Thilo Schneider / 01.03.2020 / 10:00 / Foto: Timo Raab / 56 / Seite ausdrucken

Hilfe, die AfD hat meine Kaffeetasse umgeworfen!

Ich habe schlicht die Kaffeetasse schlampig unter die Senseo gestellt, weil ich in Gedanken und es erst 11 Uhr am Samstagvormittag war, und da hat sie, als sie fast vollgelaufen war, das Übergewicht bekommen und ist zuerst auf die Küchenarbeitsplatte und dann mit einem lauten Klirren auf den Küchenfußboden gefallen. Überall Kaffee und Porzellansplitter. Eine ziemliche Sauerei. Nicht schön. Der Schatz steckt den Kopf aus der Badezimmertür: „Thilo? Ist was passiert?“ „Die AfD hat meinen Kaffee umgeschmissen“, brülle ich zornig über mich selbst zurück. Kurzes Schweigen. Dann der Schatz wieder: „Was hat die AfD gemacht?“ „… meinen Kaffee umgeschmissen“, wiederhole ich mich, während ich einen Putzlappen im fröhlichen Chaos unseres Putzschranks suche.

Ich höre, wie sich die Badezimmertüre schließt. Etwa eine Minute ist Ruhe. Dann geht die Türe wieder auf und der Schatz steht in voller Pracht und seinen Ausgehklamotten vor mir in der Küche. „Hast Du eben gesagt, die AfD hat Deine Kaffeetasse umgeschmissen?“, fragt sie ungläubig. „Ja, letztlich ist es die Schuld der AfD“, erkläre ich, jetzt zum dritten Mal. Entweder ist sie schwerhörig oder etwas debil. Sie guckt zumindest so. Dann verzieht der Schatz spöttisch die Mundwinkel: „Die AfD! Hat Deinen Kaffee umgeschmissen! Soso!“

Ich seufze. Wenn ich etwas nicht leiden kann, dann ist es Spott angesichts einer Notlage, in der ich mich durchaus befinde, wenn ich in einer Schlafanzughose auf dem Boden mit einem Putzlappen knie. „Ja, letztlich war es die AfD“, erwidere ich unfreundlich, „soll ich es mir aufs T-Shirt drucken?“ Der Schatz, der keine Anstalten macht, mir zu helfen, nimmt grinsend auf einem der Barhocker an unserem Küchentresen Platz. „Das erklärst Du mir mal, wie sie das gemacht hat, die AfD“, insistiert er. Ich stehe auf und wringe den Putzlappen in der Spüle aus.

„Dann ist doch Ralf Stegner schuld und nicht die AfD“

Und erkläre es dem Schatz so langsam, wie es mir in meinem Ärger möglich ist: „Das war so: Während Du ins Bad bist, bin ich auf den Balkon, um zu rauchen. Dabei habe ich auf Twitter gestöbert. Und bin bei Ralf Stegner – Du kennst ihn, das ist der Li-La-Launebär der SPD – hängengeblieben. Und der schrieb sinngemäß, dass die AfD die Demokratie abschaffen will und an allem schuld ist. Deswegen war ich in Gedanken, was ich für eine Replik schreiben könnte, und deswegen habe ich die Tasse nur so halb unter die Senseo gestellt, und als sie vollgelaufen war, folgte ihr Weg durch das Gewicht des Kaffees der rechtsextremen Schwerkraft, die in unserer Küche herrscht und nahm zuerst ihre Roll- und dann ihre Flugbahn Richtung Erdmittelpunkt, was sich als letztlich tödlich für das Material der Kaffeetasse und ihres Inhalts herausstellte und mich sozusagen in die Knie gezwungen hat, um die Scherben hier wieder aufzulesen. Ist das so schwer zu begreifen?“ Der Schatz schaut mich besorgt an, ich vermute, er vermutet, ich habe mir das Corona-Virus eingefangen. „Ich habe mir kein Corona-Virus eingefangen“, setze ich sicherheitshalber hinzu.

„Okay“, sagt der Schatz warm und mitfühlend, „aber wenn Du Dich doch über Ralf Stegner geärgert hast, dann ist doch Ralf Stegner schuld und nicht die AfD.“ Sie ist augenscheinlich nicht in der Lage, einfachste Kausalketten zu verstehen. Aber der Schatz hat Glück, er hat ja mich, um sie ihm zu erklären: „Das ist doch ziemlich simpel: Gäbe es die AfD nicht und wäre sie nicht so hinterfotzig und gemein und würde FDPler statt ihres eigenen Kandidaten wählen, dann hätte Ralf Stegner nicht über sie tweeten können und dann hätte ich mich nicht geärgert und hätte die Kaffeetasse nicht so nachlässig unter die Senseo gepackt und dann wäre sie auch nicht kaputt gegangen. Ist das so schwer zu begreifen?“ Ich gehe wieder in die Knie. Es gibt wenig ekelhaftere Sachen, als braune Brühe mit Porzellanstückchen von einem Boden zu wischen. Ich hasse es.

