Vera Lengsfeld / 30.10.2011 / 18:15 / 0 / Seite ausdrucken

Hans-Olaf Henkel: “Rettet unser Geld - die Alternative”

Der Konzertsaal der UdK in Berlin war gestern Abend gut gefüllt, als der ehemalige BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel vor sein Publikum trat. Es war seine dritte Veranstaltung zum Thema „Rettet unser Geld- die Alternative“.
Henkel, der ohne Manuskript, Power- Point und rhetorische Mätzchen auskam und dennoch seine Zuhörer von der ersten bis zur letzten Minute in seinen Bann zog, überraschte mit einem Geständnis: „Ich habe den größten Fehler meiner Karriere gemacht, als ich den Euro befürwortete“ In den folgenden anderthalb Stunden liefert Henkel Fakten und Analysen, warum die Einheitswährung von Anfang an mit nicht korrigierbaren Geburtsfehlern behaftet war. Die Vorstellung, dass eine gemeinsame Währung und einheitliche Zinssätze für so unterschiedliche Volkswirtschaften, wie sie in Nord-, und Südeuropa zu finden sind, funktionieren könnte, war irrig. Die Fehlentscheidung nicht zu korrigieren, sondern mit immer neuen „Rettungsmaßnahmen“ aufrecht zu erhalten, bedroht inzwischen die Einheit Europas. Der Spalt zwischen den Geber-, und den Nehmerstaaten , sowie den Euro-, und Nicht-Euro- Ländern wird mit jedem Tag tiefer.
Was während Henkels Ausführungen über den sich ausbreitenden Deutschland- Hass in Griechenland über den Ticker lief, war eine Illustration für die Richtigkeit seiner Worte.
Von Anfang an war die Euroeinführung von Vertragsbruch begleitet.
Die im Maastricht-Vertrag festgelegten Handelsdefizitgrenzen von drei Prozent wurden schon über hundert mal überschritten, ohne das es zu den festgelegten Sanktionen gekommen wäre. Auch die Vereinbarung, dass die Verschuldung eines Staates 60% des Bruttoinlandproduktes nicht überschreiten darf, wird von den wenigsten Staaten eingehalten. Der schlimmste Fehler war, dass Bundeskanzlerin Merkel in der Nacht vom 8./9. Mai 2010 die vom ehemaligen Bundespräsidenten Köhler in den Maastricht –Vertrag geschriebene No- Bailout- Klausel , nach der Mitgliedsstaaten nicht für die Schulden anderer Mitglieder haften, fallen ließ. Der Bundespräsident unterschrieb an einem Sonnabend das Gesetz, das seine Formel außer Kraft setzte und trat am folgenden Montag aus vorgeschobenen anderen Gründen zurück.
Griechenland wurde in die Eurounion aufgenommen, obwohl es die Beitrittskriterien nicht erfüllte. Die Wiege der Demokratie müsse von Anfang an in der Währungsunion sein, lautete die Begründung der Politik, die sich von ihren Wünschen, nicht von der Realität leiten lässt.
Nun sind die seit dem Euro-Beitritt Griechenlands massiv gestiegenen Staatsschulden der Hellenen der Sprengsatz, der die Einheitswährung explodieren lassen wird. Alle „Rettungsmaßnahmen“ werden nur Zeit kaufen und das Problem verschlimmern. Wer vor einem Jahr sagte, dass Griechenland einen Schuldenschnitt von mindestens 50% brauche, wurde als Idiot hingestellt. Noch vor sechs Wochen war es nicht möglich, das auszusprechen, ohne wütende Gegenreaktionen zu bekommen. Als letzte Woche der Schuldenschnitt beschlossen werden musste, wurde die Entscheidung gefeiert, als wäre sie die Erlösung von allem Übel. Zweierlei wird der Öffentlichkeit dabei verschwiegen: trotz Schuldenschnitts wird Griechenland nicht auf die Beine kommen, wenn es seine Währung nicht abwerten darf, was ja nicht möglich ist, solange es den Euro behalten muss. In allen Fällen sind erfolgreiche Schuldenschnitte, wie etwa bei der Türkei, mit einer Abwertung der Währung einher gegangen. Zweitens werden beim griechischen Schuldenschnitt massiv die deutschen Steuerzahler mit 10 bis 12 Milliarden belastet, weil hauptsächlich deutsche Staats-, und Landesbanken griechische Staatsanleihen halten, die sie jetzt abschreiben müssen. Die private DB ist vergleichsweise wenig betroffen.
An dieser Tatsache zeigt sich, dass die Währungsunion längst zu einer Transferunion geworden ist. Die europäische Schuldenunion wird eine massive Erhöhung von Steuern, vielleicht sogar eine Inflation mit sich bringen. Mit allen negativen Folgen für die Realwirtschaft.  Europa wird immer weiter zurück fallen.
Die Alternative wäre, die Währungsunion in eine Nord-, und Südzone aufzuteilen. Die Südstaaten hätten so die Möglichkeit, ihren Euro abzuwerten und damit den Bedürfnissen ihrer Wirtschaften besser anzupassen. Der Nordeuro, bestehend aus Deutschland ,Österreich, den Niederlanden könnte bald für Schweden, Polen oder Irland attraktiv werden. Wechsel zwischen diesen beiden Systemen sollten problemlos möglich sein.
Natürlich wäre eine solche Lösung alles andere als einfach, vor allem, weil sie zur Voraussetzung hat, dass die Politik sich ihre Fehler eingesteht. Das ist unwahrscheinlich, wenn sie nicht von den Bürgern dazu gezwungen wird. Deshalb wirbt Henkel am Ende seines Vortrages für die Mitgliederbefragung in der FDP. Wenn die Eurorebellen einen Sonderparteitag erzwingen, wird die Regierung ihre Politik ändern müssen.
Außerhalb der FDP kann man die Initiative der Zivilen Koalition unterstützen, die seit Wochen einen Kampf gegen den permanenten Rettungsschirm ESM führt, der ab Mai 2013 den vorläufigen Rettungsschirm ablösen soll. Bereits über 270 000 E-Mails sind an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages geschickt worden, 50 000 sollen es mindestens werden, damit die Politik zur Kenntnis nehmen,  muss dass die Mehrzahl der Bürger ihre „Rettungsmaßnahmen“ ablehnt.
Es ist doch paradox, sagt Henkel am Schluss, daß diejenigen, die laut beklagen, dass die Politik vom Geld dominiert wird, dabei sind, Europa ganz nach den Bedürfnissen des Geldes auszurichten. Das darf nicht zugelassen werden.

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