Hubert Geißler, Gastautor / 17.05.2020 / 06:15 / Foto: Pixabay / 81 / Seite ausdrucken

Geschichte einer Beerdigung im Schwäbischen

Die oft auch wenig subtile Absurdität der staatlichen Maßnahmen gegen Corona ist weitgehend schon bis zum Überdruss diskutiert, fast karikaturhaft deutlich in ihrer Surrealität werden diese aber in konkreten Situationen. Dazu eine Geschichte: Vor mehr als einer Woche verstarb mein Vetter, nicht an Corona, sondern, wie man so schön sagt, nach langem und schwerem Leiden an unheilbarem Krebs.

Mein Bruder nahm an der Beerdigung teil, in Vertretung des Rests meiner Familie. Mehrere ältere Herren aus meinem Heimatort beschlossen, gemeinsam zum Wohnort der Familie meines Vetters zu fahren: alte Schulkameraden, Kollegen, verbunden durch eine gemeinsame Kindheit in einem kleinen Bauerndorf. Einem „alten Kameraden“ die letzte Ehre zu erweisen, ist einfach üblich und Brauch.

In der Kirche, in der die Totenmesse stattfand, angekommen, entrollte sich nun ein völlig fremdartiges Szenario. Der indische Gemeindepfarrer, der nach Aussage meines Bruders des Deutschen eher nicht so mächtig war, wies die Trauernden ein. Alle aus einem Haushalt durften zusammensitzen, der Rest der Gemeinde wurde im vorgeschriebenen Abstand auf die Bänke verteilt, der Klingelbeutel, ein zentrales Requisit eines katholischen Gottesdienstes, durfte nicht durchgehen wegen Infektionsgefahr, auf ein Körbchen am Eingang wurde verwiesen. Dann galt für alle Maskenpflicht. Der Gemeindegesang, der ohnehin eher schütter zu nennen war, wurde durch die Masken nicht verbessert, die Worte des Priesters waren kaum verständlich, mein Bruder litt an Atemnot, alles ging so schnell wie möglich, und beim Verlassen der Kirche riss sich jeder die Maske runter, um sie am Grab wieder aufzusetzen.

Sogar die meist mit dem körperlichen Ausdruck ihrer Gefühle zurückhaltenden Nordschwaben umarmen doch gelegentlich am Grab weinende Angehörige. Das ging nun gar nicht. Abstand war das eherne Gebot, und jeder war fast froh, dem Geschehen, das mein Bruder als zutiefst „surreal“ bezeichnete, zu entfliehen. Ich versuche, dem Coronageschehen eher eine humoristische Seite abzugewinnen, aber der Ablauf, den ich mir wie einen Film vorstellen konnte, hatte für mich etwas Würdeloses.

Mein Vetter war Maurerpolier, also einer von denen, die die Fundamente unserer Gesellschaft im wortwörtlichen Sinne aufgebaut haben. Gelegentlich wurde da auch ein Architektenunsinn buchstäblich auf eigene Verantwortung ausgeputzt. Diesen Abgang hat er sicherlich nicht verdient, zumal der Verdacht nicht von der Hand zu weisen ist, dass die Fortsetzung seltsamer Maßnahmen vielleicht eher einem unterirdischen Geplänkel von Söder gegen Laschet um die Kanzlerschaft geschuldet ist als medizinischen Notwendigkeiten. Mein Bruder betont, dass an seinem Arbeitsplatz von Abstand und dergleichen keine Rede sein kann. Leider liegen Schraube und Mutter oft nahe beieinander.

Nach zwei Wochen war die Frau tot

Normalerweise gibt es nach der „Leich“ den „Leichenschmaus“. Angehörige, Nachbarn und Freunde des Verstorbenen treffen sich im nächstgelegenen Wirtshaus. Ich erinnere mich noch an den Leichenschmaus zur Beerdigung meines Großvaters vor bald 50 Jahren. Ein Rosenkranz wurde gebetet, dann kam Brätstrudelsuppe und Schweinebraten mit Spätzle, und in der Folge sprachen zumindest die Männer dem Biere kräftig zu. Das Ganze endete eher fröhlich, mit Geschichten aus dem Leben des Verstorbenen, die es ja reichlich gab.

Jetzt nichts davon. 

Mein Bruder fuhr mit seiner Truppe nach Hause. Dort angekommen, beschloss man, doch noch im engsten Kreise eine Halbe oder mehrere (das traditionelle Volksfestbier war wegen Corona nun in Flaschen abgefüllt worden und musste entsorgt werden) zu heben. Die Teilnehmer der Runde waren alle aus Berufen, die man heutzutage als „Helden“ bezeichnet: Installateure, Metzger, kleine Angestellte, eben die Schicht, die in diesem Lande den Laden am Laufen hält.