Sie hat es endlich verstanden, die AfD ist an allem schuld

Der Schatz runzelt die Stirn. Ein sicheres Zeichen, dass er nachdenkt. Oder verärgert ist. „Die AfD gibt es doch nur, weil sich die anderen Parteien mehr nach links orientiert haben“, lässt er mich an seiner wirren Gedankenwelt teilhaben, „im Grunde sind doch eigentlich die CDU und die SPD an dieser Sauerei schuld.“ Gott, der Schatz ist so süß, wenn er nachdenkt. „Das ist Blödsinn“, gebe ich meiner Herzdame Hilfestellung, „wenn Du das so siehst, dann ist eigentlich Bismarck an diesem Malheur schuld, weil er es nicht geschafft hat, das SPD-Verbot 1890 durch den Reichstag verlängen zu lassen. Oder Hitler ist schuld, weil er den Zweiten Weltkrieg verloren hat. Oder die Alliierten sind schuld, weil sie die SPD wieder als politische Partei zugelassen haben. Oder Ralf Stegners Mutter ist schuld, weil sie ihn geboren hat …“ „Oder die Mutter von Napoleon dem Dritten, weil der den deutsch-französischen Krieg verloren hat“, ergänzt der Schatz in seiner unbestechlichen Frauenlogik.

„Eben. Man muss also in der Kausalkette irgendwann einmal einen Schlussstrich ziehen, sonst kommt man vom Hundertsten ins Tausendste“, erläutere ich mit einem kurzen Schrei, weil ich mich auf eine kleine Scherbe gekniet habe, „und gerade heute ist es wichtig, Haltung zu zeigen. Und Namen und Anschrift derer zu nennen, die unsere Demokratie gefährden, wenn nicht sogar ausnutzen, um ihre eigenen politischen Ziele zu verfolgen. Mit Kaffeetassen fängt das an, und wo das hinführt, wissen wir alle!“ Der Schatz schlägt sich vor die Stirne. „Oh verdammt, ich wollte mich ja um halb Zwölf mit Iris treffen, das habe ich ja vollkommen verpasst wegen Deiner blöden Kaffeetasse“, durchfährt es sie. Sie schaut sich nach ihrem Handy um. „Eigentlich ja nicht wegen meiner Kaffeetasse, sondern …?“, helfe ich ihr, „… wegen der AfD“, ergänzt der Schatz brav. „Korrekt, jetzt hast Du es!“, lobe ich sie. Man muss das auch einmal anerkennen.

Der Schatz hat sein Handy gefunden und ruft Iris an: „Du, ich komme etwas später. Bitte warte auf mich. Die AfD hat mich aufgehalten!“ Genau so ist es. „Nimm einen Schirm mit, es regnet“, empfehle ich. „Mache ich! Wären die von der AfD nicht solche Klimaleugner, hätten wir schönes Wetter“, bemerkt der Schatz zornig, bevor er sich hektisch fertig kleidet und das Haus verlässt. Sie hat es endlich verstanden. Die AfD ist an allem schuld.     

(Mehr zerschlagenes Porzellan des Autors auch unter www.politticker.de)

Foto: Timo Raab

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Marco Stein / 01.03.2020

Diese zwingende Logik ist wirklich bestechend. Natürlich ist die AfD an allem Schuld, wenn man genauer darüber nachdenkt - oder das tut, was man dafür hält - und sich die Welt im Kopf so bastelt, bis es paßt. Und weil nicht viel in manchen linksgrünen Köpfen steckt, gelingen derartige Geistesblitze; no brain, no pain. Das erinnert mich analog an die Schuldfrage eines westlichen Geschäftsreisenden, der auf dem Rücksitz eines Taxis sitzend, auf dem Weg zum Flughafen war, als ein anderes Fahrzeug ohne die Vorfahrt zu beachten aus einer Seitenstraße plötzlich einbog. Das Taxi fuhr diesem plötzlich auftauchend Auto in die Seite und es gab Totalschäden an beiden Fahrzeugen, glücklicherweise aber keine Schwerverletzen. Wie auch immer, Schuld an der ganzen Misere war letztlich der Fahrgast, der, hätte er denn dieses schöne Land im fernen Orient gar nicht erst besucht, das Taxi gar nicht hätte besteigen können, um zum Flughafen zu fahren.  Ergo hätte es nie zu diesem Unfall kommen können. Wie die Sache letztlich ausgegangen ist weis ich nicht.  Logik kann so simpel sein.

