Alexander Gutzmer / 25.01.2014 / 09:41 / 3 / Seite ausdrucken

Journalismus als Darsteller seiner selbst

Wenn man die Vorgeschichte der kollektiven Anti-Lanz-Stimmung im Land nicht kennt und das ach so schreckliche Interview mit Sahra Wagenknecht betrachtet, sieht man etwas völlig Gängiges: Ein Moderator versucht, mit einfachen Worten den Eindruck kritischen Nachfragens zu erwecken. Eine Politikerin setzt mit lauter Stimme dagegen – und schafft es im übrigen durchaus, ihre Botschaften loszuwerden. Ein Diskutant anderer Meinung (Jörges) funkt forsch und simplifizierend dazwischen. Alles nichts Ungewöhnliches.

Nun gibt es aber die Anti-Lanz-Stimmung. Hinter der verbergen sich verschiedene Impulse. Die einen beklagen die offenbare Hilflosigkeit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Bezug auf die eigene Rolle. Ein riesiger Beamtenapparat, in dem Tausende kommod bezahlter Menschen versuchen, so etwas einen kleinsten gesellschaftlich-medialen Nenner zu definieren. Andere haben ein Problem mit dem Typus Lanz in der Berufswelt: gut aussehende, ambitionierte Jünglinge, denen auf zu offensichtliche Weise egal ist, auf welcher Bühne sie gerade Karriere machen. Und dann sehen manche Betrachter Lanz auch als die moderatorgewordene große Koalition. Als einen, der (aggressiv und offensichtlich problemgeplagt) die These vertritt, Deutschland hätte keine Probleme und bräuchte keine aggressive Opposition.

Falsch ist das alles nicht. Aber man kann den Lanz-Auftritt auch losgelöst von Person und politischem Kontext als Phänomen einer Krise des Fernsehmedialen begreifen. Angesichts immer professionellerer PR-Professionals und immer schwierigerer Thematiken versagt der Journalismus, so wie wir ihn kannten. Journalisten treiben heute Institutionen nur noch selten vor sich her. Die Komplexität von Materien wie der Finanzkrise erfordern Mittel, die dem klassischen Journalismus ausgehen. Filme können dies. The Wolf of Wall Street zum Beispiel ist, gerade weil er nicht alle Hintergründe erklären will und muss,  eine klare Analyse des Mindsets, aus dem heraus in den vergangenen Jahren immer absurdere Finanzprodukte generiert wurden.

Der Lanz-Journalismus will hier etwas dagegenhalten. Er will auch mit filmischen Mitteln arbeiten. Aber er tut das vor allem, um sich selbst als Journalismus zu inszenieren. Sahra Wagenknechts Antworten interessierten Markus Lanz ja wirklich nicht. Ihn interessiert nur die richtige Positionierung der eigenen Einwürfe/Fragen, und deren schneidiger Ton. Hier liefert der Journalismus über laufende Kamera ein Abbild des eigenen Selbstverständnisses ab. Und – und das ist das Problem – nicht mehr.

Das ist allerdings kein Lanz-Problem. Dasselbe kann man bei jedem der unzähligen Investigativ-Programme auf ARD und ZDF beobachten. Die Themen sind immer ähnlich: Pharmaindustrie, Finanzhaie, der Klamotten-Discounter KIK. Dann stellt sich ein Reporter an ein Werkstor, klingelt und lässt sich kameratauglich abweisen. Informationsgehalt null, interessiert auch keinen. Es geht um ein Lebensgefühl. Zuschauer und Journalist sind geeint im Gefühl, es den fiesen Multis mal knallhart gezeigt zu haben – und auf einer immer diffuser werdenden „richtigen Seite“ zu stehen.  Der den gefürchteten Aufklärer simulierende Reporter am Werkstor ist der Markus Lanz der Kapitalismuskritik, in schlechter sitzendem Anzug.

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Leserpost

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Thomas Himmel / 25.01.2014

Im Vordergrund steht doch ein populistischer Gesinnungsjournalismus, den man kaum noch aushält. Wenn sich jemand wie Jacob Augstein mit seinen wirren Thesen im Mainstream halten kann, dann läuft etwas gewaltig schief. Die Komplexität der Themen war früher nicht anders. Journalismus hat was mit Arbeit zu tun, das scheint man vergessen zu haben.

Ghijath Naddaf / 25.01.2014

Mir hingegen, geht mittlerweile die völlig absurde “Pro Lanz” Stimmung auf der Achse tierisch auf den Sack.

Helge-Rainer Decke / 25.01.2014

Sehr geehrter Herr Dr. Gutzmer, was Sie thematisieren, analysieren und des Wortes mächtig zur “causa” TV am Beispiel Frau Wagenknecht versus Herrn Lanz, vice versa, darlegten, ist nach meinem Verständnis grundsätzlich schlüssig soweit es, was die sogenannten Platzhirsche unter den TV Sendern, nämlich das Erste und das Zweite ÖR TV betrifft. Aber, und hier hätte darauf hingewiesen werden müssen. Es gibt die Kanäle, Phoenix, dreisat, und insbesondere Arte. Gerade ihre Beiträge verlassen in aller Regel das Feld d e r Unterhaltung, die Sie kritisieren. Wenn doch, dann analytisch thematisierend und oft, und das ist für mich entscheidend, ergebnisoffen. Lassen wir also den Platzhirschen ihre Spielwiese. Die Einschaltquoten sprechen dafür. Eine “moralische Anstalt”, gar ein Instrument zur “Erziehung” des Konsumenten TV sollte den alternativen Kanälen, die ich angeführt habe, grundsätzlich weiter überlassen bleiben. Wenn nicht, dann rufe ich Ihnen “aufmunternd” zu, wie Sie uns eine Alternativ zu dem was die ÖR senden, anbieten können. Und das mit Aussicht, die Einschaltquote nicht, oder nur marginal zu beeinflussen. Zu guter Letzt gestatten Sie mir die Kritik, das So Sein des Fernsehens allein als in der Krise begriffen zu fokussieren, ohne Bezug auf digitale Informationsträger zu nehmen, ist problematisch.

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