Anabel Schunke / 24.07.2019 / 06:08 / Foto: Achgut.com / 88 / Seite ausdrucken

Gab es Kontakte zwischen Sea Watch und Schleppern? 

Es ist Dienstagabend. Auf dem Sender Rete 4 im italienischen Fernsehen läuft die Talkshow „Quarta Repubblica“. Gezeigt wird ein fünfminütiger Film. Der Inhalt ist brisant. Zu sehen sind Migranten an Bord eines Schlepperboots. Die Stimmung ist ausgelassen. Rufe und Musik sind zu hören. Einige rufen zu Hause an, sagen, dass sie bald in Europa seien. Es werden Videos verschickt. Ein Migrant erzählt, dass zwei Videos üblich seien. Eines würde die Abfahrt aus Zuwara in Libyen zeigen, das andere dokumentiere die Ankunft in Italien, um zu verdeutlichen, dass alles glatt gelaufen sei. Die Aufnahmen stehen im krassen Kontrast zu den Bildern, die man etwa aus der deutschen Panorama-Dokumentation über die Arbeit der „Seenotretter“ von Sea Watch kennt. 

Doch das ist längst nicht alles. „Die (libysche) Mafia besticht die libyische Polizei, so dass sie die Boote nicht aufhalten,“ so der Mann weiter. Die Boote seien am Strand von den Behörden gesichtet worden. Durch das getroffene Abkommen sei aber nichts passiert. Der junge Libyer, der selbst vor wenigen Wochen Italien erreicht hat, nennt auch den Namen eines Kontaktmannes: Lokman Zwari. Auf Facebook organisiere er in einer geheimen Gruppe Überfahrten von Libyen nach Italien. Und: „Als ich ihn fragte, ob die Überfahrt sicher sei, sagte er: Ja, er arbeite mit Schiffen zusammen, die Leute aus dem Mittelmeer retteten. Er hat gesagt, davon gebe es viele.“

Anders als die Journalisten in Deutschland hakt die italienische Journalistin nach: Der Kontaktmann hat gesagt, dass er mit den Seenotrettern im Mittelmeer in Verbindung stehe? „Ja, ja, er hat gesagt, er sei mit vielen Schiffen von Seenotrettern in Kontakt. Sea-Watch und viele andere, deren Namen ich nicht mehr weiß.“ Er würde die Orte kennen, an denen diese Schiffe warteten, wie etwa Sea-Watch. Wenn irgend etwas passieren würde, dann meldete er das bei Sea-Watch. Auf seinem Handy hätte er ihm viele Telefonnummern von verschiedenen Organisationen gezeigt. „Etwa vier oder fünf Nummern. Darunter die von Sea-Watch.“ (Siehe auch hier)

Seit einiger Zeit wird über geheime Absprachen zwischen den „Seenotrettern“ der europäischen NGOs und Schleppern spekuliert. Den Stein in Deutschland ins Rollen brachte die Beschlagnahmung der Iuventa vor zwei Jahren. Von 2016 bis 2017 nahm die Iuventa laut Aktivistin Pia Klemp rund 14.000 Migranten und Flüchtlinge auf, die anschließend an größere Schiffe übergeben wurden. 

2017 ist Schluss mit der „Seenotrettung“

Im August 2017 ist jedoch Schluss mit der „Seenotrettung“. Die italienische Polizei und Küstenwache durchsuchten die Iuventa, beschlagnahmten das Schiff anschließend. Seitdem wird gegen insgesamt zehn ehemalige Crewmitglieder ermittelt. Der Vorwurf: Beihilfe zur illegalen Einreise. Nach dem italienischen Strafrecht drohen den Betroffenen bis zu 15 Jahre Gefängnis. Konkret vorgeworfen wird den Beschuldigten, sich mit Schleppern abgesprochen zu haben. Im Netz kursierten Fotos, die die vermeintliche „Übergabe“ von Migranten zeigen. Deutsche Medien schauten, ähnlich wie heute auch, lieber nicht so genau hin, obwohl man schon damals für die Reportagereihe „360°“ im ZDF ein Kamerateam auf die Iuventa geschickt hatte, damit sich der Zuschauer „selbst ein Bild machen kann“.

