit wie irgend möglich auf jenen «Rückschaufehler» verzichtet, mit dem vergangene Ereignisse vom Wissen um ihr «Ergebnis» her beurteilt werden. Der historische Kanon muss neu aufgelegt werden.

Die Führungselite von Grossbritannien und Russland, Frankreich und Österreich-Ungarn, Serbien und Deutschland: sie alle haben ihren Anteil an der grossen Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Die Deutschen, nicht nur, aber auch, weil sie dumm genug waren, Österreich-Ungarn eine Blankovollmacht zu erteilen; die Franzosen, die der russischen Führung versprachen, im Falle eines österreichischen Angriffs auf Serbien den Bündnisfall zu erklären; die Russen, die als erste mobilmachten, und die britischen Politiker, die neben ihrer Bündnisverpflichtung gegenüber Frankreich und Russland keinen Grund hatten, sich einzumischen – ausser, dass sie Russland mehr fürchteten als Deutschland. War es wirklich das Leid Belgiens, das der britischen Regierung ein Eingreifen gebot? Oder diente die deutsche Verletzung der belgischen Souveränität, jene unbestreitbaren «Greuel» beim Durchmarsch durch Belgien, als Vorwand? Erst mit der britischen Intervention wurde der Konflikt global. Wussten sie, was sie taten?

Der Grosse Krieg war, wie Niall Ferguson schon vor Jahren schrieb, ein «falscher Krieg». Fergusons provozierende These: Hätte man das Deutsche Reich 1914 nicht bekämpft, sondern an den Tisch der Grossmächte gelassen, hätte man ganz ohne Millionen von Toten erreicht, was heute der Fall ist: Deutschland ist als stärkster (ökonomischer) Faktor die Zugmaschine Europas.

Tatsächlich deutet einiges darauf hin, dass man in Grossbritannien langsam vom nationalen Mythos Abschied nimmt, dass man im Deutschen Reich das Böse bekämpft habe und in diesem grauenvollen Gemetzel die Guten gewesen sei. Eine nationale Legende, die über den Verlust der Weltmacht an Amerika hinweggetröstet hat: Bei Kriegsende war Grossbritannien nicht mehr Gläubiger, sondern Schuldner der USA, des einzigen Beteiligten, der vom europäischen Krieg profitiert hat. Deutschland, sonst gewohnheitsmässig Objekt britischer Häme, ist im Land des Hun-Bashing heute so beliebt wie nie zuvor. Nur die Deutschen trennen sich ungern von der Rolle des schuldigen Schurken.

Warum? Weil Rechtsausleger nun frohlocken könnten, die «Kriegsschuldlüge» sei endlich widerlegt? Lasst sie doch. Dass es keinen gibt, den man als einzig Schuldigen am Tod von Millionen herausgreifen kann, macht die Sache ja nicht besser, ganz im Gegenteil. Der wahre Skandal ist die Erkenntnis, dass das grosse Schlachten vermeidbar gewesen wäre, dass es ganz und gar sinnlos gewesen sein könnte, dieses Ausharren und Sterben der Männer in den Schützengräben und der Menschen an der «Heimatfront». Und dass es beim besten Willen nicht gelingt, dem gigantischen Blutbad im Nachhinein auch nur ein Fünkchen Sinn zu implantieren. Der Krieg, der alle Kriege beenden sollte, endete in einem Frieden, der allen Frieden zunichtemachte. Es gibt keine Sinngebung des Sinnlosen.

Die Europäer haben nicht nur eine traumatische Erfahrung gemeinsam, wie man heute vielleicht deutlicher erkennt als je zuvor. Sie haben auch allesamt einen Trost verloren: dass es, hier wenigstens, Schwarz und Weiss gibt im Krieg, Täter und Opfer, Schuldige und weisse Ritter, Schurken und Helden. Nur, solange man an das Böse glauben kann, ist auch das Gute denkbar. Das mag einer der Gründe sein, warum man in Deutschland die Bürde des Schurken nicht erleichtert abwirft. Und könnte eine Paradoxie erklären: Wer an eine Inkarnation des Bösen glaubt, erwartet vom «Guten» oft mehr, als menschenmöglich ist.