Die erste verblüffende Feststellung meines Bruders war, dass außer ihm keiner mehr arbeitete. Gründe waren entweder massive körperliche Malaisen oder die klare Aussage, dass man für den Staat keine Lust mehr hätte, Steuern zu erwirtschaften. Es würde auch so reichen. Obwohl von den Anwesenden sicher keiner mehr als die lokale Hauptschule besucht hatte und sicher keine Alternativmedien liest, war die Kritik an den Coronamaßnahmen einhellig. Der Staat würde sie wie kleine Kinder behandeln (ein Eindruck, den das intellektuelle Niveau der Ansprachen unserer Kanzlerin durchaus nahelegen könnte). Man wäre doch nicht im Kindergarten. Dann kamen Geschichten: Die einer Frau, die während Corona mit erheblichen Schmerzen im Unterleib ins Krankenhaus ging. Diagnostiziert wurde ein Problem mit der Bauchspeicheldrüse. Sie bekam Medikamente. Operieren sei momentan nicht möglich. Die Schmerzen hielten an. Wieder Medikamente. Nach zwei Wochen war die Frau tot.

Auf dem Land, wo sich das alles abspielte, gibt es einen funktionierenden Buschfunk. Diese Geschichten machen die Runde, erreichen unter Umständen tausende von Mitbürgern und verstärken deren Skepsis gegen die Obrigkeit.

Ich würde sagen, die leichte Panik, die ich aus den medialen Äußerungen zu den laufenden Coronademos höre, ist berechtigt. Ich glaube, je plumper man versucht, die Bevölkerung zu indoktrinieren, desto mehr hat man das Volk eigentlich schon verloren. Wer man ist, ist hoffentlich klar. Schon wird über „Lastenausgleich“ gesprochen, und die Kanzlerin hat vor einigen Tagen Steuererhöhungen „Stand heute“ negiert. „Nachtigall, ick hör dir trapsen!“ würde der Berliner da sagen.

 

Hubert Geißler stammt aus Bayern und war Lehrer für Kunst/Deutsch/Geschichte.

Foto: Pixabay

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Georg-Michael Mathes / 17.05.2020

@G. Kramler / 17.05.2020, Das ist eh der falsche Text im GG. Er müsste eigentlich lauten: Die Dummheit der Menschen ist unfassbar.

Ilona Grimm / 17.05.2020

Nachtrag: Meine Mutter war eine gläubige evangelische Christin. Dennoch hat kein Trauergottesdienst für sie stattgefunden. Die Pfarrerin hat, so wurde mir berichtet, am Grab ein paar dürre Worte gesucht und gefunden und konnte dem Corona-Grauen nicht schnell genug entkommen. Das hat meine Mutter nicht verdient. Das hat niemand verdient (von Ausnahmen abgesehen). Auch die Angehörigen sämtlicher während des „Lockdown“ gestorbenen Menschen nicht. Und auch das gehört zu den fürchterlichen Nebenwirkungen der Pandemie-„Behandlung“. Der Zahltag wird aber kommen, dessen bin ich mir sicher, seit ich heute früh im Radio Kritik eines „Redaktionsnetzwerkes“ an Jens Spahn gehört habe. Zwar wird er eines der Bauernopfer sein, aber das Wegputzen der Figuren auf dem Schachbrett dürfte bald beginnen.

Rolf Lindner / 17.05.2020

Wer als Arzt einen Patienten mit Verdacht auf ein Bauchspeicheldrüsenproblem mit Schmerztabletten nach Hause schickt, egal ob es während einer Coronakrisensituation ist oder nicht, dem sollte die Approbation entzogen werden. Ich könnte ein ganzes Buch mit Beschreibungen teilweise noch kurioserer Fälle füllen, die mir im Beruf, in der Verwandtschaft und im Bekannt-/Freundeskreis begegnet sind, weshalb bei mir die Achtung vor dem ärztlichen Beruf nicht allzu hoch angesiedelt ist. Immerhin haben sie mir mindestens dreimal das Leben gerettet, nachdem sie mich einmal sogar durch jahrelange Fehldiagnosen in den Zustand gebracht hatten, mir das Leben retten zu müssen. Allein durch das Kohnpapier wissen wir, dass der Fall der gestorbenen Bauchspeicheldrüsenpatientin kein Einzelfall ist. Von einem letalen Herzinfarkt aufgrund von coronaparanoiabedingt ausgebliebenem Arztbesuch und einem anderen Fall von Hilfeverweigerung habe ich gelesen. Es sind genau diese Fälle, die in den Regierungsjubelmedien kein Thema sind. Im Gegenteil, Menschen und Medien, die so etwas publizieren, werden als Verschwörungstheoretiker usw. bezeichnet. Um die Zahl der Opfer so gering wie möglich zu halten, ist es deshalb dringend notwendig, derartige coronaparanoiabedingte Sorgfaltspflichtverletzungen mit letalem oder Dauerschadenausgang nicht nur durch Mundpropaganda zu verbreiten, was den Opfern auf dem Altar der Merkelumfragewerte einen zwar wenig tröstlichen, aber besser als gar keinen Sinn geben würde. Was das Geschehen bei der beschriebenen Beerdigung betrifft, hatte, wie in Landgemeinden typisch, kaum einer der Anwesenden einen am Coronavirus Erkrankten gekannt bzw. überhaupt von so einem gehört.

