Stefan Frank / 19.04.2016 / 08:26 / 3 / Seite ausdrucken

Humor nach Art des Sultans, jetzt auch bei uns

Wer hätte gedacht, dass es in Deutschland immer noch ein Gesetz gibt, das "Majestätsbeleidigung" unter Strafe stellt? Dass ausgerechnet der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nun davon profitiert? Und dass dies Deutschland in eine "Staatskrise" stürzen könnte?

"Staatskrise" und "Regierungskrise", diese beiden Begriffe fallen dieser Tage immer wieder. Angesichts all der riesigen Probleme, die Deutschland hat, könnte der Anlass kaum absurder sein: Es geht um ein Gedicht, in dem der Kabarettist Jan Böhmermann kürzlich auf brachiale Art den türkischen Präsidenten beschimpft hat. Erdogan fordert nun Böhmermanns Kopf – und hat, wie wir seit dem 14. April wissen, Bundeskanzlerin Merkel auf seiner Seite.

Der Hintergrund: Im März war in der Satiresendung eines Regionalsenders ein Musikvideoerschienen, in dem auf harmlos-spaßige Art die Repression und die Menschenrechtsverletzungen unter Erdogan angeprangert wurden. Daraufhin bestellte die türkische Regierung den deutschen Botschafter ein und verlangte die Löschung des Videos – es dürfe nie wieder gezeigt werden. Bei dieser Gelegenheit erfuhren die Deutschen erstmals, dass der deutsche Botschafter in Ankara regelmäßig einbestellt wird, in diesem Jahr bereits dreimal. Berichten zufolge beschwerte sich die türkische Regierung einmal sogar über Informationsmaterial für Lehrer im Bundesland Sachsen, in dem es um den Völkermord an den Armeniern ging. Hier geht es weiter.

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Test 45: 40680

Hjalmar Kreutzer / 21.04.2016

In Sachen Meinungsfreiheit stimme ich völlig zu. In einer Demokratie darf der Böhmermann das. Andererseits dient das ganze Gewese ja wohl dazu, laut hinauszutrompeten, wie toll hier die Meinugsfreiheit hochgehalten wird. Schade ist nur, dass wieder, wie zu Zeiten der DDR junge Menschen Angst um ihren Ausbildungsvertrag haben müssen, sollte man sie hier bei uns in der märkischen Provinz auf einer AfD-Veranstaltung auch nur als Zuschauer sehen.

Wolfgang Richter / 20.04.2016

Die vermeintliche Vordenkerin der deutschen Politik hat bezüglich Erdowahn den ersten dicken Lapsus gebracht, als sie sich auf die Reise nach Ankara begab, just während seines Wahlkampfes zu einer von ihm angesetzten Neuwahl zur Wiedererlangung der absoluten Mehrheit, die ihm vorher die Kurdenpartei HDP vermasselt hatte. Die Sonsoren der Kanzlerin und ihrer Berater hatten auch keinen Empfang für die Botschaft, daß der Sultan zum Diskreditieren dieser Volksgruppe und ihrer politischen Partei auch kein Problem damit hatte, seinen Krieg gegen die Kurden im eigenen Land wieder auf zu nehmen. Daß sich heute Bereiche mehrheitlich kurdisch bewohnter Städte in der Türkei von den Kriegsschäden her kaum von einigen Orten in Syrien unterscheiden, nimmt man hier regierungsseitig offenbar auch nicht mehr zur Kenntnis, weil man aus der Falle, die man sich unnötiger weise selbst gestellt hat, z. B. auch im Hinblick auf den Migranten-Pakt, nicht mehr ohne politische Nackenschläge raus kommt, vor allem auch, weil es zwar zunehmend dem Naturell unserer Kanzlerin entspricht, nach Tagesform aus dem hohlen Bauch heraus einen politischen Zick-Zack-Kurs hin zu legen, sie jedoch dabei der eigenen überzeugung nach offenbar davor gefeit ist, Fehler zu machen, die man dann auch mal zugeben könnte.

Andreas Rochow / 19.04.2016

Ich habe wenig Verständnis dafür, dass das Thema wieder und wieder rund gelutscht wird. Originelle Aspekte scheinen in dem Beitrag auch nicht auf. Besonders stören mich die Übertreibungen, Ungenauigkeiten und die Einseitigkeit der Betrachtung. Niemand, auch nicht Erdogan hat den "Kopf" verlangt. Der § 103 StGB hat auch nichts mit "Majestätsbeleidigung" zu tun, nachdem er im Jahr 1979 eine Novelle erfuhr. Es scheint aber irgendwie chic zu sein, das Strafgesetzbuch nach gusto zu kritisieren und einzelne Paragraphen als "unzeitgemäß" zu bezeichnen.Gänzlich unverständlich ist in diesem aktuellen Zusamnenhang, dass nicht auch der § 130 StGB (Volksverhetzung) zur Disposition gestellt wird, der aktuell unter Maas eine Texterweiterung erfahren hat und damit zum ultimativen Mittel gegen freie Meinungsäußerung entwickelt wurde. Gnade also dem Bürger, dessen Meinungsäußerung nicht durch Kunst oder Satire geschützt ist! Dieser Schutz ist genau genommen gar nicht hinreichend gesetzlich definiert, so dass die Befreiung von strafrechtlichen Konsequenzen mit dem Kunst-Satire-Argument de jure eine Unmöglichkeit ist. Auch Mord mit dem elegantesten Florett bleibt Mord! (Aber an diesem Paragraphen arbeitet sich Herr Maas auch schon ab.) Und der § 130 StGB macht deutlich, was wir unter "Toleranz" verstehen.Es sei daran erinnert, dass es für die gleiche mediale und politische Klasse, die sich jetzt auf das Grundgesetz und das Recht der freien Meinungsäußerung beruft, wenn sie sich auf die Seite von Herrn Böhmermann stellt, die Totalächtung eines Schriftstellers wie Akif Pirincci - wohlbemerkt OHNE jegliche Gerichtsentscheidung! - völlig in Ordnung geht. Wo bleibt da der Rechtsstaat? Wo bleiben da die permanent empörten politisch Korrekten? Der Rechtsstaat ist auf einem beklagenswerten Weg.

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