Von Susanne Baumstark.
Die gestrige Sendung um die zurückgehaltene Antisemitismus-Doku, die Einlassungen von WDR-Direktor Jörg Schönenborn und die anschließende Diskussion bei Maischberger regt dazu an, mal genauer hinzu-schauen bei der Berichterstattung über Palästina und Israel. Die Tagesschau etwa brachte am 17. Juni die Meldung: „In der Jerusalemer Altstadt haben drei Palästinenser israelische Sicherheitskräfte angegriffen. Eine Polizistin starb wenig später im Krankenhaus.“ Die Palästinenserorganisation Hamas habe erklärt: Der „heldenhafte“ Anschlag ist eine natürliche Reaktion auf die Verbrechen der Besatzer. Am Ende des Beitrags heißt es: „Derartige blutige Zwischenfälle gibt es vermehrt seit September 2015. Dabei wurden 42 Israelis getötet, auch zwei Amerikaner und ein britischer Tourist wurden Opfer solcher Gewalt. Israelische Sicherheitsleute töteten im gleichen Zeitraum zwischen 250 und 300 Palästinenser - die meisten waren nach israelischer Darstellung die Angreifer selbst.“
Auf Nachfrage bei einem Nahost-Experten, ob es seriös respektive der Ausgewogenheit wegen notwendig ist, den Vergleich zu ziehen, dass Israelis im gleichen Zeitraum mehr Palästinenser töteten, lautet die Antwort von Ulrich W. Sahm:
„Solche Vergleiche sind tendenziös und absolut unseriös.“ In zahlreichen Fällen gingen Palästinenser mit Messern und Gewehren direkt auf Polizisten zu. Sollten sich die Israelis ermorden lassen? „Jeder Fall muss da einzeln geprüft werden.“ Zu beachten sei, dass es häufig nur deshalb nicht zu mehr Todesfällen auf israelischer Seite kommt, weil sich die Polizisten dort mit Schutzjacken vor Messerstechern schützen. „Viele Anschläge sind gefilmt worden. Da sieht man deutlich, wie Palästinenser plötzlich bei einer Ausweiskontrolle ein Messer zücken.“ Erschreckend sei auch die Vielzahl der jungen palästinensischen Frauen, die aufgrund eines Ausschlusses aus dem familiären Schutz „regelrecht Selbstmord“ begehen. „In manchen Fällen tragen sie sogar einen Abschiedsbrief in der Tasche, wenn sie mit dem Messer in der Hand auf die Polizisten zugehen. Sie selbst wähnen sich dann im ‚Paradies‘, während ihre Familien mit viel Geld von der Autonomiebehörde versorgt werden.“
Da Öffentlich-Rechtliche über Hintergründe, die für die Einschätzung der Lage unverzichtbar sind, nicht aufklären und das Gros der Bürger für bare Münze nimmt, was in der Tagesschau kommt, braucht man sich über zunehmenden Antisemitismus nicht zu wundern.
"Eine Sammlung der schlimmsten, einseitigen und anti-israelischen Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten" gibt es bei Tapfer im Nirgendwo.
Hier weitere Reaktionen auf die gestrige Sendung:
Doku und Talk über Antisemitismus: Ein missglückter Abend für den WDR
TV-Kritik: Maischberger - Abgelehnt und ausgestrahlt
"Haben Sie nicht!" - "Haben wir doch!"
Muss ein Film gegen Antisemitismus in Europa pro-jüdisch sein?
Susanne Baumstark, Jahrgang 1967, ist freie Redakteurin und Diplom-Sozialpädagogin. Ihren Blog finden Sie hier.