Doch hat der deutsche Schurke nicht wenigstens den Nachbarn ein gutes Gefühl gegeben: den Franzosen moralische Überlegenheit trotz Niederlage, den Briten den Trost, ihr Weltreich für die richtige Sache riskiert zu haben? Gewiss. Zyniker verweisen überdies darauf, dass nur ein Schuldspruch den Siegern erlaubte, die enormen Kosten des Krieges auf den Besiegten abzuwälzen. Die Reparationszahlungen sind seit dem 3. Oktober 2010 abgeleistet.

Der Abschied von Gut und Böse führt ins Reich der Schatten und in die kalte Welt der Realpolitik, in der Interessen zählen, ohne dass Moral sie veredelt. Und das ist gut so. Denn der Erste Weltkrieg hat weiteres Unheil in die Welt gesetzt: die moralische Aufladung, aus der Notwendigkeit gezeugt, dem Sinnlosen einen Sinn zu verleihen. Ging es wirklich, wie der britische Premier Asquith 1916 postulierte, um einen edlen Kreuzzug gegen «Barbarei» und «ungezähmte Machtgier»? Dass Grossbritannien wegen «Little Belgium» das Risiko der Globalisierung des Konflikts eingegangen ist, dass es moralisch dazu gezwungen gewesen sei, dass es eingreifen musste, ist natürlich eine entschieden sympathischere Deutung als die kühle Schilderung Christopher Clarks: Belgien sei das einzige Argument gewesen, dass die Regierung Grey noch hatte, um den Krieg vor der eigenen Bevölkerung zu rechtfertigen. Denn auch in den britischen und französischen Kriegsplänen war das neutrale Belgien als Durchmarschgebiet vorgesehen. Und die USA, die erst recht keinen Grund hatten, sich in die kontinentalen Querelen einzumischen? Woodrow Wilson wählte die hochtrabende Begründung, dies sei nicht weniger als «ein Krieg, um alle Kriege zu beenden».

Man bemühte höchste Ziele, weil naheliegende nicht zu haben waren. Dabei weiss jeder verstandesbegabte Befehlshaber, dass ein Sieg von überlegenen Kräften und dem Glück abhängt, und nicht vom moralischen Zuschnitt des Siegers.

Tatsächlich setzte der Erste Weltkrieg vor allem in Grossbritannien eine Propagandamaschinerie in Gang, die das Sinnlose mit den gröbsten Mitteln moralisch zu veredeln suchte. Es ist halt das Problem von Demokratie, dass man Kriegshandlungen nicht einfach anordnen kann, man muss das Volk überzeugen – was meistens heisst: es manipulieren. Wie immer man die Appeasement-Politik Chamberlains gegenüber Hitler beurteilen mag (und auch hier gibt es nicht nur schwarz und weiss): britischen Politikern war später sehr wohl bewusst, dass die britische Propaganda gegen das Kaiserreich sämtlichen Gepflogenheiten widersprach, die in den europäischen Staatenkriegen bis dato galten, wozu Respekt vor dem Gegner gehörte. Frontsoldaten hat der Jingoismus an der Heimatfront denn auch zutiefst abgestossen. Nicht zufällig gab es zu Weihnachten zwischen Deutschen und Briten Versöhnung über die Schützengräben hinweg.

Welche Lehren soll man also ziehen? «Nie wieder Krieg»? Das ist ein frommer, aber kindlicher Wunsch. Militärische Gewalt ist ja nicht immer sinnlos. Und berechtigte Interessen oder die nationale Souveränität muss man auch verteidigen können.

Mehr Europa? Auch das ist ein frommer Wunsch, wenn man ihn an der Realität misst. Nicht in erster Linie die EU oder die deutsch-französische Freundschaft haben dem Kontinent Jahrzehnte des Friedens geschenkt, sondern der Kalte Krieg. Mit dem Ende der bipolaren Welt 1991 ist Krieg wieder begrenzbar und damit möglich geworden. Die krisenhafte Neuformierung Ex-Jugoslawiens ist einstweilen beendet, die Brandherde im Nahen Osten aber sind noch lange nicht gelöscht.