Auch gegen die Organisation Sea Watch verdichten sich seit Jahren Vorwürfe, man würde Absprachen mit libyschen Milizen und Schleppern treffen. Auch hierzu existiert Bildmaterial, das mir eine italienische Kollegin auf Anfrage zur Verfügung gestellt hat. Die Organisation „Open Arms“ ist ebenso betroffen. Die Vorwürfe, die der junge Mann im Beitrag von „Quarta Repubblica“ äußert, scheinen so zumindest nicht gänzlich aus der Luft gegriffen.

Gemäß der Recherche meiner italienischen Kollegin soll Sea Watch von 2016 bis 2017 mit der Zawiya Militia zusammengearbeitet haben, die von Abdurahman al-Milad (Al-Bija) angeführt wurde. Die Miliz eskortierte Migranten von der libyschen Küste zum Treffpunkt mit der NGO, welcher sich außerhalb von libyschen Gewässern befand (12 nautische Meilen). 2017 wurden die Männer der Miliz im Rahmen des damals getroffenen italienisch-libyschen Übereinkommens wegen Beihilfe zur illegalen Migration verhaftet. 

Darüber hinaus lässt sich durch einen Bericht der EUNAVFOR MED Operation Sophia, belegen, dass Sea Watch sich am 6. November 2017 schon einmal den Anweisungen der italienischen Küstenwache widersetzte. Obwohl bereits eine Rettung durch die libysche Küstenwache im Gange war und man den „Rettern“ der Sea Watch-Crew befahl, der Rettung fernzubleiben, „crashte“ man die Aktion der libyschen Küstenwache. Infolge des provozierten Chaos sollen fünf Migranten gestorben sein, die ins Wasser sprangen, um das Schiff der NGO zu erreichen. Auch hierzu existiert Videomaterial. Genau wie zu einem anderem Vorfall, bei dem Sea Watch Migranten von der libyschen Küstenwache „stiehlt“. Erneut gehen mehrere Menschen im Wasser verloren.

Dieses Bäumchen-Wechsele-Dich-Spielchen

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass Pia Klemp, die zuvor als Kapitänin für „Jugend Rettet“ auf der Iuventa im Mittelmeer unterwegs war, unmittelbar nach deren Beschlagnahme im August 2017 das Kommando der Sea Watch 3, dem Schiff, das Carola Rackete jüngst in den Hafen von Lampedusa steuerte, übernahm. Dieses Bäumchen-Wechsele-Dich-Spielchen belegt sehr gut, dass es im Prinzip nicht wirklich eine Rolle spielt, für welche Organisation die „Seenotretter“ nun genau auf das Mittelmeer fahren. Der Verdacht, dass man sich überall der selben Praktiken bedient, liegt nahe. 

Aber hätte das Kamerateam von Panorama nicht mitbekommen müssen, wenn es solche Absprachen auch unter Racketes Kommando gegeben hätte? Auf meine Anfrage antwortete der Redaktionsleiter von Panorama, Volker Steinhoff, schriftlich: 

„Sehr geehrte Frau Schunke,

vielen Dank für Ihre Mail. 

Sie schreiben: "Zu sehen ist auch ein Schlepper, der behauptet, man hätte Kontakt zu den europäischen NGOs, die im Mittelmeer Migranten und Flüchtlinge retten. Darunter auch zu den Rettern von Sea Watch. "

Dies ist während der fraglichen Mission nicht passiert – wir waren die ganze Zeit an Bord.

