Eine mächtige Präsenz hat im Diskurs kritischer Geister auf unserem Kontinent Amerika. Französische, italienische wie deutsche Klassischlinksintellektuelle arbeiten sich gern an der amerikanischen Gesellschaft und Kultur ab. Im Vergleich mit dem abgelehnten Überphänomen stilisieren sie die eigene Erhabenheit als klüger, sensibler, komplexer. Besonders Republikaner und Popkultur haben es ihnen angetan…
Gerne werden in diesem Zusammenhang Allianzen mit “aufgeklärten” amerikanischen Intellektuellen geschmiedet. Man ist sich einig in seiner Ablehnung der Midwest-Texaner-Kriegsprovinzialität. Besonders gut funktioniert diese Achse der Besseren immer, wenn die Konservativen regieren. Dann nämlich können die europäischen Mainstream-Intellektuellen die unangenehme Tatsache ignorieren, dass auch die US-Liberalen ihnen gedanklich ziemlich fern sind. Auch diese nämlich zeichnen sich eher durch den Glauben an das Individuum, einen umfassenden Liberalismus und die dynamisierenden Kräfte der Marktwirtschaft aus als an einen starken, fürsorgenden Staat. Doch die gemeinsame Ablehnung der Konservativen schweißt zusammen.
Ein Problem für diese transatlantische Denkergemeinschaft ist daher die kommende US-Wahl. Ob Obama oder Clinton die Wahl bestreitet und gewinnt, spielt dabei keine Rolle. Beide haben programmatisch wenig mit Kurt Beck gemein und auch nicht viel mit der sozialdemokratisierten CDU. Inhaltlich entsprechen die Demokraten am ehesten der FDP. Bei einer Regentschaft Obama/Clinton wird der europäische Feelgood-Pseudoliberalität anderswo auf Freundessuche gehen müssen.
Andererseits kann das auch zur Erleichterung in Europa führen. Warum, das zeigt uns ein kluger Essay von Dietmar Dath. Er erläutert, weshalb die momentane Gedankenwelt der US-Intellektuellen gerade deutschen Denker ziemlich nervt. Die Amis praktizieren nämlich etwas, wofür traditionell die Deutschen weltweit standen: nationalen Selbsthass. Wie zumindest bis zur WM die Deutschen, so denken jetzt die US-Küstenbewohner den ganzen Tag lang über ihre Rolle in der Welt nach - und entschuldigen sich bei Besuchern aus dem Ausland ungefragt für ihre Regierung, ihre Politik und den ganzen bösen amerikanischen Kulturimperialismus. Doch die Rolle der Selbstgeißler wollen die Deutschen nicht so gern abgeben. Vielleicht gefällt ihnen die Machtübernahme daher am Ende doch. Mit ihr verlören sie daher ein paar Freunde. Zugleich bekämen sie aber die Chance, ihre angestammte Rolle auf der Bühne globaler Selbstinszenierung wieder selbst einzunehmen.