Und was den Euro betrifft: ganz offenbar hat er Europa nicht vereint, sondern die unterschiedlichen Interessen, die seine Nationen vertreten, schmerzhaft deutlich gemacht. Deutschland zur Kasse bitten mit dem Argument, dass das Land nach zwei verschuldeten Weltkriegen mit seiner Euro-Politik die dritte Katastrophe verursache, ist keine überzeugende Basis für ein einiges Europa. Dass das Argument überhaupt eine Rolle spielt, zeigt, dass das neue Deutschland in einer Hinsicht das alte ist: wieder wirkt es isoliert, unsicher, in welche Richtung es schwanken soll, unwillig, eine Rolle zu übernehmen, die es nicht ein einziges Mal gemeistert hat, nämlich wenn nicht Weltmacht, so doch zumindest Führungsmacht zu sein. Es ist heute das, was Churchill ihm einst an den Hals wünschte: «fat and impotent».

Wir müssen, gerade jetzt, in seiner schwersten Krise seit 1945, Europa neu denken. Der Kontinent hat sich vereint die Wunde geschlagen, von der er sich bis heute nicht erholt hat. Hitlers unvorstellbare Verbrechen haben den Blick darauf verstellt.

Kann man die Wunde heilen? Die erneute Isolation Deutschlands als des ewigen Schurken ist fatal. Wenn der Euro als „Fortsetzung von Versailles mit anderen Mitteln“ betrachtet wird, muss er scheitern. Das starke Deutschland braucht starke Bündnispartner. Ein Tipp: man kann ihnen womöglich am 1. Juli an der Somme begegnen.

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Leserpost

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Dr. Hans-Peter Rösler / 02.01.2014

Sehr geehrter Herr Friedland, ich freue mich, von Ihnen belehrt worden zu sein. Bisher stellte sich mir das Szenario über den Beginn des Ersten Weltkrieges nämlich so vor: Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien, daraufhin Kriegserklärung Russlands an Österreich-Ungarn, daraufhin Kriegserklärung des Deutschen Reiches an Russland (Bündnisvertrag mit Österreich-Ungarn). Daraufhin Kriegserklärung Frankreichs an das Deutsche Reich (Bündnisvertrag mit Russland „Entente Cordiale“). Daraufhin Angriff des Deutschen Reiches über Belgien auf Nordfrankreich „Schlieffenplan“, Der Joffre-Plan (Joffre war seinerzeit das französische Gegenstück zu Schlieffen sah übrigens einen Angriff (!!) auf das freie Reichsland Elsaß-Lothingen (von Belfort über Mühlhausen und von Nancy nach Metz/Diedenhofen und Luxemburg/Südbelgien) vor, dann über die oberrheinische Tiefebene Richtung Frankfurt, dann über Erfurt nach Berlin, Deutschland kam ihm zuvor.). Derweil griff Russland Deutschland an. Fischers These war zumindest in den Siebzigern und Achtzigern und zuvor von den „progressiven“ Kräften Dogma in der BRD, das zu übertreten „faschistisch“ war – zumindest in den Kreisen der Bonsai-Intellektuellen. Zur Relativierung Polens. Sie und Ihresgleichen pflegen Stalins Überfall auf Ostpolen (das er nach der „Befreiung“ nie mehr herausgerückt hat und das heute wie selbstverständlich zur Ukraine und Weißrussland gehört) als „Erfüllung des Hitler-Stalin-Paktes“ (in OE: Molotow-Ribbentrop-Pakt) zu verharmlosen. Ich schicken Ihnen gern Bilder von Verbrüderungsszenen zwischen deutschen und sowjetischen Panzersoldaten und ihren Offizieren am Bug. Was die Polen von den Befreiern 1945 halten, zeigt ein dort gern erzähltes Rätsel: „Wenn sich von Westen ein Deutscher und von Osten ein Russe einem Polen in kriegerischer Absicht nähern, auf wen schießt der Pole zuerst? Antwort: Auf den Deutschen; denn zuerst kommt die Pflicht und dann das Vergnügen.“ Soviel zu Ihrer Geschichtsstunde. Herzlichst Hans-Peter Rösler  

Karl Krähling / 02.01.2014

@ Martin Friedland   „Daß die deutsche Europapolitik in irgendeiner Weise durch diese “Schuldfrage” beeinflußt sei, ist blanker Unsinn und nur eine der sattsam bekannten Verschwörungstheorien.“ Soviel Unkenntnis über wesentliche Motive aktuellen politischen Handelns, die sich in diesem Satz wie in den ganzen Text widerspiegelt, findet sich nur bei Menschen, denen ihre Geschichtspolitik wichtiger ist als eine tatsächliche Sicht auf Geschichte.

