Von ウォルフガング ツオウベク.
Derzeit herrscht in Japan Regenzeit, und der G20-Gipfel stand in Gefahr, von einem Taifun verweht zu werden. Tatsächlich war von den starken Regenfällen aber nur die Ankunft einiger Gäste am Donnerstag betroffen, zum Beispiel bei Donald Trump und Xi Jinping. Danach zog das schlechte Wetter Richtung Tokio ab.
In den Medien wurde über das kommende Ereignis schon Tage zuvor berichtet, denn es war der erste G20-Gipfel in Japan. Anfang Juni gab es ein Treffen der Finanzminister und Chefs der Zentralbanken, und vor einem Abschwung der Weltwirtschaftskonjunktur wurde gewarnt. Andere Schlagwörter waren Klimawandel, Umweltschutz und Energie, Datensicherheit und Frauenförderung. Es blieb im Einzelnen aber bei sehr phrasenhaften Darstellungen der jeweiligen Thematik.
Das setzte sich auch beim Gipfel selbst fort. Es wurde berichtet, dass zum Schutz der Meere die Vermeidung von Plastik oberste Priorität hätte. Im Pressezentrum wurde darauf hingewiesen, dass Imbisse nur auf Papiertellern gereicht würden, selbst Strohhalme wären nur aus Papier, Tragebeutel aus Stoff, und in Getränkeautomaten gäbe es keine Plastikflaschen, nur Dosen. Es wurde propagiert, das Plastikmüllproblem bis 2050 zu lösen, und das Projekt erhielt den schönen Namen: Osaka Blue Ocean Vision.
Ein englischer Journalist zeigte sich von dem Missionseifer vollauf begeistert und lobte die Vorreiterrolle Japans beim Kampf gegen Plastikmüll. Er erkannte nicht, dass es sich dabei um eine reine Alibi-Aktion handelte. Außerhalb des Kongresszentrums sind nach wie vor Plastikflaschen in Gebrauch, und die Kunden japanischer Geschäfte bekommen weiterhin Plastiktüten für ihren Einkauf, meistens sogar gratis.
Mit dem Tross von Regierungschefs, Delegationsmitgliedern und Journalisten hatte eine Parallelgesellschaft in Osaka Einzug gehalten, für die ein eigener abgeschotteter Bereich geschaffen wurde. Mit gewöhnlichen Menschen sollten sie nach Möglichkeit nicht in Kontakt kommen, man wollte die beiden Welten bewusst voneinander trennen. Die Schulen hatten schon seit Freitag geschlossen, viele Straßenzüge und sogar ein Teil der Stadtautobahn waren für die Zeit des Gipfels gesperrt. Betroffen davon war unter anderem die Paketzustellung, und Anwohner neuralgischer Punkte mussten auf Aufforderung der Sicherheitskräfte spezielle Ausweise vorzeigen, sonst hätte man sie nicht mehr heim in ihre vier Wände gelassen.
Merkel nur für deutsche Hofberichterstatter von Interesse
Sicherheit stand über allem, sogar im Wasser des Burggrabens von Schloss Osaka hielten Taucher nach verdächtigen Objekten Ausschau. INTEX Osaka, die Kongresshalle, wo der eigentliche Gipfel standfand, befindet sich auf einer Insel in der Bucht von Osaka. Schon beim G7-Gipfel 2016 in Ise-shima war ein entlegener Ort für die Veranstaltung gewählt worden, wo sich die Zufahrten leicht kontrollieren lassen. In Japan besteht jedoch kaum die Gefahr großer Demonstrationen oder gar gewaltsamer Proteste. Ausschreitungen wie beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg sind so gut wie ausgeschlossen. Positiv gesehen, könnte man den Japanern attestieren, ein sehr kultiviertes Volk zu sein. Etwas kritischer kommentiert, dass sie sehr angepasst sind. Auch von direkt Betroffenen in Osaka gab es kaum Beschwerden über die mit dem Gipfel verbundenen Einschränkungen.
Die Trennung zwischen den Gästen und den Bürgern setzte sich auch bei den kulturellen Veranstaltungen fort, die für die Gipfelteilnehmer organisiert wurden. Am Freitag wurden den mitgereisten Gattinnen der hohen Herrschaften die Sehenswürdigkeiten Kyotos präsentiert. Da Theresa May und Angela Merkel solo eingetroffen waren, kamen ihre besseren Hälften nicht in den Genuss der Tempeltour.