Mit freundlichen Grüßen

Volker Steinhoff

Redaktionsleiter Panorama 

Die Frage lautet also: Was ist die Wahrheit? Oder hat man in diesem Fall auf Absprachen verzichtet, weil ein Kamerateam an Bord war? Würde Panorama offen und ehrlich über diese Absprachen berichten? Die Rekonstruktion vergangener Aktionen von Sea Watch und anderen europäischen NGOs legt nahe, dass die Vorwürfe, trotz des Dementis von Panorama bezüglich der letzten Rettungsaktion der Sea Watch 3, nicht aus der Luft gegriffen sind.

Und so wäre es insbesondere Aufgabe der großen deutschen Medien mit ihren umfassenden Recherchemöglichkeiten, an dieser Stelle einmal kritisch nachzufassen. Aber das geschieht nicht. Kaum eine Berichterstattung in Deutschland ist derart einseitig wie jene über die „Heldin“ Carola Rackete und die private „Seenotrettung“. Und das trotz der Erkenntnisse bzgl. der Zusammenarbeit von Schleppern und NGOs, die ich hier kurz skizziert habe.

Fakt ist, dass hier ein medial durchweg positives Bild der europäischen „Seenotretter“ gezeichnet werden soll. Verdachtsmomente und Belege in Form von Bildmaterial werden, man kann es nicht anders sagen, mutwillig ignoriert. Andernfalls müsste die Rolle von Rackete und ihren „Seenotretter-Kollegen“ völlig neu bewertet werden. Dieser kritischen Auseinandersetzung verweigern sich die deutschen Medien mehrheitlich im Namen der Ideologie. Das hat mit Journalismus nichts mehr zu tun. Das ist politischer Aktivismus.

Foto: Achgut.com

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Leserpost

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Manfred Lang / 24.07.2019

In unserem Land ist Vieles ein Skandal, auch die Kooperation der Schlepper mit der lybischen Polizei und , noch schlimmer, mit den “Seenotrettern”, die auf Abruf Seetaxi spielen und dann der mitleidenden Öffentlichkeit weismachen, was für tolle Helden und Menschenfreunde sie sind. Leider werden Beweise wie Filme und Tonmitschnitte bei dieser medialen Lage nichts bewirken. Die PC-Medien der Presse und des ÖR sind ein Teil dieses politischen Zieles der UN und der Mehrheit im BT und Regierung, Europa und besonders Deutschland mit Migranten zu “versorgen”. Da stört eine wirklich investigative Medienlandschaft nur, wenn es darum geht, unsere Gesellschaft noch bunter zu machen. Wie das funktioniert, Fakten durch ein Mediengewitter einfach so vom Tisch zu wischen, haben wir live bei der NOx-Frage erlebt. Selbst ein Lungenfachmann wie Prof. Köhler und seine Kollegen fanden bei der Politik kein Ohr. Oder der immer wieder neu inszenierte Klimawahnsinn um GT, der nur bewirken soll, Menschen gegen eine Phantomerscheinung zu mobilisieren. Kritische Geister haben gegen diese Massen, die sich in den Medien gut inszenieren lassen, keine Chance,  in dem öffentlichen Diskurs überhaupt Gehör zu finden. Und so werden diese Bild-und Tonbeweise wieder von der Tagesordnung der öffentlichen Wahrnehmung geschrieben, gelogen und bunt wegdemonstriert. Hauptsache “Wir sind mehr.” Ist doch egal, ob etwas richtig oder falsch ist, ob es der wissenschaftlichen Prüfung standhält oder nicht. Unsere Demokratie läuft Gefahr auf den Status eines Misthaufens herabzusinken. Denn dieser zieht auch jede Menge Schmeißfliegen an. Und dort sind sie tatsächlich mehr. Dennoch würde niemand auf den Gedanken kommen, dass ein Misthaufen lecker riecht, außer den Fliegen vielleicht.