Martin Friedland / 01.01.2014

Die Reaktionen auf diesen Artikel wie auch auf die hierin zitierten Bücher zeigen, daß bei so manchen Deutschen der “Stachel der Niederlage” 1918 sehr tief steckt. Es finden sich wieder Begriffe wie “Diktatfrieden” aus längst vergangenen Zeiten bis hin zu der nur noch psychiatrisch erklärbaren Vermengung von der - zweifellos komplexen - Situation zwischen den europäischen Großmächten Anfang des 20 Jahrhunderts mit dem Vernichtungskrieg von Nazideutschland (ich rechne damit, daß nächstens irgendein Schwachmat auch den Überfall auf Polen relativiert). Diese angeblich neuen Betrachtungen zum 1.WK sind so neu übrigens nicht, wer in den 50er und 60er Jahren aufgewachsen ist, hat das alles schon mal gehört (soweit zum “Tabubruch”). Wer angeblich ständig von der deutschen “Alleinschuld” am 1.WK sprechen soll, ist mir auch schleierhaft. Die Deutschen haben einfach ein Problem, Niederlagen zu akzeptieren. Dies ist so bei den beiden Kriegen, einige Ebenen darunter bei dem “Betrug von Wembley”, bei jeder Niederlage einer dt. Mannschaft international findet sich das gleiche Muster - usw. Letztlich ist das Gemetzel des 1.WK das Ergebnis von grenzenloser Dummheit der “Großmächte”. Tatsache ist jedoch nun mal, daß der Schritt zum WK durch den deutschen Angriff im Westen und die Kriegserklärung an Rußland ausgelöst wurde. Was ohne dieses passiert wäre, bleibt Spekulation. Mit der heutigen gesellschaftlichen Wirklichkeit hat das Ganze herzlich wenig zu tun. Der 1.WK ist heute nur noch historisch interessant, die heutigen Generationen haben andere Probleme. Daß die deutsche Europapolitik in irgendeiner Weise durch diese “Schuldfrage” beeinflußt sei, ist blanker Unsinn und nur eine der sattsam bekannten Verschwörungstheorien.

Urs Schmidlin / 31.12.2013

Christopher Clark, so verstehe ich es, wird auch von Martin Meyer (Feuilleton-Chef-NZZ) empfohlen. „Es war kein harmloser Katzenjammer, der 1918 einsetzte. Das alte Europa hatte sich in den Untergang gerissen. «Das eben ist der Fluch der bösen Tat, dass sie, fortzeugend, immer Böses muss gebären.» Schillers Wort aus dem «Wallenstein» bewahrheitete sich einmal mehr. Es sollte alles noch viel schlimmer kommen. Ein österreichischer Meldeläufer an der Westfront, geboren in Braunau am Inn, schuf sich nun eine Plattform, auf der er die Urkatastrophe noch überbot. Davon wird niemals loszukommen sein“. (Neue Zürcher Zeitung online - “Klirrend in den Abgrund”)

Werner Förster / 31.12.2013

Ein wahrhaft großartiger Artikel. Warum kann man so etwas nicht in seiner Tageszeitung lesen?

Helmut Driesel / 31.12.2013

Fabelhaft nachgedacht! Aber kann man einem kranken Arzt wirklich vertrauen? Ich schätze, nun sind wir Ostdeutschen daran schuld, dass Deutschland zu groß ist um einfach nur ein Staat unter Staaten zu sein? Die öffentlich-rechtliche Augenwischerei trägt Früchte. Der rumänische Untergrund, der demnächst auf die sauber entwaffnete deutsche Zivilgesellschaft trifft, bringt es vielleicht an den Tag. Ob morgen wieder alles wie früher ist - wer weiß.

Ralf Scheffler / 31.12.2013

Liebe Cora, es ist imm wieder erfrischend zu erleben das jemand aus den eigenen Reihen aus den vorgegebenen Denk- und Analysemustern ausbricht.

Ulrich Haase / 31.12.2013

Fucking brilliant….. würde ein Brite wohl sagen.

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