Und für die Staatsgäste fand am Freitagabend noch ein Kulturevent in einem Gästehaus in der Nähe des Schlosses von Osaka statt, das normalerweise für Hochzeitsfeiern benutzt wird. Dort gab es ein festliches Abendessen und Auftritte des Kyōgen-Schauspielers Nomura Mansai sowie des blinden Pianisten Tsuji Nobuyuki. Kyōgen ist die traditionelle japanische Komödie, und Nomura Mansai ist auch dazu ausersehen, bei der Eröffnung der olympischen Spiele 2020 in Tokio die japanische Kultur zu vertreten.
Apropos May und Merkel, die zwei Politikerinnen waren definitiv die lame ducks des Gipfels. Die japanischen Medien interessierten sich für Trump und Xi, Putin und Erdogan, Macron und Abe, aber für die beiden nicht. Die eine ist schon zurückgetreten, bei der anderen dauert es hoffentlich nicht mehr lange. Es war japanischen Journalisten auch keine Frage wert, ob Merkel kürzlich wegen des Klimawandels oder wegen anderer drohender Folgen ihrer desaströsen Politik das große Zittern bekommen hätte. Das war nur für deutsche Hofberichterstatter von Interesse.
Die dritte lame duck war Jean-Claude Juncker, er wurde kaum erwähnt. Nach japanischen Berichten zu schließen, hätte man meinen können, dass er gar nicht in Osaka war. Aber dann fand sich eine Mitteilung, dass es ein Arbeitsessen zwischen Tusk, Abe und Juncker gegeben hätte, wobei Erleichterungen für die Einfuhr japanischer Lebensmittel in die EU in Aussicht gestellt wurden. Seit Fukushima sind acht Jahre vergangen, und Juncker braucht einen G20-Gipfel, um das Thema zwischen der EU und Japan anzusprechen. Alle Achtung. Leider ging diese Nachricht auf allen Kanälen unter.
Der Fall Khashoggi blieb unerwähnt
Ebensowenig spielte es für japanische Medien eine Rolle, dass sich am Rande des Gipfels die anwesenden europäischen Regierungschefs darauf einigten, Weber nicht zu Junckers Nachfolger werden zu lassen. Erstens weiß ohnehin niemand, wer diese no names sind, und zweitens könnte man fragen, warum das ausgerechnet bei einem G20-Gipfel ausgeklüngelt werden musste? Etwa, weil die lieben Kleinen da nicht dazwischenquengeln können? Und dass Juncker und Merkel sich heroisch dafür eingesetzt hätten, den Klimaschutz gegen amerikanischen Wunsch im Abschlussdokument festschreiben zu lassen, war in Japan auch keine Meldung wert.
Die für Japan ausschlaggebenden Ergebnisse des Gipfels waren: Erstens, dass Trump mit China weiter über ein Handelsabkommen verhandeln will und er auch eine Klärung der Probleme mit Huawei anstrebt. Zweitens: Fair trade, die Digitalisierung solle gefördert, der freie Fluss von Daten weltweit uneingeschränkt bleiben, und die Datensicherheit gewährleistet sein. Die betreffende Deklaration ‚Osaka Track‘ wurde mit Zustimmung Chinas verabschiedet. Drittens war die Forderung wichtig, dass globaler Handel und Investitionen frei, fair, transparent und ohne Diskrimierung ablaufen sollten.
Keine vorrangige Meldung, dennoch erstaunlich war es, aus japanischen Medien zu erfahren, dass Vietnam, Singapur und Senegal am G20-Gipfel teilnahmen. War das in deutschen Medien zu lesen? Auffälliger mutete es dagegen an, wie selbstbewusst der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman in Osaka auftrat. Augenscheinlich war er ein wohl gelittener Gast unter den Gipfelteilnehmern. Der Fall Khashoggi blieb unerwähnt, und von Berührungsängsten war nichts zu merken. So schnell kann es gehen, wenn Gras über einen politischen Mord wächst. Selbst die Hypermoralistin Merkel, die anderswo gern strenge Blicke verteilt und bei manchen Zeitgenossen schon mal aus der Ferne ‚Hass im Herzen‘ diagnostiziert, stand auf einem der offiziellen Fotos direkt neben Salman, ohne Anfälle zu bekommen. Saudi-Arabien wird den G20-Gipfel 2020 ausrichten.