Ivan de Grisogono / 24.07.2019

Ganze Chaos ist nur möglich weil die deutschen Wähler vor jeder Denkaufgabe kapitulieren und Untergrabung des Rechtstaates tolerieren ! Besser bezahlen, sich erstechen lassen, Opfer werden, als sich währen wie z.B. auf die Straßen zu gehen, kompromittierte Parteien und Kirchen boykottieren, kein Geld spendieren etc. Organisationen die unsere Gesellschaft sabotieren wie Sea Watch haben offensichtlich Geld im überfluss! Wer stecht wirklich hinter dieser „Bewegung“ ?

Thomas Kraft / 24.07.2019

“Dies ist während der fraglichen Mission nicht passiert – wir waren die ganze Zeit an Bord.” Bin ich der einzige, der hier ein deutlich distanzierteres Statement a la “Wir haben nichts mitbekommen” oder “zumindest nicht in unserem Beisein” erwartet hätte?

H. Schmidt / 24.07.2019

Wie ich schon vor dem italienischen Fernsehen beschrieb. Es genügte als Laie ein paar Stunden die Schiffsbewegungen auf dem Schiffsradar im Internet zu beobachten. Jeder normal denkende käme daraufhin zu dem Schluss, dass alles bewusst und geplant abläuft. Da schippert niemand planlos in den Gewässern herum. Da werden gezielt Koordinaten Punkte angefahren die offensichtlich vorher jemand mitgeteilt haben muss. Wenn die vermeintlichen “NGO-Retter” an dem Punkt eintreffen finden sie oft nichts vor und drehen dann ein paar Kreise oder fahren zickzack um das bereits abgetriebene Boot der Flüchtlinge doch noch zu finden. Auch das Trinkwasser auf dem Bootchen der Flüchtlinge reicht nie und nimmer für eine Überfahrt. Ganz zu schweigen von Benzin (wenn überhaupt vorhanden) Da würde doch kein Flüchtling freiwillig einsteigen wenn nicht vorher schon klar wäre das die Rettung in kürze herbeigeeilt kommt. Aber regen wir uns nicht auf. Die Verantwortlichen Politiker drücken sich um die richtige Entscheidung. Es kommt dann alles wie es kommen muss. Nach dem Motto: Nun sind sie halt mal da… Dann sage ich: Dann bin ich halt mal weg. Viel Spaß noch und Tschüss.

Gabriele Kremmel / 24.07.2019

Die deutsche Journaille ist überwiegend parteiisch und unfähig und zu einer Propagandapresse, mindestens aber zu einer Stillhaltepresse verkommen. Woher will ein Kamerateam wissen, ob es Absprachen gab oder nicht? Heutzutage muss man nicht mehr, für alle hörbar, in ein Funkgerät sprechen, um sich zu verständigen, es gibt auch verschlüsselte Textnachrichten, die man ganz diskret ins Smartphone tippen kann. Außerdem ist es gar nicht notwendig, sich während der Anwesenheit eines Kamerateams mit Schleppern via Funk oder Telefonat oder sonstwie abzusprechen. Die Positionen der Schiffe sind auf Tracking-Websites wie Vesselfinder ohne Weiteres von jedem Smartphone aus auszumachen, auch von den Schleppern. Kreuzt das entsprechende Rettungsschiff an bestimmten Stellen auf und herum, ist das ein klares Signal für die Schlepper, loszulegen.

Wilfried Cremer / 24.07.2019

Wer die Moral bestimmt, beherrscht das Fundament des Rechts und drängt von unten an die Macht. So geht Ethik bei den Ratten und bei falschen Rettern.

Axel Robert Göhring / 24.07.2019

Ähm, Sea Watch IST eine Schlepper-Organisation. Rackete bekam doch 1,5 Millionen € Spendengelder. Also, extra nach der Attacke auf den Hafen. Vorher ja auch schon. Ob die Verwendung der Millionen transparent gemacht wird?

Hagen Müller / 24.07.2019

“Und so wäre es insbesondere Aufgabe der großen deutschen Medien mit ihren umfassenden Recherchemöglichkeiten, an dieser Stelle einmal kritisch nachzufassen.” Ich finde, es wäre Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden.

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