Karl-Heinz Vonderstein / 01.03.2020

An diesem Wochenende gab es zwei Spiele in der Bundesliga, Hoffenheim gegen Bayern und Dortmund gegen Freiburg, wo Plakate und Sprechchöre von Fans sich negativ gegen Hoffenheims Vereinspräsidenten Hopp wendeten.Die Bayern Bosse und Mannschaft des FC Bayern fanden es schlimm, dass sich Teile ihrer Fans so verhielten und solidarisierten sich in den letzten Minuten mit Hoffenheim und ihrem Vereinspräsidenten, auch weil der Schiedsrichter wegen dieser Vorkommnisse nahe dran war, das Spiel abzubrechen.Auch der Freiburger Trainer Streich fand das schlimm, dass Dortmunder und Freiburger Fans gemeinsam gegen Hopp Hass-Schmähungen riefen und auf Plakaten zeigten.Er sagte nach dem Spiel in der Pressekonferenz u.a. dazu, dass eine bestimmte Partei bei uns auch alles instrumentalisieren würde und meinte dann “Wehret den Anfängen!” Mein erster Gedanke wie ich das von Streich hörte war dann, was denn die anderen Parteien nach dem Anschlag in Hanau taten.  

Susanne antalic / 01.03.2020

Wow, auf den Punkt getroffen.

Thorsten Langner / 01.03.2020

Schöner Artikel. Der Mainstream hat seinen Feind gefunden. Was passiert aber, wenn der Feind anfängt, sich ernsthaft zu wehren?

H. Schmidt / 01.03.2020

Lt. Merkels Alternativlos-Rhetorik dürfte es überhaupt keine Alternative geben. Also keine AfD. Ergo kann man zu dem Beitrag sagen: Die AfD war definitiv nicht am Kaffeetassen Sturz schuld. Schuld war eindeutig Herr Stegner dessen Partei alternativlos in der Regierungsverantwortung verklebt ist. Wer kommt jetzt eigentlich für den Schaden auf? Herr Stegner oder Herr Schneider weil er sich über die Falschen aufgeregt hat? ;-)

Robert Krischik / 01.03.2020

Solange die AfD an allem Schuld ist, dürfen wie sie nicht verbieten. Wo kämen wir da hin? Sie wäre durch den Klimawandel nur teilweise zu ersetzen…

Manfred Lang / 01.03.2020

Manche meinen, Schneiders Ergüsse wären Satire. Nein, das ist alles todernst. Die AfD ist nicht nur an Schneiders vergossenem Kaffee schuld. Sie ist vor allem auch daran schuld, dass Merkel bis zum bitteren Ende durchregiert. Denn ohne die von Merkel zum Feind erklärte AfD gäbe es doch wohl nur noch anständige Opposition. Dabei geht mit mir wohl gerade meine Phantasie durch. Aber ohne diesen perfiden Feind von Rechtsaußen bleibt unserer Mutti doch gar nichts anderes übrig, sich bei den linken, grünen, rosaroten und ihren linken Unionisten unterzuhaken – vereint im Kampf gegen rechts. Da müssen sich halt die Konservativen in der Union demütig unterwerfen. Denn es geht schließlich um etwas Wichtigeres, Größeres: aus Blauen Nazis oder Faschisten machen, sie zu Schreibtischtätern zu erklären.  Da kann man auch schon mal auf die Gepflogenheiten demokratischer Abläufe pfeifen und im Stile einer Staatsratsvorsitzenden Recht und Gesetz ignorieren. Hauptsache man bleibt ein gefühlter Demokrat und verteidigt seinen Amtssessel. Vom Amtseid muss sie ja dabei nicht reden. Feinde schaffen Verbundenheit. Da stören Menschen, die neben ihrer konservativen Haltung noch tatsächliche konservative Überzeugungen haben.  Die muss man innerparteilich kaltstellen. Vertreter konservativer, nicht-linker Medien werden als rechtspopulistisch, rechtsradikal oder neurechts abqualifiziert. Die Merkel willfährige MSM-Landschaft schreibt solche Kollegen nieder, grenzt sie aus. Deren Bücher werden erst gar nicht rezitiert, so als gäbe es sie nicht. Und auch dabei hilft linke Haltung und eben der rechtsaußen Feind AfD . Denn die AfD ist an Allem schuld. Nicht nur an Schneiders vergossenem Kaffee. Deutsche Nacht! Rabenschwarze Nacht. Vielleicht hilft dabei als kleines Licht in dieser Finsternis ein bisschen Schneiders Satire, über die man schmunzeln kann.

Alois Fuchs / 01.03.2020

Hat jetzt aber schon eine Weile gedauert bei Ihnen, Herr Schneider, mit dem ... naja, dass an Allem die AfD schuld ist, gell? Ich meine, früher haben sich manche Ihrer Artikel, wenigstens teilweise, so gelesen, als seien sie keine Satire, also, dass Sie das ernst meinten ... Nichts für ungut, aber das musste jetzt mal gesagt werden.

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