Frances Johnson / 17.05.2020

@ Wolfgang Sauer: 40%: Fragst du in Seniorenheimen und bei deren Angestellten. Die Zustimmung könnte man sogar verstehen. Außerdem in Orten wie Heinsberg, Tirschenreuth, Birkenfeld, Coesfeld. Weitere Fundgruben: Transferempfänger und Studenten und alle anderen, die gern ausschlafen und home sweet home machen. Sie glauben, dass Medien und angelehnte Institute repräsentative Umfragen machen?

JoachimKaleja / 17.05.2020

Eigentlich erschreckend wie sich ganze Völker von einer Handvoll Politverbrecher und deren Moatschamba-Vasallen unterdrücken lassen.  Wer hat denn die Freiheit , teilweise blutig, erkämpft ? die heute regierenden Volksverhetzer bestimmt nicht !  -  der 14. Juli ist nicht mehr weit !  und der 21. Januar könnte ohne weiteres vorgezogen werden !  denken wir mal darüber nach .

Dietmar Blum / 17.05.2020

@Frank-Michael Goldmann, Dänemark / 17.05.2020: Und hätten Tage danach alle Hadschis “Hatschi” von sich gegeben, wäre sie nicht als Verbreiter des bösen Politvirus “Corona”  verdächtigt und interniert worden , es wäre eine Erkältung gewesen.

Thomas Mueller / 17.05.2020

Nach dieser Lektüre graut mir umso mehr vor der Entscheidung, ob ich nächste Woche die 2 x 500 Kilometer zur Beisetzung eines mir sehr lieben Menschen fahren soll, weiß ich doch schon von Einschränkungen der Personenzahl auf dem Friedhof…

Ernst-Günther Konrad / 17.05.2020

Es ist genauso Herr Geißler. Die Distanz der politischen Entscheider zur gelebten Wirklichkeit, die ihnen kurz über lang auf die Füße fallen wird, beschreiben Sie trefflich.  Man mag ja vor allem in Großstädten durch links-grüne Ideologie und durch Angstszenarien und durch moralische Überhöhung gegenüber anderen begeistern können. Dem “einfach” am Leben orientierten Menschen, diejenigen durch die Steuern erwirtschaftet werden, wo Tradition, Religion, Kollegalität, Zusammenhalt und regionale Zugehörigkeit gelebt wird, da haben auch die Mainstreammedien keine Chance. Da können BILD, FOCUS, SPIEGEL und wie sie alle heissen, noch so dramatisch berichten, die ör Sender noch so “gut” versuchen zu indoktrinieren und zu bevormunden.  Im Alltag kommen sie damit nur begrenzt durch. Dort, wo noch selbst gedacht, gelebt und und entschieden wird, lassen sich die Menschen nicht vera…. Neueste Umfragen haben angeblich ergeben, das wieder mehr Bürger den Coronamaßnahmen zustimmen würden. Komisch. Bundesweit immer mehr Menschen die gegen die Maßnahmen auf die Straße gehen? Was stimmt denn nun? Ich denke wir hier im Forum wissen es. Da braut sich langsam eine emotional geladene explosive Mischung zusammen. Ja, es gibt Spinner, Verschwörungstheoretiker, parteipolitisch ein Ziel verfolgende “Coronagegner”. Die Mehrzahl aber sind aufgewachte, kritische Bürger ohne politische Ziele, sondern ihre Grundrechte einfordernde Menschen. Die Standarderklärungen “alles Rechte” und “Pack” wird nicht mehr reichen. Wie lange Beerdigungen von Ihnen so beschrieben noch “hingenommen” werden ist eine Frage der Zeit. Wenn Fußballer sich jubelnd in die Arme fallen dürfen. Wann werden erste Trauergäste abgeführt, weil sie sich zum Trostspenden umarmen? Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe.(W. Busch).

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